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Deutschland könnte Klimaziele problemlos erreichen

18. August 2018

Das Klimaziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, sei faktisch nicht mehr zu erreichen, sagt die Bundesregierung. Falsch, sagen Experten. Es gehe ohne Probleme - wenn man nur wolle.

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Luftverschmutzung durch Braunkohlekraftwerk
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

Deutschland kann seine CO2 Emissionen bis 2020 noch "problemlos" kräftig senken und so seine international versprochenen Klimaziele erreichen. Zu diesem Ergebnis kommen Experten vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). 

Im Auftrag von Greenpeace untersuchten die Fraunhofer Wissenschaftler wie Deutschland seinen CO2 Ausstoß bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent senken und sich so weiterhin auf dem Pfad des Pariser Klimaabkommens bewegen könnte. Handelt die deutsche Politik allerdings wie bisher und ergreift keine zusätzlichen Anstrengungen, so wird laut Regierungsprognose bis 2020 nur eine CO2-Reduktion von 32 Prozent erreicht.

Die Fraunhofer-Experten zeigen in der Studie auf, dass es allein am politischen Willen fehle. Die erforderliche CO2-Reduktion ließe sich im Stromsektor am leichtesten erzielen. "Die versorgungssichere Lösung ist ein Dreiklang aus Abschaltung und Drosselung der ältesten Braunkohleblöcke sowie dem im Koalitionsvertrag beschlossenen Ausbau von Solar- und Windanlagen", erklärt Co-Autor Norman Gerhardt. 

Mehr dazu: Warum verfehlt Deutschland seine Klimaziele?

Braunkohletagebau Hambach Schaufelradbagger
Braunkohletagebau Hambach in NRWBild: picture-alliance/dpa/M. Becker

Weniger Braunkohlestrom für Export

Zwischen Bundesregierung und Stromversorgern ist die Abschaltung von fünf Braunkohleblöcken in den nächsten Jahren bereits vereinbart. Gerhardt und sein Kollege Jakob Kopiske schlagen vor, 14 weitere Braunkohleblöcke im Jahr 2020 abzuschalten. Das Durchschnittalter dieser Kraftwerke liege dann bei 46 Jahren. Weitere 15 Braunkohleblöcke blieben 2020 noch in Betrieb, bis zu elf allerdings mit einer etwas gedrosselten Stromproduktion.

Laut Berechnungen ließen sich mit diesen zusätzlichen Maßnahmen die deutschen Klimaziele bis 2020 doch noch erreichen. Die Stromversorgung wäre weiterhin sicher. Die Ziele würden vor allem auch deshalb erreicht, weil der starke Stromexport in die Nachbarländer entfällt.

Deutschland hatte sich in den letzten Jahren zu Europas größtem Stromexporteur entwickelt. Da trotz Ausbau der erneuerbaren Energien die Stromproduktion mit der besonders klimaschädlichen Braunkohle nicht gedrosselt wurde, fließen inzwischen rund neun Prozent des verfügbaren Stroms in die Nachbarländer. Der so produzierte Stromüberschuss entspricht den Strombedarf von Portugal.

Infografik Strommix in Deutschland 2017 DEU

Maßnahmen sinnvoll

Den Fraunhofer Vorschlag halten auch andere Energieexperten für sinnvoll und machbar. "Die Studie ist sehr gut. Man braucht keine Kohlekommission, sondern kann entscheiden die in der Studie identifizierten Kohlekraftwerke abzuschalten", sagt Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group gegenüber der Deutschen Welle. Um die Pariser Klimaziele langfristig einzuhalten, brauche es in Deutschland zudem aber einen drei bis viermal stärkeren Ausbau von Wind- und Solarenergie als derzeit. 

Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft, hält den Vorschlag ebenfalls für sinnvoll. "Die Kohleverstromung verursacht allein rund 40 Prozent der deutschen CO2-Emissionen. Wenn man etliche Kohlekraftwerke vom Netz nimmt, wäre das Ziel für 2020 rein rechnerisch schon erreichbar", sagt Quaschning der DW.

Deutlich schwieriger dürfte es nach seiner Einschätzung für Deutschland allerdings werden, die von der Regierung beschlossene CO2-Reduktion bis 2030 einzuhalten. "Da müsste man entweder nahezu vollständig aus der Kohleverstromung aussteigen oder andere radikale Maßnahmen durchsetzen."

Um das Pariser Klimaziel umzusetzen, hält Quaschning darüber hinaus den vollständigen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern bis spätestens 2040 für erforderlich. "Bis 2030 brauchen wir zudem den Abschied vom Verbrennungsmotor und das Aus der Öl- und Gasheizung und eine deutliche Reduktion des Flugverkehrs."

Mehr dazu: Täuscht RWE Öffentlichkeit und Kohlekommission?  

Infografik Abbaumengen rheinischer Braunkohle bei Einhaltung der Klimaziele

Schnelles Ende für Braunkohle in NRW?

Klimaökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält den Fraunhofer Vorschlag ebenfalls für machbar. "Mit der derzeitigen Regierung ist es aber kaum umsetzbar. Sie setzt völlig falsche Prioritäten: Der Netzausbau muss als Ausrede für das Ausbremsen der Energiewende herhalten, der Kohleausstieg ist verschoben, eine nachhaltige Verkehrswende fehlt völlig", sagt Kemfert gegenüber der DW. 

Vor dem Hintergrund der jüngst einberufenen Kohlekommission hatten auch die DIW-Wissenschaftler die erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele  genau analysiert und kommen zu ähnlichen Ergebnissen wie Fraunhofer.

Das DIW nahm bei der Untersuchung die deutschen Klimaziele für 2030 genauer unter die Lupe und prüfte wie diese bestmöglich zu erreichen seien. "Nur wenn man mit dem Kohleausstieg so schnell wie möglich beginnt und den Ausbau der erneuerbaren Energien forciert, bestehen durchaus noch Chancen die Klimaziele zu erreichen", erklärt Kemfert die Ergebnisse.

Eine zentrale Rolle bei der deutschen Klimaschutzstrategie spielt laut DIW vor allem der Kohleausstieg in der Braunkohleregion von Nordrhein-Westfalen. "NRW muss als größter Emittent schneller aussteigen als andere Bundesländer. Dort stehen sehr viele alte und ineffiziente Kohlekraftwerke", so Kemfert.

Der zügige Braunkohleausstieg in NRW sei wegen der Schäden bei der Verstromung aber auch "wirtschaftlich vorteilhaft". Er könne zudem so gestaltet werden, "dass im Tagebau Garzweiler II keine weiteren Ortschaften weichen müssen und der aus naturschutzrechtlichen Gründen erhaltenswerte Wald im Tagebau Hambach", heißt es im Fazit des DIW.

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion