Bundeswehr soll attraktiver werden
4. Juni 2014"Wir wollen die Besten", sagt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (im Artikelbild) und meint damit die Bewerber, die seit dem Ende der Wehrpflicht im Jahr 2011 freiwillig zur Bundeswehr kommen. Das sind bisher nicht immer die Besten ihres Jahrgangs, denn der Ruf der Bundeswehr als Arbeitgeber ist zwiespältig: Einerseits gilt die Truppe als gute Ausbildungsstätte für technische Berufe oder "Traumjobs" wie Pilot oder Kapitän. Andererseits hat sich herumgesprochen, dass die Karriere eines jeden Soldaten von vielen Umzügen quer durch Deutschland begleitet wird - bei 300 Standorten sind häufige Versetzungen die Regel.
Darunter leidet das Privatleben ebenso wie unter den "überlangen Dienstzeiten und einem viel zu starren Karrierekorsett", wie von der Leyen den derzeitigen Zustand beschreibt. Dass die Besoldung deutlich unter Gehältern in der freien Wirtschaft liegt, spricht auch nicht für die Wahl des Soldatenberufs, der nicht zuletzt ein Risiko für Leib und Leben mit sich bringt: Seit 1992 kamen mehr als 100 deutsche Soldaten in Auslandseinsätzen ums Leben.
"Viel verlangen, viel bieten"
Vor diesem Hintergrund reicht der Ministerin die Zahl der qualifizierten Bewerber nicht aus - also jener Bewerber, die einen guten Schulabschluss, eine Ausbildung oder ein Studium etwa der Informatik nachweisen können. "Gerade weil wir viel von den Soldaten verlangen, müssen wir ihnen auch im Grundbetrieb viel bieten", sagt von der Leyen. Auf einen Soldaten im Auslandseinsatz kämen 30 in Deutschland, und vor allem für sie müsse der Beruf attraktiver werden. Im Verständnis der Ministerin heißt das: moderner, flexibler und menschlicher.
So sollen die Soldaten künftig seltener versetzt werden und von einem Umzug bereits ein halbes Jahr vorher informiert werden. Soldaten mit kleinen Kindern - Männer wie Frauen - werden bei der Kinderbetreuung unterstützt und können künftig Teilzeit arbeiten. "Warum das bisher nicht möglich war, ist mir schleierhaft", sagt von der Leyen, selbst siebenfache Mutter. Überhaupt ist ihr unklar, warum die Bundeswehr sich an vielen Stellen so beharrlich altmodisch präsentiert: So konnten sich junge Leute bisher nicht online bewerben und verstanden dies nicht gerade als Beleg für einen hohen technischen Standard.
Für die Soldaten im Auslandseinsatz hapert es immer wieder bei den Telefon- oder Internet-Verbindungen nach Hause. Für die Verteidigungsministerin ist es eine Selbstverständlichkeit, dass diese funktionieren, auch auf hoher See und natürlich kostenlos. Ihre Attraktivitätsoffensive ist inspiriert vom Bild eines Soldaten, der sein Privatleben nicht mehr verschämt hinten anstellen muss. Die Ideen für das Programm kamen aus der Truppe selbst - von der Leyen fand sie unter anderem in den jährlichen Mängelberichten des Wehrbeauftragten, der so detailliert wie kein anderer die Beschwerden der Soldaten zusammenträgt.
"Sonst können wir einpacken"
100 Millionen Euro stellt das Verteidigungsministerium in den nächsten fünf Jahren für das Programm zur Verfügung - gemessen an den Kosten für Waffensysteme keine unverhältnismäßig hohe Summe. Die Kritik des früheren Bundeswehr-Generalinspekteurs Harald Kujat, das Geld solle lieber in eine bessere Ausrüstung für die Soldaten im Einsatz investiert werden, wies von der Leyen zurück. "Was nützt uns der beste Eurofighter, wenn wir keinen Prüfer, keinen Piloten und keinen Techniker mehr haben?"
Das größte Risiko für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr sei, dass ihr das qualifizierte Personal ausgehe. Gute Ausrüstung und attraktive Arbeitsbedingungen seien daher kein Gegensatz. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht werde es nicht geben, betonte die Ministerin, daher müsse die Bundeswehr attraktiver werden, "sonst können wir einpacken". Aus der Kritik spreche die "Angst vor Veränderung".
Unterstützung bekam von der Leyen vom Wehrbeauftragten und vom Bundeswehrverband, der Interessenvertretung der Soldaten. "Frau von der Leyen ist definitiv auf dem richtigen Weg", sagte der Vorsitzende André Wüstner. "Angemessene Arbeits- und Lebensbedingungen sollten eigentlich selbstverständlich sein." Da die Attraktivitätsprogramme ihrer Amtsvorgänger weitgehend im Sande verliefen, will von der Leyen ihr Maßnahmenpaket im September in ein Gesetz gießen. Bis dahin werden Verbesserungen umgesetzt, für die es kein Gesetz braucht. Einer der ersten Punkte auf dem Aufgabenzettel lautet: "Beschaffung von Laptops".