Deutschland streitet über Ukraine-Hilfe
14. Januar 2025Für die Grünen ist die Sache klar: Ein weiteres Hilfspaket für die Ukraine könnte noch vor der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar verabschiedet werden - trotz des fehlenden Haushalts für das laufende Jahr. Es geht um Waffen im Wert von drei Milliarden Euro, die vor allem der Luftverteidigung der Ukraine dienen sollen.
Ihre Lieferung ist in der gemeinsamen Regierung mit der SPD grundsätzlich nicht umstritten, wohl aber die Finanzierung und der Zeitpunkt. Der Bundeshaushalt 2025 konnte wegen des Bruchs der Ampel-Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und FDP bisher nicht verabschiedet werden. "Der Haushalt 2025 ist nicht da, insofern ist die Frage berechtigt, wo das Geld herkommen soll", sagte Robert Habeck, Wirtschaftsminister und Kanzlerkandidat der Grünen, in Berlin.
Grüne: Dauerhafte Finanzierung wichtig
Habeck sieht aber trotzdem Möglichkeiten, das Geld bereitzustellen: Der Haushaltsausschuss des Bundestags könne beschließen, weitere Schulden aufzunehmen. Dann könnte das Hilfspaket für die Ukraine noch vor der Wahl verabschiedet werden. "Es ist oft genug bewiesen worden, dass Schwäche von Putin ausgenutzt wird. Deswegen ist eine dauerhafte Finanzierung notwendig", betonte Habeck.
Die Grünen werfen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor, das Hilfspaket zu blockieren. Der will sich nicht vorhalten lassen, die Ukraine nicht ausreichend zu unterstützen: "Wie alle wissen, ist Deutschland der größte Unterstützer der Ukraine und wird es auch bleiben, damit das Land seine Unabhängigkeit, seine Souveränität verteidigen kann", sagte Olaf Scholz beim NATO-Treffen der nordischen Länder in Helsinki.
Scholz: Deutschland soll nicht in den Krieg hineingezogen werden
Doch wenige Wochen vor der Bundestagswahl ist Scholz nicht nur deutscher Kanzler, sondern auch SPD-Spitzenkandidat, der um jede Stimme für die Sozialdemokraten kämpfen muss. Unter den SPD-Anhängern, aber auch in der Partei selbst ist die Kriegsmüdigkeit ausgeprägt. Angesichts der angespannten Haushaltslage und der wirtschaftlichen Probleme ist die Bereitschaft, immer weiter Milliarden Euro in Waffenlieferungen zu stecken, nicht mehr sonderlich groß.
Olaf Scholz versucht daher, als Friedenskanzler zu punkten. Wichtig seien "echte Verhandlungen, die dem Sterben und der Zerstörung in der Ukraine endlich ein Ende setzen", betonte er auf dem SPD-Parteitag in Berlin am vergangenen Samstag.
Die Bürger könnten sich darauf verlassen, dass er "besonnen" bleibe, so Scholz, dass er bei aller Unterstützung der Ukraine dafür sorge, "dass wir nicht hineingezogen werden in diesen Krieg". Und Scholz stellt auch immer wieder klar, dass die Ukraine-Unterstützung nicht zulasten der deutschen Bevölkerung gehen dürfe.
Sozialleistungen versus Waffenlieferungen
Für weitere Waffenlieferungen fehlten derzeit die finanziellen Mittel. "Ich bin dagegen, dass wir das von den Renten holen, ich bin dagegen, dass wir das durch Kürzungen bei den Gemeinden machen, ich bin dagegen, dass wir weniger Geld in die Bahn und Straßen investieren", sagte Scholz am Montag am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Bielefeld.
Einen Etat für das laufende Jahr aufzustellen, wird eine der ersten Aufgaben der neuen Regierung sein. Wer jetzt neue Waffenhilfen fordere, müsse "auch sagen, wo das Geld herkommt", so der Kanzler.
Grünen-Politiker wie der Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter halten es für eine Ausrede, dass die Bundesregierung nicht drei Milliarden Euro bereitstellen könne, ohne bei den Sozialausgaben zu kürzen.
Pistorius zu Besuch in der Ukraine
Weitere schnelle Ukraine-Hilfen wären nicht nur im Sinne der Grünen, sondern auch von Verteidigungsminister Boris Pistorius. Der SPD-Politiker ist am Dienstag zu einem nicht angekündigten Besuch nach Kyjiw gereist. Deutschland stehe weiter an der Seite der Ukraine, betonte Pistorius.
Eine Woche vor dem Amtsantritt des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump wolle er mit seinem Besuch noch einmal ein Signal der Unterstützung setzen. Die Regierung in Kyjiw befürchtet, dass Trump die US-Hilfe drastisch zurückfahren könnte. Das würde für die Europäer bedeuten, dass sie ihre Unterstützung zügig weiter aufstocken müssten.
Christdemokraten und die liberale FDP, beide in der Opposition, könnten sich durchaus vorstellen, einem neuen militärischen Hilfspaket zuzustimmen. Sie sind aber keinesfalls dazu bereit, zusätzliche Schulden aufzunehmen, sondern schlagen Kürzungen beispielsweise beim sogenannten Bürgergeld vor.
Für die SPD kommt das nicht in Frage. Dass es noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar zur Verabschiedung des Hilfspakets für die Ukraine kommen wird, ist unter diesen Umständen eher unwahrscheinlich.