Halbzeitbilanz
1. Januar 2012Seit einem Jahr füllt Deutschland eine Rolle im Weltsicherheitsrat aus, die für das Land eigentlich maßgeschneidert ist. Deutschlands Topdiplomaten nutzen die für zwei Jahre reservierte große Bühne der Weltpolitik, um am Hudson River, am Sitz des UN-Sicherheitsrates in New York, für Frieden, Menschenrechte und eine gerechte Entwicklung auf diesem Globus einzutreten. An manchen Stellen durchaus mit Erfolg.
Duftmarken gesetzt
Der deutschen UN-Mission gelang es immer wieder kleinere, aber durchaus nachhaltige Duftmarken zu setzen. So hat der Sicherheitsrat in diesem Jahr auf deutsche Initiative eine Resolution verabschiedet, mit der Kinder in bewaffneten Konflikten künftig besser geschützt werden können. Auch Angriffe auf zivile Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser sind nun völkerrechtlich geächtet. Dies ist eine längst überfällige Weiterentwicklung des Völkerrechts, die zwar weltpolitisch kaum Furore gemacht, bei Experten aber Anerkennung gefunden hat und Respekt verdient. Gelungen ist es den Deutschen auch, den Klimaschutz auf die Agenda des Sicherheitsrates zu setzen.
Klimawandel als Bedrohung des Weltfriedens
In einer "präsidentiellen Erklärung" wurde der Klimawandel als potenzielle Bedrohung des Weltfriedens eingestuft. Und damit klar gemacht: Frieden ist mehr als nur die Abwesenheit kriegerischer Konflikte. Hier hat in den Vereinten Nationen - auch mit deutscher Hilfe - ein begrüßenswerter Prozess des Umdenkens eingesetzt.
Wie überhaupt das Engagement Deutschlands im Sicherheitsrat wegen seiner Effizienz, Sachlichkeit und Zuverlässigkeit viel Lob von unseren internationalen Partnern erntet. Dazu kam eine bemerkenswerte Beharrlichkeit, die Deutschlands UN-Diplomaten immer dann an den Tag gelegt haben, wenn es um den Schutz der Menschenrechte ging. Hier ganz besonders beim Thema Syrien.
Ständiges Bemühen um Syrien
Resolutionsentwurf um Resolutionsentwurf wurde zusammen mit den europäischen Partnern im Sicherheitsrat ausgearbeitet, um der Gewalt des syrischen Machtapparats von Baschar al-Assad Einhalt zu gebieten. Immer wieder scheiterten diese Versuche jedoch an der Blockade-Haltung der Russen und Chinesen. Wer geglaubt hatte, Deutschland könnte hier eine Vermittlerrolle gegenüber Russland einnehmen, sah sich leider getäuscht. Hier stieß Deutschland mit seinen diplomatischen Möglichkeiten an Grenzen. Die Menschenrechte zählen im System Putin bislang weniger als strategische Interessen und die Bündnistreue zum letzten verbliebenen Partner Moskaus im Nahen Osten. Dennoch war es nicht zuletzt Deutschlands beharrlichem Einsatz zu verdanken, dass zumindest in der UN-Generalversammlung eine Resolution gegen den Gewalteinsatz des syrischen Regimes verabschiedet wurde. Übrigens mit großer Mehrheit, was zeigt, dass die Menschenrechte heute in der UNO einen höheren Stellenwert genießen als noch vor einigen Jahren.
Desaster Libyen-Resolution
Umso enttäuschender, und für die westlichen Partner im UN-Sicherheitsrat kaum nachvollziehbar, war deshalb auch die deutsche Enthaltung in der Libyen-Resolution 1973, in der vom Sicherheitsrat die Einrichtung der Flugverbotszone zum Schutz der Rebellen beschlossen wurde, mit der de facto aber der Luftkrieg gegen Gaddafi sanktioniert wurde. Hier waren die grundsätzlichen Bedenken der Bundesregierung gegen eine Militärintervention von außen offenbar stärker als das Engagement zum Schutz der Zivilbevölkerung. Im Nachhinein betrachtet war dies nicht nur eine schlecht vorbereitete und noch schlechter kommunizierte Entscheidung, sondern ein diplomatisches Desaster, das Deutschlands Streben nach einem ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat kaum Auftrieb gegeben haben dürfte.
Überhaupt hört man wenig in dieser Angelegenheit, wenn man bedenkt, dass eine Reform des Sicherheitsrates noch vor Jahresfrist zu den vollmundig postulierten Zielen deutscher Außenpolitik gehörte. Doch nichts läge den Vetomächten im Sicherheitsrat ferner, als jetzt ihre eigene Macht einzuschränken. Selbst an einen gemeinsamen Sitz der Europäer im Weltsicherheitsrat wagt derzeit niemand zu denken. Vielleicht auch deswegen, weil sich mit der Euro-Krise die finanz- und wirtschaftspolitischen Gewichte in der Welt weiter verschoben haben. Und Europa auch als politische Idee in die Krise geraten ist.
So bleibt als Halbzeitfazit eine gemischte Bilanz: Deutschland hat im Konzert der Mächte mitgespielt, so gut es eben konnte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Volker Wagener