Berlin ruft Diplomaten aus Nordkorea zurück
30. November 2017Außenminister Sigmar Gabriel hat eine weitere Reduzierung des deutschen Botschaftspersonals in Nordkorea angekündigt. Nach einem Treffen mit seinem US-Amtskollegen Rex Tillerson in Washington sagte Gabriel, auch Nordkorea solle die Zahl seiner Botschaftsangehörigen in Berlin reduzieren. "Der Druck auf Nordkorea wird also erhöht." Eine Abberufung des deutschen Botschafters oder eine Einstellung der diplomatischen Beziehungen zu dem Regime in Pjöngjang kommt für Deutschland jedoch derzeit nicht in Frage. Es gebe auch "keine Anforderung der USA an Deutschland, die deutsche Botschaft in Pjöngjang zu schließen", sagte Gabriel. Der Außenminister schloss allerdings weitere Maßnahmen von deutscher Seite ausdrücklich nicht aus, bis hin zu einem Abbruch der Beziehungen. Aber ein totaler "Shutdown" sei "nicht unser Ziel", fügte er hinzu.
Verwirrung um Aussagen von Tillersons Sprecherin
Am Mittwoch hatten Äußerungen von Tillersons Sprecherin Heather Nauert für Aufregung gesorgt, in denen sie alle Partner der USA aufgefordert hatte, den diplomatischen Druck auf Nordkorea zu erhöhen. Auf Nachfrage der Deutschen Welle, ob dies auch für Deutschland gelte, das ja eine Botschaft in Pjöngjang unterhalte, oder ob die deutsche Botschaft in Nordkorea nicht auch einen wichtigen Kommunikationskanal für die USA darstelle, sagte Nauert: "Wir werden weiterhin Deutschland und andere Länder bitten, diese Botschafter abzuziehen, und die diplomatischen Vertretungen Nordkoreas in diesen Ländern zu verkleinern."
Später ließ das State Department verlauten, dies sei nicht als Aufforderung gemeint gewesen, den deutschen Botschafter aus Pjöngjang abzuziehen; es gehe vor allem darum, nordkoreanische Botschafter auszuweisen. Dabei ließ das US-Außenministerium allerdings offen, wie Deutschland den nordkoreanischen Botschafter ausweisen könnte, ohne dass Nordkorea dann ebenfalls den deutschen Botschafter des Landes verweisen würde.
Deutscher Botschafter bleibt in Pjöngjang
Zu diesem Zeitpunkt hatten die Nachrichtenagenturen aber schon die Aussage Nauerts, Länder wie Deutschland sollten Botschafter "abziehen", verbreitet. Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Jürgen Hardt (CDU), reagierte umgehend und wies die vermeintliche Aufforderung der Vereinigten Staaten nach einem Abzug des Botschafters zurück. Es könne für das Nordkorea-Problem letztlich nur eine diplomatische Lösung geben, sagte der CDU-Politiker. Dabei könnten sich die Europäer nicht alleine auf die chinesische oder die russische Botschaft in Pjöngjang verlassen. "Es ist gut, dass Europa und damit der Westen mit der deutschen Botschaft einen Anker in Pjöngjang hat", sagte Hardt.
Der deutsche Botschafter in Pjöngjang, Thomas Schäfer, zählt zu den erfahrensten westlichen Diplomaten in Nordkorea. Er war schon von 2007 bis 2010 Botschafter dort und kehrte 2013 in die nordkoreanische Hauptstadt zurück. In dem recht großen Botschaftsgebäude, die früheren DDR-Botschaft in Pjöngjang, haben auch sieben andere Länder ihre Botschaften oder ständigen Vertretungen untergebracht, unter anderem Großbritannien und Schweden.
China liefert weiter Rohöl an Nordkorea
Nach dem Test einer neuen Interkontinentalrakete durch Nordkorea hatten die USA die internationale Gemeinschaft aufgefordert, den Druck auf das kommunistische Land weiter zu erhöhen. Besonders nahmen die USA China und Russland in die Pflicht. In einer Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (UN) in New York forderte die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, insbesondere China auf, seine Öllieferungen an das benachbarte Nordkorea zu stoppen. China müsse mehr tun, sagte Haley. Chinas Präsident Xi Jinping habe die Chance, "das Richtige zum Vorteil aller Länder zu tun". Andernfalls könnten die USA die "Öl-Situation selbst in die Hand nehmen", drohte die UN-Botschafterin der USA.
Konkrete Schritte als Reaktion auf den Test, mit dem Nordkorea erneut gegen UN-Resolutionen verstoßen hat, beschloss der Sicherheitsrat nicht. China reagierte zurückhaltend auf die Forderung der USA. Peking sei stets dafür eingetreten, die vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen umzusetzen, sagte Außenamtsprecher Geng Shuang in Peking. Ein militärisches Eingreifen sei keine Option, eine Lösung des Konflikts müsse mit "Verhandlung und Dialog" erreicht werden.
