Deutschlandtrend: Härtere Politik erwünscht
7. April 2022Seit Monaten wird in Deutschland kontrovers über eine allgemeine Impfpflicht diskutiert. Nun steht fest - sie kommt in diesem Frühjahr nicht. Der Entwurf für ein Gesetz, das - als Kompromiss - eine Impfpflicht ab 60 Jahren vorsah, fand im Bundestag keine Mehrheit: 296 stimmten für den Antrag, 378 dagegen.
Das Ergebnis spiegelt die Stimmungslage in der Bevölkerung nur teilweise. Laut ARD-Deutschlandtrend, einer repräsentativen Umfrage durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut Infratest-dimap im Auftrag der ARD-"Tagesthemen", sind 37 Prozent der Deutschen gegen eine Impfpflicht. Darunter mehrheitlich die Anhänger der AfD, aber auch fast die Hälfte der FDP-Wähler.
Nicht ganz die Hälfte favorisiert dagegen eine Impfpflicht für alle Erwachsenen. Eine altersbezogene Impfpflicht unterstützt jeder Achte.
Deutsche bleiben vorsichtig bei Corona
Auch in anderen Punkten ist die Stimmungslage zur Corona-Politik der Regierung laut "Deutschland-Trend" nicht so eindeutig. Die weitgehende Aufhebung der Corona-Beschränkungen zu Beginn des Monats April halten sechs von zehn für falsch. Unverständnis äußern vor allem die Älteren.
Jeder Zweite will an öffentlichen Orten wie zum Beispiel beim Einkaufen weiterhin eine Maske tragen, auch wenn das nun nicht mehr vorgeschrieben ist.
Viele Deutschen bleiben vorsichtig. Täglich werden aktuell noch immer bis zu 200.000 Neuinfizierte gemeldet. "Freedom-Day"-Partys gab es in Deutschlands Straßen dieser Tage nicht zu erleben.
Mehrheit wünscht sich schärfere Ukraine-Politik
Das Entsetzen in Deutschland über die Kampfhandlungen in der Ukraine hält an, die Situation der Menschen dort bewegt weiterhin neun von zehn Bundesbürgern. Vor einem größeren Krieg in Europa sorgen sich knapp zwei Drittel der von "Infratest Dimap" Befragten.
Doch: Der Kurs der Bundesregierung im Ukraine-Krieg wird kritischer bewertet als bei der letzten Umfrage vor einem Monat. Für ein gutes Drittel der Befragten ist die Reaktion auf den russischen Krieg angemessen. Das sind 16 Prozentpunkte weniger als im Vormonat. Für 45 Prozent geht sie mittlerweile nicht weit genug - ein Plus von 18 Prozentpunkten. 11 Prozent sagen, die Maßnahmen gingen zu weit - auch das 3 Prozentpunkte weniger.
Mehr Unterstützung für Energie-Boykott
Eine der Forderungen nach schärferen Antworten Deutschlands auf die russische Invasion zielt auf einen Import-Stopp für russisches Gas und Öl. Hier hat sich die Haltung der Bundesbürger etwas verändert. Einen Boykott würde aktuell die Hälfte unterstützen - ein Plus von sechs Prozentpunkten. Selbst wenn - den Zusatz haben die Demoskopen in ihre Frage mit einfließen lassen - dies dann negative Effekte für die Versorgung mit Energie und deren Preise hätte.
Um sich von russischen Energie-Importen unabhängiger zu machen, ist die Diversifizierung deutscher Energiequellen wesentlich. Doch ein breiter Konsens besteht allein bezüglich des Ausbaus erneuerbarer Energien.
Die Erschließung anderer Quellen wird deutlich zurückhaltender bewertet. Dies gilt nicht nur für die Einfuhr von Fracking-Gas aus den USA. Auch ein verstärkter Öl- und Gas-Import aus Ländern wie Katar und Saudi-Arabien oder eine Verlängerung der Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke findet nicht annähernd so viel Anklang.
Jenseits der Diversifizierung der Energieversorgung wird in Deutschland über größere Anstrengungen beim Energiesparen diskutiert, darunter Tempolimits. Deren befristete Einführung auf Autobahnen unterstützen sechs von zehn Bundesbürgern.
Grüne können profitieren
Im aktuellen Krisen- und Nachrichtenkontext fällt das Urteil zur Arbeit der Regierung geteilt aus, Zuspruch und Kritik halten sich etwa die Waage. Damit ist die Zufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung binnen eines Monats erkennbar - um rund 10 Prozentpunkte - gesunken. Allerdings konnte sich in diesem Zeitraum ein Teil des Kabinetts erfolgreich profilieren.
So gewannen Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock Sympathien. Die beiden Grünen-Politiker führen die Liste der populärsten Bundespolitiker im April mit persönlichen Bestwerten an. Bundeskanzler Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach büßen dagegen an Zustimmung ein. Noch deutlicher verliert FDP-Finanzminister Christian Lindner.
Das spiegelt sich in der aktuellen Sonntagsfrage. Die Grünen legen zum Vormonat um 3 Punkte zu und hätten bei einer Bundestagswahl derzeit 19 Prozent in Aussicht, der beste Wert seit August 2021.
Die Union käme auf 25 Prozent, die SPD auf 24 Prozent. Beide Parteien geben jeweils 1 Punkt ab. AfD und FDP kämen wie im Vormonat auf 11 bzw. 9 Prozent. Die Linke ist mit 4 Prozent schwächer als im März und fällt unter die Fünf-Prozent-Hürde. Sie wäre demnach im Bundestag nicht mehr vertreten. Das ist im "Deutschlandtrend" der schlechteste Wert seit Juni 2005.