Deutschlands Katholiken blicken auf den Papst
12. September 2014Vor fünf Jahren traf der Skandal so vieler Fälle sexueller Gewalt durch Priester und Ordensleute die katholische Kirche mit Wucht. Bald darauf starteten die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) eine Dialoginitiative unter dem Titel "Im Heute glauben". Das Verhältnis zwischen Bischöfen und Basisvertretern bessert sich seitdem - denn beide suchen nach neuer Zuversicht. Aber der Weg ist lang. Und das Gespräch an diesem Wochenende in Magdeburg nur eine Etappe. Es ist das vierte Gesprächsforum dieser Art der katholischen Kirche in Deutschland.
Der Dialogprozess entstand aus Ratlosigkeit nach der größten Erschütterung der katholischen Kirche in der Bundesrepublik. Im Herbst 2010 sprach der damalige Vorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, im Kreis der Bischöfe zu den Lehren aus dem Missbrauchsskandal. Um Vertrauen zurückzugewinnen, könnten sie nur auf Offenheit, Ehrlichkeit und Zuhören setzen. Kirche müsse "hören und dienen". Aber Zollitschs Anstoß für eine Dialogoffensive kam nicht bei allen Bischöfen gut an. Einige der Konservativeren haben Angst vor der Aufbruchstimmung einer deutschen Synode, wie es sie in den 1970er Jahren gab, vor den Reform-Rufen von Laien - und nahmen noch nie an einem Treffen teil. Und doch kann der heutige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, an diesem Freitag Signale der Bischöfe verkünden.
Marx: "Anderer Umgang mit Homosexuellen"
Der Münchner Kardinal, einer der engen Berater des Bergoglio-Papstes, kündigt für die im Oktober im Vatikan anstehende Familiensynode einen "klaren Text", ein Plädoyer zu einem anderen seelsorgerlichen Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen an. Er selbst werde zu diesem Thema bei der Synode auch das Wort ergreifen. Der Kardinal spricht auch von Änderungen im kirchlichen Arbeitsrecht. So sollten wiederverheiratete Geschiedene oder auch Homosexuelle im Kirchendienst - Erzieher beispielsweise oder Krankenhauspersonal - nicht länger automatisch ihren Job verlieren. Und: "Wo die priesterliche Weihe nicht notwendig ist, sind alle anderen Aufgaben geschlechtergerecht zu verteilen." Das sei doch "ganz klar". Und ist doch weit jenseits der heutigen Realität im katholischen Milieu.
Die Basis - Diözesanräte, Verbandsvertreter und weitere Laien, Ordensleute, Theologen, einige Gemeindepriester - äußern indes Zweifel und beklagen das Tempo. "Was hat sich denn wirklich verändert für wiederverheiratete Geschiedene?", heißt es im Plenum, und: "Die Themen heute sind doch die gleichen wie 2011." Die Vertrauenskrise bleibe bestehen. Und den meisten Beifall gibt es, als sich jemand zum Skandal um den überteuren Limburger Bischofsbau zu Wort meldet. Marx spreche da immer vom "Limburger Skandal", der so schmerzlich für die Kirche sei und schon wieder Vertrauen gekostet habe. Das sei kein Limburger Skandal, heißt es fast polternd. Das sei der Skandal von Franz-Peter Tebartz van Elst. Einem Bischof. Alle im Saal ahnen, dass in diesem Jahr die Zahl der Kirchenaustritte rekordverdächtig sein wird.
Mission und Frust
Das Thema von Magdeburg lautet nach einem Franziskus-Wort "Ich bin eine Mission". Es geht um die geistliche Ausstrahlung der Kirche im Alltag. Maria Wübbeler, Pfarreiratsvorsitzende aus dem Oldenburger Land, kennt den Frust. "Ideen hätte ich schon noch wahnsinnig viele", berichtet sie, "aber ich finde die Ehrenamtlichen nicht mehr." Nachdem die Glaubwürdigkeit der Kirche runtergegangen sei, breche auch auch das Engagement weg. Deshalb müsse die Bischofskonferenz eben auch die prekären Themen angehen.
Von einem "Problem der Offenheit" spricht Herbert Schmucker. Er ist Priester und trägt sogar den vom Papst verliehenen Titel "Monsignore". Und er ist Vorsitzender des Priesterrats im Bistum Rottenburg-Stuttgart. Die Kirche müsse wieder den Menschen zugewandt sein, mahnt er. So habe er selbst noch nie jemandem die Kommunion verweigert, "das kann ich doch nicht machen". Und der ältere Geistliche erinnert an die Synode der katholischen Kirche in der damaligen Bundesrepublik 1972-75. "Damals wurden doch schon die gleichen Voten wie heute formuliert. Die sind dann alle in Rom versandet."
"Wie können wir nach außen gehen, wie sprechfähig sind wir überhaupt noch?", fragt Andrea Köhler, eine der jüngsten Teilnehmerinnen und frühere Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Erzbistum Berlin. Auch bei jungen Leuten gebe es Debatten um Reformen. Aber mindestens so groß sei die Suche nach guten Gottesdienstangeboten, nach ansprechbaren Seelsorgern, nach neuen Formen von Spiritualität. "Junge Leute in Dörfern in der Diaspora - für sie sind Strukturreformen nicht wichtig."
Es wird alles anders - und es bleibt, wie es ist
Drei Meinungen, eine Tendenz. Dabei gehören alle drei zum etablierteren, vielleicht braveren Laienkatholizismus. Die Vertreter von "Wir sind Kirche" sind bei diesem Dialogprozess nicht eingebunden. Ihr Sprecher Christian Weisner wartet vor der Tür und hatte vor Beginn baldige Änderungen am System Kirche verlangt, um wieder Menschen zu erreichen. Bleibe ein solcher Dialog ein "Sandkastenspiel", dann komme es zu einer "Kultur der Folgenlosigkeit". Aber auch die Reformer von "Wir sind Kirche" stehen nicht für neue missionarische Erfolge: Sieben Namen und Adressen stehen da beim Bundesteam - einen Ort in den neuen Bundesländern sucht man da vergeblich.
Seit bald vier Jahren suchen die deutschen Katholiken Belebung, vorsichtige Reformen und neue spirituelle Ausstrahlung. 2015 soll diese Suche im Dialogprozess zu einem Abschluss kommen. Aber immer wieder kommt der Verweis auf Franziskus und seine beiden anstehenden Synoden zum Thema Familie in diesem Oktober und im Herbst 2015. Der Papst ist Hoffnungsträger für viele. Und viele erhoffen sich von ihm Antwort auf ihr Suchen. Die Krise bleibt.