Deutschland: Inflation bereitet Bauern Sorge
14. Dezember 2022"Es ist wirtschaftlich einfach nicht zu machen", sagt Thomas Bollig. "Ohne weiteren staatlichen Eingriff geht es nicht. Wir haben uns auf den Klimawandel vorbereitet. Aber nicht auf so etwas."
Bollig ist Inhaber des Wittfelder Hofs, eines landwirtschaftlichen Familienbetriebs südlich der Stadt Bonn im Westen Deutschlands. Sein Land, erzählt der 39-Jährige der DW, "ist seit mindestens dem 16. Jahrhundert Ackerland, wahrscheinlich aber schon, seit es in diesem Teil der Welt Landwirtschaft gibt."
Den Hof gründete sein Vater 1982. Als Bollig ihn 2019 übernahm, beschloss er, den Betrieb auf Bio- und Freilandhaltung umzustellen. Eine Veränderung, von der sein Vater "nicht begeistert war", sagt er lächelnd, "aber er hat sich schließlich dazu durchgerungen." Noch immer hilft der Vater von Zeit zu Zeit mit. Schweine-, Geflügel-, Rinder-, und Lämmerzucht sowie Ackerbau: all das betreibt Bollig ansonsten mit nur zwei Vollzeitmitarbeitern, während seine Frau den Hofladen unterhält.
"Die Umstellung auf den ökologischen Landbau war ein gewaltiges Unterfangen", so Bollig. Unter anderem musste er die Zahl der Tiere reduzieren, größere Ställe bauen und teureres Futter kaufen.
"Und jetzt riskiere ich, dass halbfertige Ställe als Ruinen dastehen", sagt Bollig. Denn der Krieg in der Ukraine hat die Inflation in Deutschland in die Höhe getrieben. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Kosten für Baumaterialien seit dem letzten Jahr um durchschnittlich 16,5 % gestiegen.
Kosten fressen Gewinne auf
Bauernpräsident Joachim Rukwied wies kürzlich auf den Ernst der Lage hin. Bei der Vorstellung des Situationsberichts 2022/23 des Deutschen Bauernverbandes (DBV) erklärte er, dass die Bauern im abgelaufenen Wirtschaftsjahr zwar wieder besser verdient hätten. Die Gewinne 2021/22 stiegen im Schnitt auf knapp 80.000 Euro, fast 50 Prozent über dem schlechten Vorjahreswert. Doch die hohen Kosten würden die Gewinne auffressen.
Nicht nur die Baukosten für Landwirte seien enorm gestiegen, sagte Rukwied. "Die Energiekosten haben sich verdoppelt, verdreifacht. Die Kosten für Düngemittel im Schnitt in etwa vervierfacht. Und das verteuert natürlich die Produktion massiv."
Hinzu kommt, dass die gesetzlichen Anforderungen an den Frischluft- und Platzbedarf der Tiere steigen werden. Der Umbau von Scheunen und Ställen wird laut Bauernverband bis zu 80 Prozent höheren Betriebskosten führen, einschließlich höherer Kosten für Pflege und Futtermittel.
Angesichts dieser Lage drohen umweltpolitische Ziele der Bundesregierung, darunter auch neue Gesetze für eine nachhaltigere Landwirtschaft, auf der Prioritätenliste nach unten zu rutschen.
Bauernpräsident sieht Ernährungssicherheit gefährdet
"Beim Tierwohl haben wir Stillstand", sagte Rukwied, der auch die "Farm to Fork"-Strategie der EU-Kommission für die Landwirtschaft kritisierte. Die EU-Kommission plant darin, bis 2030 den Einsatz von Pestiziden und Antibiotika um 50 Prozent sowie von Düngemittel um 20 Prozent zu reduzieren. Mindestens ein Viertel der landwirtschaftlichen Flächen in der EU soll für den ökologischen Landbau reserviert werden. "Das, was die EU im Moment vorlegt, gefährdet letztendlich die Ernährungssicherheit in Europa und auch in Deutschland", beklagte Rukwied. Und: "Das würde die Betriebe massiv treffen."
