Wo ist das Kopfball-Ungeheuer beim DFB?
8. Oktober 2021Die deutschen Spieler wussten nicht so richtig, ob sie sich freuen oder über ihre mangelnde Durchschlagskraft ärgern sollten. Nach 90 Minuten stand zwar ein verdientes 2:1 (0:1) auf der Anzeigetafel im WM-Qualifikationsspiel gegen Rumänien am Freitagabend in Hamburg. Neu-Nationaltrainer Hansi Flick konnte damit auch das vierte Spiel in Folge gewinnen und die Tabellenführung in der Gruppe J behaupten. Allerdings verpasste es das DFB-Team, die hochüberlegen geführte Partie klarer zu entscheiden. Und das hatte seine Gründe im eingeschränkten Angriffsverhalten.
Flick hatte sich in Hamburg ganz besonders auf einen alten Freund gefreut. Der Nationaltrainer wollte unbedingt Horst Hrubesch treffen, der im Alter von mittlerweile 70 Jahren beim HSV als "Direktor Entwicklung" arbeitet. Vor allem aber ist Hrubesch den Fußballfans als "Kopfball-Ungeheuer" bekannt, das damals auf den nationalen und internationalen Fußballplätzen reihenweise mit der Wucht seiner Stirn einnetzte.
Mangel an hohen Anspielmöglichkeiten
Flick dürfte sich gegen die Rumänen auch einen Spieler, wie Hrubesch einer war, gewünscht haben. Einen, der diese unbändige Wucht und Durchsetzungskraft in der Luft an den Tag legt und sich auch regelmäßig gegen zwei Gegenspieler durchsetzt - ohne großen spielerischen Aufwand. Früher bedurfte es schlicht einer hohen Hereingabe in den gegnerischen Strafraum, dann war Hrubesch zur Stelle.
Das deutsche spiel litt gegen Rumänien einmal mehr unter dem Mangel an Anspielmöglichkeiten in den luftigen Regionen im gegnerischen Strafraum. Vor allem nach dem frühen Rückstand durch Ianis Hagi nach neun Minuten, als sich die Rumänen dicht um ihren Strafraum postierten und kaum eine Lücke freigaben. Ein Problem, das auch schon unter Flick-Vorgänger Joachim Löw existierte. Der klassisches Mittelstürmer existiert bei der DFB-Elf schon länger nicht mehr. Der letzte dieser Art dürfte Mario Gomez gewesen sein, der seine Karriere im Nationalteam aber bereits im Jahr 2018 beendete.
Nur Flachpässe
Und so versuchten es Leroy Sané, Serge Gnabry, Jonas Hofmann und all die anderen deutschen Offensivspieler mit unzähligen Dribblings über die Außenpositionen. Ihre flachen Hereingaben konnten die rumänischen Verteidiger aber so gut wie immer abwehren - weil sie sich ganz einfach darauf einstellen konnten. Hohe Hereingaben versuchten sie erst gar nicht. Die zentralen Angreifer Marko Reus und Timo Werner hatten deshalb so gut wie keine Chance, in eine gute Schussposition zu kommen.
Dass die DFB-Elf dennoch zum 1:1 (52.) kam, hatten sie der guten Schusstechnik Gnabrys zu verdanken, der von der Strafraumgrenze einfach mal abzog und den Ball trocken verwandelte. Es ist die Berechenbarkeit, unter der die unter Flick sichtlich engagierte, hoch motivierte und lauffreudige Mannschaft weiterhin leidet. Der Stil hat sich unter dem neuen Bundestrainer von breitem Ballbesitzfußball zu permanentem Offensivspiel herzerfrischend verändert. Doch einen kopfballstarken Angreifer kann auch Flick nicht von heute auf morgen aus dem Hut zaubern.
Und so tat sich die die deutsche Elf trotz über 70 Prozent Ballbesitz und forschen Offensivbemühungen auch in der Folge überaus schwer. Erst eine Standardsituation, ein Eckball, sorgte für die Entscheidung. Thomas Müller traf nach Kopfballverlängerung von Leon Goretzka zum erlösenden 2:1, das mehr Kraft gekostet haben dürfte, als eigentlich nötig war.