Berlin sagt Libanon Millionen-Soforthilfe zu
9. August 2020Deutschland stellt dem Libanon nach der verheerenden Explosionskatastrophe in Beirut zehn Millionen Euro für Soforthilfemaßnahmen zur Verfügung. Das kündigte Bundesaußenminister Heiko Maas nur Stunden vor Beginn der internationalen Geberkonferenz für das Krisenland an. "Die Menschen in Beirut brauchen unsere Hilfe und sie brauchen Anlass zur Hoffnung", erklärte Maas in Berlin. Mit den Soforthilfemaßnahmen "unterstützen wird die medizinische Grundversorgung, die Ernährungssicherung über das Welternährungsprogramm und kurzfristige Jobs zur Instandsetzung wichtiger Infrastruktur über unser "Cash for work"-Programm"; ergänzte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) in einem Interview mit der "Welt am Sonntag".
Im Bezug auf die Geberkonferenz betonte Mass, sie sei "ein wichtiges Signal - in allererster Linie für diejenigen, die unmittelbar von dem Unglück betroffen sind". Zugleich mahnte er Reformen im Libanon an. Das Land habe bereits vor der Katastrophe "vor überwältigenden Herausforderungen" gestanden. "Ohne dringend benötigte Reformen kann es weder nachhaltigen Wandel noch Stabilität geben." Die libanesische Bevölkerung fordere zu Recht, dass "Einzelinteressen und alte Konfliktlinien" überwunden würden und das Wohl der gesamten Bevölkerung vorangestellt werde. Die Katastrophe könne Anlass für einen Neubeginn sein, erklärte Maas. "Nur wenn sich die Regierung ihrer Verantwortung stellt, transparent agiert und die Ursachen für die Explosion aufgeklärt werden, kann die Bevölkerung wieder Vertrauen fassen."
Geberkonferenz und Luftbrücke
Bei der von Frankreich und den Vereinten Nationen organisierten Videokonferenz sollen Spenden für die humanitäre Nothilfe in dem ehemaligen Bürgerkriegsland gesammelt werden. Daran teilnehmen wollen neben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unter anderem US-Präsident Donald Trump, EU-Ratspräsident Charles Michel und der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Janez Lenarcic. Insgesamt werden Vertreter von rund 30 Staaten und Organisationen erwartet.
Frankreich richtete bereits eine Luftbrücke ein, um Katastrophenhelfer und Hilfsgüter in den Libanon zu bringen. Es würden zudem zwei Schiffe, darunter ein Kriegsschiff, vom Mittelmeerhafen Toulon aus in Bewegung gesetzt, die unter anderem Nahrungsmittel transportieren, wie das französische Außenministerium in Paris mitteilte. Es sprach von einer "außergewöhnlichen Mobilisierung". Frankreich ist die frühere Mandatsmacht für den Libanon, beide Länder sind noch eng miteinander verbunden.
Ein Polizist tot, mehr als 200 Menschen verletzt
Am Dienstag hatten zwei gewaltige Ammoniumnitrat-Explosionen die libanesische Hauptstadt erschüttert. Nach Behördenangaben wurden dabei 158 Menschen getötet und mehr als 6000 verletzt. Bei Protesten in Beirut gegen den Umgang der Regierung mit der Katastrophe kam am Samstag ein Polizist ums Leben, rund 230 Menschen erlitten Verletzungen.
Im Zentrum der Stadt hatten sich zuvor etwa 10.000 Menschen versammelt. Sie warfen mit Steinen und versuchten eine Barrikade in Richtung des Parlaments zu stürmen. Die Polizei setzte Gummigeschosse und Tränengas ein. Einige Demonstranten drangen vorübergehend in das Außenministerium ein. Auch das Wirtschafts- und Energieministerium sowie der Sitz des libanesischen Bankenverbandes wurden gestürmt.
Informationsministerin tritt zurück
Ministerpräsident Hassan Diab sprach sich für Neuwahlen als Weg aus der Krise aus. Inzwischen reichte die libanesische Informationsministerin Manal Abdel Samad - als erstes Kabinettsmitglied - ihren Rücktritt ein. "Nach der gewaltigen Katastrophe in Beirut erkläre ich meinen Rücktritt aus der Regierung", sagte Samad in einer kurzen Stellungnahme. "Ich bitte die Libanesen um Entschuldigung. Wir sind ihren Erwartungen nicht gerecht geworden."
Die jüngsten Proteste sind die größten seit Oktober, als Tausende Menschen gegen Korruption und Misswirtschaft unter der herrschenden Elite auf die Straße gingen. Dem Libanon macht seit längerem eine Wirtschaftskrise und hohe Arbeitslosigkeit zu schaffen. Erschwert wird die Lage des Nahostlandes noch durch die Unterbringung von derzeit rund einer Million Flüchtlinge aus Syrien wie auch durch den Kampf gegen die Corona-Pandemie.
sti/ww (afp, dpa, rtr)