Rukwied kritisierte auch den deutschen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der Anfang des Jahres Pläne für ein neues Kennzeichnungssystem für Fleisch hinsichtlich des Tierschutzes und der Umweltauswirkungen der Produktion angekündigt hatte. Für nicht ausreichend hält er die staatlichen Förderungen, die die Ampel-Koalition für die Agrarbranche in Deutschland vorsieht. Die Regierung hat beschlossen, bis 2026 eine Milliarde Euro für Stallumbauten und zum Ausgleich höherer laufender Kosten bereitzustellen.
"Die Schweinehalter sind nach wie vor unsere Sorgenkinder", so Rukwied. "Knapp 60.000 Euro Unternehmensgewinn. Das ist zu wenig, um einen Betrieb in die Zukunft führen zu können." Und ein weiteres Problem komme hinzu. "Wir sind immer wieder mit der Frage der Verfügbarkeit von Betriebsmitteln konfrontiert." Etwa bei Düngemitteln, "da wissen wir noch nicht, ob wir im Frühjahr genug Düngemittel zur Verfügung haben." Das gelte auch für Maschinenteile, die man zur Steuerung brauche und die derzeit nicht lieferbar seien.
Auf der anderen Seite stehen die Verbraucher. Auch die machen Landwirten wie Thomas Bollig Sorgen: "Die Kunden sind einfach nicht bereit, doppelt so viel auszugeben. Bio-Lebensmittel liegen in den Supermarktregalen und werden nicht gekauft." Die Inflationsrate in Deutschland lag im November bei zehn Prozent. Bei Lebensmitteln mussten die Verbraucher sogar mehr als 21 Prozent mehr bezahlen als im Vorjahresmonat.
Bolligs Aussage wird durch Studien untermauert, die zeigen, dass die Deutschen sparen: in erster Linie durch den Kauf von billigeren Lebensmitteln und den Einkauf in Billig-Supermärkten. Einzelne Medien berichten, dass Einzelhandelsketten sich weigerten, mehr für Produkte aus artgerechter Tierhaltung zu bezahlen. Sie forderten von den Landwirten niedrigere Preise und drohten damit, ansonsten nicht deren Produkte anzubieten.
Es mangelt an Fachkräften
Landwirt Bollig erklärt, dass große, konventionelle Betriebe einen gewissen Schutz vor explodierenden Preisen hätten. Denn sie hätten die Preise ihrer Lieferanten ein Jahr im Voraus festgelegt. Aber kleine ökologische Betriebe wie der seine litten unter gestiegenen Produktionskosten und könnten es sich oft nicht leisten, ihre Preise so hoch anzuheben, um die erforderlichen Gewinne zu erzielen.
Erschwerend kommt hinzu, dass der ökologische Landbau mehr gut ausgebildete Mitarbeiter erfordert. Wie in vielen andere Branchen auch, so Bollig, hätten kleine landwirtschaftliche Familienbetriebe Schwierigkeiten, genügend Personal zu finden.
Weil sowohl Verbraucher als auch Supermärkte offenbar nicht bereit sind, für einen besseren Tierschutz mehr zu bezahlen, ist es unklar, ob kleine landwirtschaftliche Betriebe ohne umfassende staatliche Unterstützung überleben können. "Ich denke, die Politiker sind auf dem richtigen Weg, sie haben erkannt, dass wir Hilfe brauchen, aber die Prioritäten müssen neu gesetzt werden", sagt Bollig.
Während er die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz dafür lobt, dass sie Verbraucherschutzmaßnahmen gegen die Inflation wie die Gaspreisbremse eingeführt hat, bleibt Bollig skeptisch, dass die Regierung genug für den Schutz der Landwirte tut. Und nennt als Beispiel staatliche Subventionen, die sich nach Flächengröße berechnen. "Dadurch werden die größeren Landbesitzer auf Kosten der kleineren belohnt".
Mit Sorge blickt er darauf, dass neue Vorschriften seinen Hof unrentabel werden lassen könnten. "Früher konnten wir diese Art von Veränderungen planen", sagt er. "Jetzt ist alles ungewiss."
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt.