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Deutschland sucht den Kanzler

19. September 2005

Angela Merkel will sich als Fraktionsvorsitzende bestätigen lassen, um ihre Position zu stärken. Die SPD schließt eine Regierungsbeteiligung ohne einen Kanzler Schröder aus.

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Das Schattenboxen geht weiterBild: AP
Jamaika Koalition
Kommt die "Schwampel"?Bild: Montage/Bilderbox/DW

Nach dem Wahlschock für die Union sucht Kanzlerkandidatin Angela Merkel mit einem unerwarteten Schritt volle Rückendeckung für Koalitionsverhandlungen: Merkel wird sich am Dienstag (20.9.2005) in Berlin zur Wiederwahl als Fraktionschefin der CDU/CSU stellen, erklärte sie am Montag auf einer Pressekonferenz. Merkel erhofft sich von einer klaren Bestätigung als Fraktionschefin eine stärkere Legitimation für die Gespräche mit den anderen Parteien über eine Koalitionsbildung in den kommenden Tagen, erklärten Spitzenpolitiker. Nach wie vor verfolge die Parteivorsitzende das Ziel, nach Abschluss der Gespräche Kanzlerin zu werden.

Unterdessen forderten führende CDU-Politiker geschlossene Unterstützung für Spitzenkandidatin Angela Merkel bei der Regierungsbildung. Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff und sein hessischer Kollege Roland Koch, die zu den parteiinternen Widersachern von Merkel zählen, lehnten eine Debatte über Merkels Führungsposition ab. "Die Union muss auch aufgrund bürgerlicher Tugenden zusammenstehen", sagte Wulff am Montag. "Wir lassen uns keine Führungsdebatte aufzwingen."

Differenzen in der Union

CDU bestürzt über Wahlsieg
Gute Miene: Angela Merkel am WahlabendBild: AP

Der hessische Ministerpräsident Koch bekräftigte: "Wir werden, so wie wir es den Wählerinnen und Wählern vor der Wahl angekündigt haben, mit Angela Merkel als unserer Kandidatin in die nächsten Wochen gehen." Auch andere Ministerpräsidenten der CDU erklärten Führungsdiskussionen für überflüssig. Dagegen warfen die beiden Sozialpolitiker Karl-Josef Laumann und Horst Seehofer der Kanzlerkandidatin eine falsche Wahlkampfstrategie vor, die Interessen der Arbeitnehmer übergangen habe.

Derweil scheint es in der CDU-Spitze unterschiedliche Koalitions-Präferenzen zu geben. CSU-Chef Edmund Stoiber zeigte sich wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger und andere Spitzenvertreter der Union offen für eine Regierungskoalition mit FDP und Grünen. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff lehnt eine solche Jamaika-Koalition zwar nicht strikt ab, äußerte sich aber skeptisch. Auch der nordrhein-westfälische Regierungschef Jürgen Rüttgers warnte davor, sich allein auf eine Koalition mit den Grünen und den Freidemokraten zu konzentrieren. Roland Koch sprach sich im Deutschlandradio Kultur indes gegen eine große Koalition aus.

SPD will mit allen verhandeln

Sein größer Scherz
German chancellor Gerhard Schroeder reacts after the German parliamentary election in the headquarters of the Social Democratic Party, SPD, in Germany's capital Berlin on Sunday, Sept. 18, 2005. German chancellor Gerhard Schroeder reacts after the German parliamentary election in the headquarters of the Social Democratic Party, SPD, in Germany's capital Berlin on Sunday, Sept. 18, 2005. Exit polls showed conservative challenger Angela Merkel in the lead in Germany's close-fought election Sunday but falling short of a majority for a center-right coalition. (AP Photo/Markus Schreiber)Bild: AP

Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) allerdings schließt aus, unter einer Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Minister zu bleiben. Er könne es sich nicht vorstellen, dann weiter im Kabinett zu sein, sagte Fischer am Montag. "Ich kann den Menschen nicht erzählen, dass ich darum kämpfe, dass wir unsere Politik verteidigen, dass wir eine Politik der sozialen Kälte und des ökologischen Rückschritts nicht wollen und hinterher dann etwas völlig anderes machen." Verschiedene Mitglieder des Parteirats machten deutlich, dass sie weder mit einer schwarzen Ampel von Union, FDP und Grünen noch mit einer Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen rechnen.

Die SPD schließe eine Regierungsbeteiligung ohne einen Bundeskanzler Gerhard Schröder aus, erklärte der Vorsitzende Franz Müntefering am Montag. Er habe an die Parteivorsitzenden von CDU, CSU, FDP und Grünen geschrieben und Gespräche über eine Regierungsbildung angeboten, sagte Müntefering weiter. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte sich zuvor erneut zuversichtlich gezeigt, dass eine neue Regierung unter seiner Führung zu Stande kommt. "Unsere Aufgabe ist es, diesen erklärten Willen unserer gesamten Partei umzusetzen", sagte er am Montag. "Und das werden wir tun", fügte er unter lautem Jubel von Anhängern in der SPD-Zentrale hinzu.

Hoffen auf die Ampel

Mehrere Sozialdemokraten äußerten die Hoffnung, dass es doch noch zu einer Ampelkoalition mit Grünen und FDP kommen könnte. Präsidiumsmitglied Andrea Nahles bezeichnete eine solche Konstellation als beste Lösung. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit erklärte, er halte sowohl eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP als auch eine große Koalition mit der Union für möglich. Der stellvertretende Parteivorsitzende Kurt Beck sagte, in der Parteiführung gebe es keine Präferenzen für eine bestimmte Koalition. "Es wird zügig aufeinander zugegangen", sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident. Er selbst habe "gute Erfahrungen" mit der sozialliberalen Koalition in seinem Bundesland gemacht.

Am Ende des Marathons
Joschka Fischer will unter Merkel nicht Minister werdenBild: AP

Die FDP jedoch will mit der SPD keine Gespräche über eine Ampel-Koalition führen. Dies beschlossen Parteipräsidium und der Vorstand der Bundestagsfraktion am Montag in Berlin. Wenn die CDU-Vorsitzende Angela Merkel ein Angebot mache, sei die FDP zu Gesprächen bereit, sagte FDP-Vize Andreas Pinkwart.

Dresden bleibt ohne Einfluss

Die Linkspartei sehe für ihre Politik gegen Sozialabbau und Militäreinsätze keine Partner im Bundestag und wolle deshalb keinerlei Zusammenarbeit mit einer anderen Partei, erklärten die designierten Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi und Oskar Lafontaine am Montag.

Durch die Nachwahl in Dresden wird sich nach Einschätzung beim Bundeswahlleiter und von Wahlforschern nichts Entscheidendes für das Gesamtwahlergebnis verändern. Die Unions-Fraktion werde mit sehr großer Wahrscheinlichkeit stärkste Fraktion bleiben. Bis zur Wahl eines neuen Bundeskanzlers können noch mehrere Wochen vergehen. Eine Frist sieht das Grundgesetz nicht vor. Die Amtszeit von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) endet offiziell mit der Konstituierung des neuen Parlaments, das binnen 30 Tagen nach der Wahl zusammentreten muss. So lange Koalitionsverhandlungen andauern und eine neue Regierung nicht vom Parlament gewählt ist, bleibt Schröder geschäftsführend im Amt. (stu)