Deutschlands Wildnis
30. Mai 2008Es ist nicht leicht, Bauer im Kreis Düren zu sein. Die EU hat Zuschüsse für die Zuckerrübenhochburg bei Köln gestrichen; und jetzt werden auch noch heimlich über Nacht Bäume gefällt und Felder geflutet. "Biber haben ihre eigenen Vorstellungen von Landschaftsarchitektur", sagt Lutz Dalbeck von der Biologischen Station Düren. Sechs Biber wurden 1981 freigelassen. Inzwischen gibt es im Kreis 200 Tiere, was öfter zu Konflikten mit Landwirten führt. Mehrere Biberberater müssten her, doch es fehlt Geld. Auch in Bayern wurden Biber angesiedelt - und breiteten sich stark aus. Inzwischen schaffen 200 Berater in der Bevölkerung Verständnis für die baulichen Vorstellungen der 8000 nagenden Architekten. "Der Blick nach Bayern lohnt", sagt Dalbeck.
Der Biber ist nur ein Beispiel für erfolgreichen Artenschutz in Deutschland. Millionenschwere Programme, Jagdverbote, eine teils veränderte Landwirtschaft und die Einrichtung von Schutzgebieten haben dafür gesorgt, dass Arten zurückkehren oder sich erholen. Die Fläche der Naturschutzgebiete nahm seit 1998 um 30 Prozent zu, wie die "Daten zur Natur" des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zeigen.
Auf leisen Pfoten
Auf leisen Pfoten kehrt gerade der Luchs, der lange nur im Bayerischen Wald vorkam, in einige Bundesländer zurück. Auch der Bestand der Wildkatze ist dank aufwändiger Schutzprogramme angewachsen. Das Symboltier der Rückkehr schlechthin ist der Wolf, der 1996 von Polen in die Laustiz kam. Jetzt gibt es maximal 30 Tiere - und noch immer zu wenig Akzeptanz. Immer wieder werden wanderne Wölfe geschossen, wie Ende 2007 in Niedersachsen.
Schutzprogramme bringen auch den Fischotter zurück, der sich lange nur noch in wenigen Seen und Flüssen Ostdeutschlands hielt. In den Flüssen schwimmen auch immer mehr Lachse. Mehrere Bundesländer haben Wanderfischprogramme aufgelegt und Millionen für den Schutz von Salmo Salar ausgegeben. Bagger graben verschlammte Kiesbetten um, damit der König der Fische laichen kann. Unüberwindbare Wehre werden eingerissen, damit er passieren kann. Das größte Projekt gibt es an der Sieg, in die jedes Jahr hunderte Lachse zum Laichen aus der Nordsee zurückkkehren.
Dumpfes "Buhu" tönt durch den Wald
Ornithologen können sich freuen: Die Bestände von Fisch- und Seeadler haben sich erholt, auch weil Pflanzenschutzmittel aus der Landwirtschaft verschwanden, die die Schalen ihrer Eier brüchig werden ließ. Der Seeadler brütet sogar wieder in Nordrhein-Westfalen, in den ruhigen Weiten der Senne. Mit gezielten Programmen gelang es auch, den Bestand des Wanderfalken wieder aufzubauen, der nun am Kölner Dom Tauben jagt.
Naturschützer haben es geschafft, dass der scheue Schwarzstorch wieder ungestört brüten kann. Auch die Bestände von Steinkauz, Wiesenweihe und Großtrappe, Europas schwerstem Flugvogel, erholen sich. Eines der erfolgreichsten Artenschutzprojekte ist die Rückkehr des Uhus. 1965 gab es bundesweit noch 20 Brutpaare. Naturschützer begannen dann in der Eifel, Jungvögel auszuwildern und ihr Engagement auf das ganze Land auszuweiten. Nun tönt das dumpfe "Buhu" wieder durch viele Wälder, 1000 Paare stark ist die deutsche Population.
Gastbesuche des wahren Königs
Die Rückkehr des Braunbären ist unwahrscheinlich, der erschossene "Bruno" in Bayern wohl ein Einzelfall. Denn in den deutschen Alpen, dem einzigen potenziellen Revier, gibt es für den Bär laut BfN zu wenige Lebensräume. Für große Säuger fehlt oft der Platz. Doch es gibt sie noch, die großen, dünn besiedelten Naturräume - vor allem in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Weshalb dort entlaufene Nandus und Kängurus leben können, und der wahre König aus Polen zu Gastbesuchen hierher kommt. "Eine eigene Elch-Population gibt es noch nicht", sagt Peter Heyne, Leiter des Biosphärenreservats Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. 120 Beobachtungen hat er schon registriert. "Vermutlich wurden aber deutlich mehr Tiere gesichtet."
Das Artensterben geht weiter
Die Rückkehr größerer Arten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Artensterben insgesamt weiter geht. Die Situation sei "alarmierend", sagte unlängst BfN-Präsidentin Beate Jessel. Es sind unscheinbare Tiere wie Mauersegler, Feldlerche, Kiebitz, Mops- oder Bechtsteinfledermaus, die langsam verschwinden. 36 Prozent erfassten Tierarten sind gefährdet, darunter acht von 13 Reptilienarten.
Der Klimawandel setzt vielen Arten zu. In Deutschland werden zudem täglich 110 Hektar Fläche zugebaut. Europas dichtestes Straßennetz zerschneidet die Lebensräume, was Wildtiere daran hindert, sich auszubreiten. Außerdem herrscht nach wie vor die intensive Landwirtschaft mit Pestiziden vor. Und die Naturschutzpolitik ist schlecht koordiniert, wie Umweltverbände kritisieren. Die Bundesländer haben im Naturschutz massiv eingespart - und erfassen ihre Ausgaben so lückenhaft und widersprüchlich, dass Leistungsvergleiche kaum möglich sind. Solange es solche Probleme gibt, hat es die Natur schwer - auch wenn es manchmal gelingt, sie auf wunderbare Weise zurückzuholen.