Die Autobahn für Schiffe
Der Nord-Ostsee-Kanal lässt jedes Jahr mehr als 40.000 Schiffe durch seine Schleusen: Weltrekord. Allerdings stammt die Technik noch aus der Kaiserzeit. Die Anlagen müssen bald erneuert werden. Droht der Verkehrskollaps?
Ein Schiff im Rapsfeld
Ein Frachtschiff fährt mitten durch das Bundesland Schleswig-Holstein. Es hat die Nordsee verlassen und ist unterwegs auf einer praktischen Abkürzung: Dem Nord-Ostsee-Kanal. Wer sich für diese knapp 100 Kilometer lange Strecke entscheidet, erspart sich einen hunderte Kilometer langen Umweg rund um Dänemark. Der Kanal ist aber wegen veralteter Schleusenanlagen in Gefahr.
Ein alter Traum
Den Traum einer solchen Abkürzung gab es schon vor 1500 Jahren. Wikinger nutzten dafür Flüsse und Seen; über kurze Strecken zogen sie ihre Schiffe dann mit Ochsen über Land. Vor 230 Jahren entstand dann die erste Verbindung für seegängige Schiffe. 1895 wurde schließlich der Kanal mit seinem heutigen Verlauf eröffnet und in den folgenden Jahren massiv ausgebaut.
Der Rekord-Kanal
Mehr als 40 000 Schiffe fahren jedes Jahr durch den Kanal. Das ist Weltrekord. 300 000 Tonnen werden so jeden Tag bewegt. Auf dem Wasser reichen dafür knapp 100 Schiffe aus, auf der Straße wären dafür bis zu 15 000 schwere Lastwagen nötig. Der praktische Nutzen des Kanals ist unumstritten.
Platz für Riesen
Selbst Luxuskreuzfahrtschiffe wie die "Norwegian Dream" passen in den Nord-Ostsee-Kanal, der von Brunsbüttel an der Nordsee nach Kiel an der Ostsee führt. Das Schiff ist 230 Meter lang, 29 Meter breit und zehn Stockwerke hoch. Die kleinen Schleusen reichen da nicht aus. Der Ozeanriese muss durch eine der vier großen Schleusen des Kanals. Aber genau das war Anfang März das Problem.
Marode Technik
In Brunsbüttel waren die beiden großen Schleusenkammern plötzlich defekt. Schiffe mit mehr als 125 Metern Länge konnten nicht mehr in den Kanal. Das Problem: Die maroden Tore. Experten nutzten die erste Schleuse als Ersatzteillager, um die zweite innerhalb von acht Tagen zu reparieren. Noch hält das Provisorium.
Millionenprojekt Schleusen-Neubau
Der Totalausfall der großen Schleusen in Brunsbüttel hat die Politik alarmiert. Norddeutsche Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften werfen der Regierung vor, die Sanierung des Kanals verschleppt zu haben. In Brunsbüttel soll jetzt eine neue Schleuse gebaut werden, die allerdings hunderte Millionen Euro kosten und mehrere Jahre Bauzeit benötigen wird.
Teure Ausbau-Arbeiten
Nur eine neue Schleuse zu bauen (hier die Mauer einer Schleuse in Brunsbüttel) wird aber zu wenig sein. Als dringlich eingestuft sind eine Reihe weiterer Maßnahmen. Auch die Fahrrinne müsste vertieft, Brücken über den Kanal erneuert und weitere Schleusen modernisiert werden. Politiker mahnten, es drohe sonst ein Kollaps auf deutschen Wasserstraßen.
Ersatzteil-Beschaffung
Die Wasserbauer des Wasser- und Schifffahrtsamts bessern den Kanal weiter aus, so wie hier im Jahr 2000 transportieren sie Rammpfähle durch den Nord-Ostsee-Kanal. Die 17 Meter langen Baumstämme werden für Schiffsanlegestellen benötigt. Der Kanal ist für solche Ersatzteile ein idealer Transportweg.
Auf zu neuen Ufern?
Auf der meist befahrenen künstlichen Wasserstraße der Welt bleibt viel zu tun. Selbst der Bundestag hat sich mit dem Thema befasst. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister forderte von der Bundesregierung einen Masterplan zur grundlegenden Modernisierung.