Die blutige Fratze hinter der schönen Fassade
21. April 2019Bei einer Serie von Bombenanschlägen auf Kirchen und Hotels in Sri Lanka sind am Ostersonntag mehr als 200 Menschen getötet worden.
Unter den Toten sind nach Angaben der Tourismusbehörde 32 Ausländer aus acht Staaten: Bürger Indiens, der USA, Großbritanniens, Portugals, Chinas, der Niederlande, Belgiens und der Türkei.
Wer steckt dahinter?
Bisher hat sich noch niemand zu den Anschlägen bekannt, doch Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass eine militante Gruppe hinter den offensichtlich zeitlich abgestimmten Explosionen steckt.
"Es ist derzeit schwierig, eindeutig festzustellen, wer hinter diesen Anschlägen stecken könnte", sagt Siegfried O. Wolf vom "South Asia Democratic Forum" in Brüssel. "Aber wenn man die konfliktreiche Geschichte dieses südostasiatischen Landes berücksichtigt - und die aktuellen politischen Spannungen - dann kann man einige Gruppen identifizieren, die in Frage kommen", so der Südasien-Experte.
Vier zählt Wolf auf: militante Islamisten, radikale buddhistische Organisationen, militante hinduistische Tamilen-Gruppen, und zuletzt auch bewaffnete Oppositions-Truppen, die die Regierung von Premierminister Ranil Wickremesinghe destabilisieren wollen, damit sie wieder ein autokratisches Regime an die Macht bringen können.
Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass buddhistische Extremisten oder Tamilen für die Attacken verantwortlich seien, so der Experte. "Ich glaube nicht, dass sie die Mittel haben, so genau abgestimmte, große Anschläge durchzuführen. Und ich denke nicht, dass sie Kirchen als Anschlagsziele gewählt hätten." Nach Wolfs Einschätzung tragen die die Anschläge die Handschrift von internationalen dschihadistischen Gruppen wie Al Kaida oder dem 'Islamischen Staat' beziehungsweise ihrer regionalen Ableger. Viele Beobachter sagen, dass in Südasien militante islamistische Gruppen zunehmend Fuß fassen.
Ethnische und religiöse Konflikte in Sri Lanka
Die Ostersonntags-Anschläge sind ein bitterer Rückschlag für die Regierung in Sri Lanka. Lange war das Land geprägt von blutigen Konflikten, in den vergangenen zehn Jahren wurden enorme Fortschritte bei der Befriedung der Insel gemacht. Sri Lanka erlebte deshalb auch einen Tourismus-Boom - die Tropeninsel ist heute ein beliebtes Reiseziel für Menschen aus der ganzen Welt - trotz vereinzelter blutiger Konflikten - vor allem in Form von Angriffen von radikalen Buddhisten auf Muslime.
Sri Lanka hat seit seiner Unabhängigkeit 1948 eine gewaltvolle Geschichte. In der ehemaligen britischen Kolonie kam es zu zahlreichen immer wieder zu bewaffneten Konflikten zwischen tamilischen Separatisten und der singhalesisch geprägten Regierung - 1983 brach ein Bürgerkrieg aus, der über zwei Jahrzehnte tobte.
Die Separatistengruppe "Tamil Tigers" verübte in dieser Zeit immer wieder Bombenanschläge. Zu ihren Zielen gehörten auch buddhistische Tempel und Hotels. Vor allem im Norden des Landes - wo die Tamilen ihren eigenen Staat gründen wollten - kamen Tausende ums Leben. Bis 2009 vom damaligen Präsidenten Mahinda Rajapaksa entsandte Truppen die Separatistenorganisation "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) endgültig niederschlugen.
Doch noch heute ist das Land geprägt von ethnischen und religiösen Gegensätzen. Etwa 75 Prozent der Bürger sind Singhalesen, gut 15 Prozent Tamilen. Etwa 69 Prozent der Sri Lanker sind Buddhisten, 15 Prozent sind Hindus, 9 Prozent Muslime und 7 Prozent katholische Christen. Die meisten Tamilen sind Hindus, es gibt aber auch tamilische Christen; die meisten Singhalesen hingegen sind Buddhisten.
Dass es in den vergangenen zehn Jahren kaum bewaffnete Konflikte in Sri Lanka gab, bedeutete nicht, dass das Land seine tiefen sozialen und politischen Spaltungen überwunden hat, so die Einschätzung des Brüsseler Experten Siegfried O. Wolf: "Der ethnisch-religiöse Konflikt zwischen der Mehrheit, den buddhistischen Singhalesen, und der Minderheit, den hinduistischen Tamilen, wurde zwar offiziell 2009 beendet, aber der Konflikt existiert trotzdem weiter, denn das Land hat keine politischen Lösungen für dieses sehr komplizierte Problem gefunden", so Wolf.
Die politische Zukunft Sri Lankas
Die Anschläge erhöhen den politischen Druck auf den Premierminister Ranil Wickremesinghe und sein Kabinett - und könnten seinem politischen Konkurrenten, Ex-Präsident Mahinda Rajapaksa, in die Hände spielen.
Wickremesinghe ist politisch umstritten, im Oktober vergangenen Jahres entließ ihn Präsident Maithripala Sirisena und ernannte Rajapaksa zum Premier. Allerdings konnte Wickremesinghe durch eine Entscheidung des Obersten Gerichts im Dezember wieder in sein Amt zurückkehren , Rajapaksa trat zurück.
Mahinda Rajapaksa gilt als Hardliner mit autokratischem Stil. Während seiner Präsidentschaft von 2005 bis 2015 schlug er brutal - aber erfolgreich - die Tamilen-Kämpfer nieder. "Die Gruppen aus der Opposition werden die mutmaßlichen Terroranschläge wohl nutzen, um für einen autokratischeren Regierungsstil und strengere, repressivere Maßnahmen gegen Minderheiten zu werben im Namen der Bekämpfung von Gewalt. Ich glaube, Wickremesinghes Glaubhaftigkeit ist stark beschädigt", sagt Regionalexperte Wolf.
Reaktionen aus Deutschland
Weltweit zeigten Politiker und Religionsführer nach den Anschlägen ihre Anteilnahme. Entsprechend die Reaktionen auch aus Deutschland: "Es ist schockierend, dass Menschen, die sich versammelt hatten, um gemeinsam das Osterfest zu begehen, ein bewusstes Ziel dieser hinterhältigen Angriffe waren", schrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Kondolenztelegram. "Religiöser Hass und Intoleranz, die sich heute auf so schreckliche Weise manifestiert haben, dürfen nicht siegen."
Auch der Bundesaußenminister bekundete den Angehörigen der Opfer sein Beileid. "Am Osterfest so viel Hass zu erleben schmerzt. Ostern ist ein Fest der Liebe, das uns lehrt: Hass unsererseits kann nie die Lösung sein", so Heiko Maas.
Auch religiöse Vertreter in Deutschland verurteilten die Anschlagsserie. "Wir dürfen uns von Terror und Gewalt nicht spalten lassen", so der Vorsitzende des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland, Burhan Kesici.
"In diesem Moment grausamen Blutvergießens, in dem die Freude über das Osterfest getrübt wird, übermittle ich Ihnen unsere Solidarität und vor allem unser Gebet: Tod und Hass haben keine endgültige Macht über den Menschen", schrieb der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, in einem Brief an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz von Sri Lanka.