Reise in die Golfregion
2. Februar 2007Vier Länder in vier Tagen. Das ist eine außergewöhnlich lange Auslandsreise für Angela Merkel, die in den ersten 14 Monaten ihrer Amtszeit nie länger als zwei Tage unterwegs war. Gleich mehrmals ging es nach Brüssel zur EU, nach Russland, Frankreich und die USA. Nun steht die erste größere Auslandsreise der Bundeskanzlerin an und wie wichtig der Besuch im Nahen Osten ist, zeigt ein Blick in ihren Terminkalender der vergangenen sechs Wochen: In diesem Zeitraum traf sie den israelischen Ministerpräsidenten Olmert, den Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde Abbas und den jordanischen König Abdullah II. - stets ging es um den Nahen Osten.
Außerdem erhielt sie vom amerikanischen Präsidenten Bush die Zusage, dass sich die Vereinigten Staaten wieder verstärkt für Friedensverhandlungen zwischen Israel und Palästina engagieren würde. Und so tagte am Freitag (2.2.07), einen Tag vor Merkels Abreise in die Golfregion, erstmals seit einem Jahr wieder das Nahost-Quartett, das aus den Vereinigten Staaten, Russland, der EU und den Vereinten Nationen besteht.
Nebenrolle für die Wirtschaft
Während auf den Nahost-Reisen des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder meist das Knüpfen wirtschaftlicher Kontakte im Mittelpunkt stand, werden bei den Gesprächen von Angela Merkel "eindeutig politische Themen im Vordergrund stehen", sagt der stellvertretende Sprecher der Bundesregierung Thomas Steg. Zwar reist auch Wirtschaftsminister Michael Glos mit einer Wirtschaftsdelegation zeitgleich in die Region, aber die Routen werden sich nur gelegentlich überschneiden. "Die Bundeskanzlerin will dazu beitragen, dass die Länder der Region sich verantwortlich fühlen und sich bei der Lösung der Konflikte beteiligen", sagt Thomas Steg.
Konflikte gibt es im Nahen Osten genug: Im Libanon ringt die moderate Regierung von Präsident Siniora um Stabilität, der Iran verunsichert mit atomaren Plänen und in Palästina tragen die regierende Hamas und die Fatah einen Machtkampf aus, bei dem seit Beginn der Eskalation über 60 Menschen ums Leben gekommen sind. "Der historische Kernkonflikt bleibt aber der zwischen Israel und Palästina", sagt Christian-Peter Hanelt, Nahost-Experte bei der Bertelsmannstiftung. "Wenn dieser Konflikt gelöst werden kann, wird sich das auf die gesamte Region positiv auswirken", sagt Hanelt.
Golfstaaten übernehmen mehr Verantwortung
In den vergangenen Monaten ist für Hannelt deutlich geworden, was für eine wichtige Rolle die moderaten Golfstaaten für die Stabilisierung des ganzen Nahen Ostens spielen können. "Sie zeigen nun deutlicher, dass sie bereit sind Verantwortung zu übernehmen", sagt der Nahost-Experte der Bertelsmannstiftung. Ein Beispiel für ihren positiven Einfluss sei die Vermittlung des saudischen Könighauses während des Generalstreikes der Hisbollah im Libanon gewesen. "Der Sondergesandte hat in Gesprächen mit der iranischen Führung verhindert, dass der Generalstreik eskaliert." Zusammen mit Ägypten hat Saudi Arabien sich vor wenigen Tagen zudem als Vermittler in innerpalästinensischen Auseinandersetzungen angeboten.
Der saudische König Abdallah werde ein besonders wichtiger Gesprächspartner für Angela Merkel sein, sagt Günter Meyer, Leiter des Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt. Vor allem im Bezug auf den Iran haben Deutschland und Saudi Arabien ähnliche Interessen. "Seit der Iran nicht mehr militärisch vom Irak in Schach gehalten wird, sehen die Saudis im Iran wegen der ideologischen Unterschiede zunehmend eine Gefährdung", sagt Günter Meyer. Während im Iran schiitische Moslems an der Macht sind, leben in Saudi Arabien vor allem Sunniten. Angela Merkels Besuch werde deshalb als Bekenntnis zu den Sunniten gerechnet und sei sehr willkommen. "Die Tatsache, dass sie als Ratspräsidentin für die gesamte EU steht und nicht nur für Deutschland, wird ihre Position auf der ganzen Reise stärken", sagt der Nahost-Experte.
Denn Zeitpunkt der Reise am Tag nach dem ersten Nahost-Quartett-Treffens nennt Günter Meyer "strategisch sehr günstig". Bei ihrem Treffen mit dem jordanischen König Abdullah II. in der vergangenen Woche in Berlin hatte Angela Merkel von einem "Zeitfenster für den Friedensprozess" gesprochen, das es zu nutzen gelte. Ob es das gibt und ob sie helfen kann es zu nutzen, wird sie nach ihrer Viertage-Reise besser einschätzen können.