DFB-Aktion: Mehr als nur ein PR-Trick?
26. März 2021Wenn Fußballmannschaften etwas zu feiern haben, einen Meistertitel etwa oder den x-ten Pokalgewinn, streifen sich die Spieler nach dem Finale gerne ein T-Shirt über - mit der passenden Aufschrift. "Seht her, wir haben es geschafft", sollen diese bei Fans begehrten Hemden sagen. Manche von ihnen landeten schon vorab in der Tonne, weil sie vorschnell vorbereitet waren und das Finale verloren ging.
Elf Buchstaben - von "H" bis "S"
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat im Moment zwar Siege, aber keinen großen Titel zu feiern. Im WM-Qualifikationsspiel gegen Island griffen die Nationalspieler dennoch schon vor dem Anpfiff zum T-Shirt, schwarz bemalt mit weißen Großbuchstaben von "H" (das Leroy Sané trugt) bis "S" (auf der Brust von Manuel Neuer) - am Ende war "Human Rights" zu lesen. Ein Gruß an die WM-Gastgeber in Katar, die in Sachen Menschenrechte ja so ganz andere Maßstäbe anlegen als die Europäer beispielsweise.
Schnell war das Netz voller Häme. Ein Twitterer tauschte mit Hilfe von Photoshop gar die Buchstaben aus, so dass am Ende ein ganz anderes Wort zu lesen war. Schließlich werden die Spieler erwartungsgemäß alle nach Katar reisen, wenn sie denn berücksichtigt werden. Und die Profis von Bayern München tun das ja ohnehin von Zeit zu Zeit zur Saisonvorbereitung.
Ist das Ganze also nur eine geschickte PR-Aktion? Und nicht einmal besonders originell, da Norwegens Nationalteam die Idee noch früher hatte? Das Feedback derer, die sich regelmäßig mit Menschenrechtsfragen und auch der Situation im Golf-Emirat Katar beschäftigen, fällt positiver aus. Dr. Julia Duchrow, Stellvertreterin des Generalsekretärs von Amnesty International in Deutschland, spricht von einem öffentlichkeitswirksamen Zeichen. "Die Zeiten, in denen Sport unpolitisch zu sein hatte, sind vorbei. An den gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Katar ändert sich jedoch erst etwas, wenn aus der symbolischen Geste praktische Konsequenzen folgen." Der Fußball könne viel bewegen, und die Stars seien die Idole unserer Zeit, fügt Julia Duchrow hinzu.
Auch bei Human Rights Watch (HRW) sieht man das Ganze nicht nur als Marketing-Maßnahme zur Imagebildung. "Na ja, mag sein", sagt HRW-Sprecher Wolfgang Büttner, verweist aber darauf, dass ja auch drei Spieler des FC Bayern München dabei gewesen seien. "Und die tragen den Gedanken ja auch in ihren Verein", so Büttner im Gespräch mit der DW. Aber das "starke Signal" des DFB werde in der Öffentlichkeit wahrgenommen - selbst in Katar werde so etwas registriert, zeigt sich der HRW-Sprecher überzeugt.
Auch Fußball-Verbände hätten eine Sorgfaltspflicht gegenüber den Menschenrechten, unterstreicht die Amnesty-Vertreterin Duchrow. "Sie könnten die FIFA und die katarische Regierung auffordern, mitzuteilen, wie sie ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen werden. Sie können auch Garantien verlangen, um sicherzustellen, dass Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten, die für sie Dienstleistungen erbringen, fair und pünktlich bezahlt werden und nicht unter langen Arbeitszeiten leiden."
Noch ganz andere Probleme
HRW-Sprecher Büttner verweist darauf, dass ja schon Reformen in der Golfregion in Gang gekommen seien. Aber man dürfe nicht nur den Blick auf die Arbeiter und die Situation in den Stadien richten. "Es gibt ja noch ganz andere Probleme: die Lage der Frauen etwa oder die Meinungsfreiheit allgemein", so Büttner.
Bei Amnesty hat man in den vergangenen Monaten "eine beträchtliche Gegenreaktion auf die Reformen von Teilen der katarischen Geschäftswelt" beobachtet. Julia Duchrow: "Besorgniserregend ist, dass Katars Shura-Rat, ein beratendes Gremium, vor kurzem eine Reihe von Empfehlungen vorgelegt hat, die einen Großteil der durch die Reformen erzielten Fortschritte wieder rückgängig machen würden."
Hoeneß - die bekannte Argumentation
Ein T-Shirt allein hilft da nichts. Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß, der das Spiel der DFB-Elf - nach dem Anpfiff im ebenfalls schwarzen Trikot - gegen Island mitkommentierte, verwies in dieser neuen Rolle darauf, dass auch die Besuche und das Engagement des FC Bayern in Katar Dinge in Bewegung brächten. In Bewegung - vielleicht aber etwas anders als die staatliche Fluglinie Qatar Airways, die zu den Sponsoren der Bayern gehört.