Nordkorea ist aufgrund von Sanktionen diplomatisch und wirtschaftlich bereits weitgehend isoliert. 90 Prozent des nordkoreanischen Außenhandels liegen auf Eis. Als Lebenselixier des Landes gilt das Rohöl. Davon bezieht Nordkorea weiterhin jährlich rund vier Millionen Barrel aus dem Ausland - zum Großteil aus China. Im Einklang mit bisherigen UN-Sanktionen hatte China seine Öllieferungen an Nordkorea im Oktober beschränkt, aber nicht komplett eingestellt.
Russland lehnt weitere Isolierung Pjöngjangs ab
Deutlichere Worte kamen aus Russland. Das Vorgehen der USA sei geeignet, Nordkorea zu extremen Schritten zu provozieren, zitierten russische Nachrichtenagenturen Außenminister Sergej Lawrow. Sollten die USA einen Vorwand suchen, Nordkorea zu zerstören, sollten sie dies klar sagen. Lawrow sprach sich explizit dagegen aus, alle diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu dem Regime von Kim Jong Un abzubrechen.
Moskau habe schon mehrmals deutlich gemacht, dass der Druck durch Sanktionen keine Wirkung zeige, betonte Lawrow und äußerte die Vermutung, dass erst die Haltung der USA Pjöngjang zu dem jüngsten Raketenstart provoziert haben könnte. "Es scheint, als ob alles mit der Absicht gemacht wurde, damit Kim Jong Un ausrastet und eine weitere verzweifelte Tat unternimmt", sagte Lawrow laut der russischen Nachrichtenagentur TASS.
USA drohen Nordkorea mit "absoluter Zerstörung"
UN-Botschafterin Haley wies dagegen die alleinige Schuld dem Regime in Pjöngjang zu. Die USA suchten keinen Krieg, sollte er jedoch ausbrechen, seien die "wiederholten Aggressionen" Nordkoreas der Grund dafür. Sollte es so weit kommen, würde die Führung in Pjöngjang "absolut zerstört", drohte sie.
Gleichzeitig forderte Haley die Länder der Welt auf, sämtliche Verbindungen in den Bereichen Militär, Wissenschaft, Technik und Handel mit Nordkorea zu kappen. Dabei verwies sie auf das Jahr 2003, in dem China seine Öllieferungen an Nordkorea einmal für drei Tage gestoppt hatte, um das Land für einen Raketentest abzustrafen. Einige Monate später nahm Pjöngjang mit den USA an Sechs-Parteien-Gesprächen teil. Diese Episode, so Haley, sei ein Beleg dafür, dass der "internationale Paria" mit Öl als Druckmittel auch diesmal an den Verhandlungstisch gebracht werden kann.
Frankreich warnt vor nordkoreanischen Raketen
Rückendeckung erhielten die Vereinigten Staaten von Frankreich. Verteidigungsministerin Florence Parly nannte den neuerlichen Abschuss einer Interkontinentalrakete durch Pjöngjang eine "Demonstration des Machtzuwachses" von Machthaber Un. Als Reaktion müsse die internationale Gemeinschaft "den Weg der Sanktionen weiterverfolgen". Diese müssten von allen Beteiligten umgesetzt werden, auch von China und Russland.
Nach Einschätzung von Parly könnten nordkoreanische Rakteten nun auch Europa erreichen. Doch nur "wenige westliche Städte" seien gegen einen möglichen Beschuss mit Atomsprengköpfen geschützt, warnte die französische Verteidigungsministerin. Gleichzeitig betonte sie, dass die Krise nur auf diplomatischem Wege gelöst werden könne.
Nordkorea veröffentlicht Bilder von neuer Rakete
Unterdessen veröffentlichte die offizielle nordkoreanische Zeitung "Rodong Sinmun" Bilder, die eine neuartige Interkontinentalrakete des Typs Hwasong-15 und ihren Starts am frühen Morgen des Vortags zeigen sollen. Bei Nordkoreas 19. Raketentest in diesem Jahr war nach Angaben des Landes die neuartige Interkontinentalrakete 4475 Kilometer in die Höhe und 950 Kilometer weit in Richtung Osten geflogen und ins Japanische Meer gestürzt.
Nordkorea hatte nach dem Start erklärt, man könne nun das gesamte Festland der USA mit Atomsprengköpfen angreifen. Experten zweifelten bisher, dass Nordkorea in der Lage ist, einen so kleinen Atomsprengkopf zu fertigen, dass er auf eine Rakete passt. Das südkoreanische Militär hält es jedoch für denkbar, dass tatsächlich ein neuer Raketentyp getestet worden sein könnte. Das sagte ein Sprecher des Generalstabs laut der nationalen Nachrichtenagentur Yonhap.