Kunsthochschulen in Deutschland
27. Februar 2012"Ein Künstler ist jemand, der Dinge hervorbringt, die von den Leuten nicht gebraucht werden, von denen er aber aus irgendeinem Grund glaubt, dass es gut wäre, sie ihnen zu geben." Superstar Andy Warhol wusste, wovon er sprach. Er beherrschte die Kunst der Selbstvermarktung wie kaum ein anderer. Bewerber um einen Studienplatz an einer deutschen Kunstakademie brauchen ebenfalls eine gute Portion Durchsetzungskraft. Wer rein will, muss beweisen, dass er Talent hat. Das ist gar nicht so einfach. Etwa 700 Kandidaten bewerben sich alljährlich um einen Platz an der Kunstakademie in Düsseldorf, einer der wahrscheinlich begehrtesten Ausbildungseinrichtungen für Bildende Kunst in Deutschland. Nur 100 Studenten werden angenommen, mal mehr, mal aber auch weniger. Als Joseph Beuys, Held der deutschen Nachkriegskunst, das im Jahr 1972 ändern wollte, wurde er nach elf Jahren als Lehrer in Düsseldorf fristlos entlassen. Er hielt jeden Menschen für einen Künstler. Deshalb sollten alle, auch die Abgewiesenen, in seiner Klasse einen Platz bekommen. In der Hochphase scharte er in seiner Klasse 400 Schüler um sich. Darunter auch Künstlerpersönlichkeiten wie Jörg Immendorff, Blinky Palermo oder Katharina Sieverding.
Prominente Schüler und Lehrer
Einige, die es in Düsseldorf geschafft haben, sind weltberühmt geworden. Gerhard Richter gehört dazu. Ebenso Bernd und Hilla Becher, die mit ihrer fotografischen Sehweise eine ganze Stilrichtung, die "Becher-Schule", hervorbrachten. Die in Amerika unter dem Spitznamen "The Struffkys" bekannten Künstler Thomas Struth, Thomas Ruff und Andreas Gursky zählen ebenfalls zu den internationalen Superstars, die an der Düsseldorfer Akademie studiert haben. Einige von ihnen sind längst dorthin zurückgekehrt – als Lehrer.
Die erste Hürde, die es zu überwinden gilt, ist die Aufnahmeprüfung. Sie stellt hohe Anforderungen an die Kreativität und Selbständigkeit der Bewerber. 20 bis 25 künstlerische Originale müssen in einer Mappe eingereicht werden. Eine bestimmte Technik oder eine bestimmte Thematik wird meist nicht vorgegeben. Anhand dieser Arbeiten entscheidet eine Prüfungskommission, ob der Bewerber über eine "hervorragende künstlerische Begabung" verfügt. Das ist die Voraussetzung für die Zuweisung eines Studienplatzes.
Talentschmiede Kunsthochschule
Düsseldorf ist eine von 23 Kunsthochschulen. Rund 10.000 Studenten sind deutschlandweit eingeschrieben. Es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass sich mit Kunst Millionen verdienen lassen. Die Auktionsrekorde und Geschichten von Talenten, die über Nacht entdeckt wurden, beflügeln die Fantasie vieler junger Künstler. Die Realität sieht allerdings anders aus. Nur ein paar Auserwählte schaffen es, von ihrer Berufung zu leben: 2010 lag das durchschnittliche Einkommen im Bereich Bildende Kunst in Deutschland nach Angaben der Künstlersozialkasse bei bescheidenen 13.185 Euro - im Jahr.
Diese Fakten werden vom Kunstbetrieb gerne unter den Tisch gekehrt. Und so ist das gesellschaftliche Interesse an Kunst in den letzten zwanzig Jahren rasant gewachsen. Wenn einmal im Jahr die Kunstakademien in Deutschland ihre Pforten öffnen, stürmen bis zu 40.000 Besucher die Hallen und Ateliers - in einer knappen Woche. Zahlen, die man eigentlich nur von Sportereignissen kennt. Vielfach begeben sich auch Galeristen und Museumskuratoren auf einen Streifzug, um direkt an der Quelle nach den Shootingstars von morgen zu suchen.
Ideale Studienbedingungen
Besonders großes Interesse finden die Leistungsschauen der Kunsthochschulen in Hamburg, Berlin, München, Leipzig und Frankfurt am Main. Dort befindet sich die kleinste Kunsthochschule Deutschlands: die Frankfurter Städelschule. Die Studierenden finden auch hier nahezu ideale Bedingungen vor: Zehn Künstler, die selbst bereits international anerkannt sind, stehen den rund 170 Studenten gegenüber.
Aufstrebende Maler zieht es noch immer nach Leipzig. Unter Kunstkritikern galt die Hochschule für Grafik und Buchkunst im Jahr 2008 als die für Malerei und Graphik bedeutendste deutsche Kunsthochschule. Von 2005 bis 2009 war Überflieger Neo Rauch dort als Professor tätig. Durch den Maler ist die Neue Leipziger Schule zum Qualitätslabel geworden, das weltweit inzwischen so bekannt ist wie Volkswagen oder BMW. Eine Entwicklung, die den Osten der Republik für Künstler zu einem begehrten Ausbildungsplatz gemacht hat.
Medienkunst – Inseln des Neuen
Als erste Kunsthochschule für audiovisuelle Medien nahm die Kunsthochschule für Medien (KHM) in Köln im Jahr 1990 den Lehrbetrieb auf. Damals gab es nur ein Postgraduiertenstudium in den Fächern Medienkunst, Mediengestaltung, Kunstwissenschaft und Film. Fünf Jahre später wuchs die KHM: Seit 1995 bietet sie neben dem viersemestrigen Weiterbildungsstudiengängen auch ein neunsemestriges Grund- und Schwerpunktstudium an. Das Lehrangebot reicht von der Entwicklung innovativer Internetprojekte über die Geschichte von Musik- und Klangapparaten bis hin zur Medientheorie und Medienkunst. Rund 360 Studenten, betreut von 36 Professoren, lassen sich dort zum Medienkünstler oder Filmemacher ausbilden. Das Diplom "Mediale Künste" ist in Deutschland einmalig. Anders als in Kunstakademien gibt es nicht das traditionelle Lehrer-Schüler Verhältnis, die Studierenden arbeiten an Projekten, die von verschiedenen Professoren betreut werden können.
So unterschiedlich die Schwerpunkte der Kunsthochschulen in Deutschland auch sind: Es genügt nicht, gut zu sein, um bekannt zu werden. Das Dickicht des Kunstmarktes ist kaum zu durchschauen. Um Erfolg zu haben, hilft auf jeden Fall die Gabe, andere von sich überzeugen zu können. Kurz: Dass die Dinge, die der Künstler macht, unbedingt gebraucht werden.
Autorin: Sabine Oelze
Redaktion: Gudrun Stegen