DFB - Ein Neustart mit Potential
31. Dezember 2018Was war das für ein erfolgreicher Sommer! Ausgelassene Freude, stimmgewaltige Jubelgesänge und ein großes Feuerwerk in St. Petersburg. Die Feier nach dem Sieg beim Confederations Cup 2017 war gigantisch. "Die Jungs haben das großartig gemacht", freute sich Bundestrainer Joachim Löw nach dem 1:0-Sieg gegen Chile im Endspiel. "Ich bin megastolz auf alle. So ein Finale ist etwas Magisches." Auf der Suche nach den Weltmeistern von morgen schien Löw fündig geworden zu sein: Lars Stindl, Timo Werner, der den goldenen Schuh gewann, Julian Draxler, der zum besten Spieler des Turnieres gewählt wurde oder auch Leon Goretzka zählten zu den Gewinnern im DFB-Team.
Zudem hatten nur zwei Tage zuvor Spieler wie Leroy Sané, Max Meyer, Jonathan Tah, Julian Brandt, Serge Gnabry oder auch Thilo Kehrer gezeigt, welches Potential in ihnen steckt. Alle hatten mit der U21 den Europameistertitel für den DFB gewonnen und so für große Euphorie in den Reihen der Verantwortlichen gesorgt.
Löw: "Wir waren erfolgsverwöhnt"
Ein gutes Jahr später musste die Ekstase der bitteren Realität weichen. "Das war schon fast arrogant", kommentierte Joachim Löw im Spätsommer das peinliche WM-Aus seiner Mannschaft in Russland. Vor allem das falsche Spielsystem sei Schuld an der verkorksten Weltmeisterschaft gewesen, so Löw in seiner Analyse. "Wir waren zu wenig selbstkritisch mit uns, waren erfolgsverwöhnt, haben auf das eine oder andere nicht geachtet", gestand der 58-Jährige im ZDF Sportstudio im Dezember dieses Jahres ein.
Dabei hatte es gar nicht so schlecht begonnen, denn nach dem letzten Trainingslager vor dem WM-Start in Südtirol nominierte der Bundestrainer zwölf Confed-Cup-Sieger für seinen finalen WM-Kader. Doch außer Joshua Kimmich und Timo Werner nahmen diese dann meistens auf der Ersatzbank Platz. Löw vertraute lieber seinen teils etwas außer Form geratenen Weltmeistern von 2014.
Ein Fehler, doch "aus Niederlagen lernt man ja manchmal am meisten", so Löw. "Ich glaube, wir haben unsere Lehren gezogen und können uns auf das nächste und übernächste Jahr wieder freuen." Im kommenden Jahr soll also alles besser werden. Der Fokus liegt auf der Qualifikation für die EM 2020, wo die Nationalmannschaft wieder eine gewichtige Rolle spielen will.
DFB-Vize Koch setzt auf Löw
Daran, dass Joachim Löw und auch Manager Oliver Bierhoff nach wie vor die richtigen Personalien für den angekündigten Neuanfang sind, hatten DFB-Präsident Reinhard Grindel und auch sein Vizepräsident Rainer Koch wohl nie wirkliche Zweifel. "Unser Bundestrainer ist der bestmögliche, um den Umbruch hinzubekommen. Dazu bekenne ich mich", sagte Koch.
Der 60-Jährige stellt nach dem "sehr unerfreulichen Jahr" 2018 jedoch auch einige Forderungen an Löw. "Das Vorrunden-Aus bei der WM war desaströs. Auch die anschließenden Niederlagen in der Nations League waren nicht geeignet, um sofort den Eindruck der Besserung entstehen zu lassen. Was mir aber Hoffnung und Mut macht, sind die letzten Länderspiele sowie die vielen jungen und talentierten Spieler, mit denen Joachim Löw 2019 den Generationenumbruch hinkriegen muss."
Mit Sane, Brandt und Havertz in die Zukunft
Den erhofften Umbruch, den Löw und sein Team vor dem WM-Turnier in Russland verpassten, sollen sie nun im kommenden Jahr umsetzen. Und es ist kein Geheimnis, dass das Potential für einen Neuanfang beim DFB vorhanden ist. Brandt, Sané oder auch Kai Havertz sind nicht nur hoffnungsvolle Talente, sondern haben trotz des jungen Alters schon viel Erfahrung sammeln können.
"Ich hatte ein ganz gutes Gefühl auf dem Platz, war gut ins Spiel eingebunden, hatte viele Bälle", freute sich Havertz über sein Startelf-Debüt beim Spiel gegen Russland. Auch von Löw bekam der Mittelfeldstratege viel Lob: "Für 19 Jahre ist er sehr weit, weil er eine gute Ballbehandlung hat und eine gute Übersicht", sagte der Bundestrainer. "Natürlich kann man sich gut vorstellen, dass er eine Schlüsselrolle einnimmt."
Havertz könnte zum Gesicht des Neuanfangs werden. Doch auch Teamkollege Julian Brandt, Serge Gnabry und Leroy Sane dürften feste Größen im DFB-Kader der Zukunft sein. Vor allem Sané, der im Sommer nicht mit zur WM durfte, ist persönlich gereift. Bei seinem Klub Manchester City genießt der Offensivspieler höchstes Ansehen. "Es gibt nicht einen Zweifel an der Qualität von Leroy", sagt Trainer Pep Guardiola über seinen Schützling. Auch Nationalmannschaftskollege Kimmich ist begeistert von den Fähigkeiten des 22-Jährigen und findet, dass er ein "absoluter Unterschiedsspieler sein kann."
Löw will harte Entscheidungen treffen
Es ist also viel in Bewegung beim DFB, auch wenn es lange gedauert hat. Die gewünschten Spieler für den Generationenwechsel stehen dem Bundestrainer und seinem Team zur Verfügung. Um harte Entscheidungen wird Löw nicht herumkommen, denn einige WM-Helden von 2014 haben schlichtweg nicht mehr die Qualität. "Am Ende zählt immer die Leistung. Ich bin kein Hellseher, der weiß, was in drei, vier Monaten sein wird", so der Bundestrainer im ZDF Sportstudio.
"Ich plane mit allen Möglichkeiten, ich plane mit allen Guten, mit Hummels, Boateng, Müller, die für Deutschland spielen können, wenn sie die Form haben, die sie zuletzt nicht hatten." Harte Entscheidungen habe er in mehr als zwölf Jahren als DFB-Chefcoach immer treffen müssen, betonte Löw - diese werde er auch bei der Fortsetzung des von ihm proklamierten Neustarts nach dem WM-Desaster und dem Nations-League-Abstieg fällen.