Die E-Autos und die CSU: Nein, ja, doch?
28. Januar 2016Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wird in Sachen Elektromobilität langsam ungeduldig. Der ehemalige Umweltminister will mit Kaufanreizen unbedingt den mäßigen Absatz von Elektroautos in Deutschland ankurbeln. "Wir müssen uns entscheiden: Wollen wir das Ziel von einer Million Elektrofahrzeuge im Jahr 2020 aufrecht erhalten?", sagte Gabriel der "Rheinischen Post". Die Bundesregierung trage dieses Ziel schließlich seit 2009 wie eine Monstranz vor sich her. "Dann brauchen wir ein Marktanreizprogramm wie Kaufprämien oder steuerliche Anreize. Wenn wir das nicht machen, sollten wir ehrlich sein und uns von diesem Ziel verabschieden", sagte Gabriel.
Gabriel hatte zuletzt eine Kaufprämie von 5000 Euro pro Elektroauto ins Spiel gebracht. Umgekehrt will er die Industrie dazu bringen, dass auch in Deutschland wieder in die Produktion von Batterien investiert wird. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt von der bayerischen CSU lehnt die von Gabriel geforderten Kaufprämien ab. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist bei dem Thema zurückhaltend.
Überraschung aus München
Verkehrte Welt: Während CSU-Verkehrsminister Dobrindt die Gabriel-Initiative ablehnt, schließen sich völlig überraschend seine Parteigenossen aus der Regierung des Freistaates Bayern der SPD-Forderung nach einer Prämie für den Kauf von Elektro-Autos an. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner von der CSU sagte, sie wolle gemeinsam mit den bayerischen Autoherstellern BMW und Audi einen entsprechenden Anreiz auf den Weg bringen.
Das bayerische Modell wurde von Ministerpräsident Horst Seehofer und Aigner am Montag mit den Vorstandschefs von BMW und Audi, Harald Krüger und Rupert Stadler, ausgehandelt. Ein BMW-Sprecher sagte, bei der Kaufprämie sei eine Größenordnung von 4000 bis 5000 Euro im Gespräch. Welchen Anteil davon die Konzerne übernehmen, blieb offen. Einem Insider zufolge war von 1500 Euro die Rede. Aigner sagte lediglich, über die Höhe werde verhandelt.
Deutschland verliert an Boden
Eine neue Studie stellt fest, dass das globale Wachstum der Elektromobilität derzeit vom chinesischen Markt getrieben wird, während Deutschland seinem selbst gestellten Anspruch als Leitmarkt und Leitanbieter für E-Autos nicht gerecht wird. Im Jahr 2015 habe sich der Absatz von E-Autos in China aufgrund der enormen Dynamik der letzten Monate auf 188.000 verdreifacht, schreibt der Automobilexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Damit sei China mit deutlichem Abstand vor den USA neuer Leitmarkt für Elektromobilität.
In den USA sind im Gesamtjahr die Neuzulassungen von Elektroautos um drei Prozent auf 115.000 gefallen, aufgrund nur leicht steigender Absätze von reinen Elektrofahrzeugen und deutlich rückläufiger Trends bei Hybridfahrzeugen. Der Studie zufolge ist Großbritannien 2015 größter Elektroautomarkt Europas mit 28.000 E-Autos geworden – ein Plus von 70 Prozent gegenüber 2014. In Frankreich erhöhten sich die E-Auto Neuzulassungen im Gesamtjahr auf 27.000 (+67 Prozent). Deutschland kommt im Gesamtjahr 2015 trotz eines Zuwachses um 80 Prozent nur auf 23.500 neu zugelassene Elektro-Pkw.
Behörden steuern Zulassungen
Die Nachfragedynamik der E-Mobilität in China bezeichnet Autoexperte Bratzel als das Ergebnis einer Kombination von steuerpolitischen und ordnungspolitischen Instrumenten sowie industriellen Angeboten von Herstellern. Neben den finanziellen Kaufanreizen profitieren Elektrofahrzeuge in China derzeit in Städten wie Shanghai und Peking von bevorzugten Zulassungsbedingungen.
"Während die staatlichen Behörden Pkw mit konventionellen Antrieben aus Stau- bzw. Umweltgründen kontingentieren und daher Fahrzeugkäufer häufig nicht oder nur eingeschränkt behördliche Zulassungen erhalten, gilt dies für Elektrofahrzeuge nicht", schreibt Bratzel. "Daher sind Elektroautos für viele Kunden eine interessante Mobilitätsalternative." Und: Chinesische Modelle sind ganz klar führend auf dem heimischen Markt für Elektroautos.
Effiziente Batterien entscheiden
"China ist damit bereits ein gutes Stück vorangekommen, um neben dem Leitmarkt künftig auch zum globalen Leitanbieter für Elektromobilität zu werden", schreibt Bratzel. Das Wachstum der Elektromobilität sei auf globaler Ebene noch stark von öffentlichen Förderkulissen abhängig, da die E-Autos bislang, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum wettbewerbsfähig seien. Gelöst werden muss nach seinen Worten das R.I.P.-Problem, was nichts mit "Rest in peace" zu tun hat, sondern den Problemkreis Reichweite, Infrastruktur und Preis beschreibt.
Laut Bratzel stehen die Automobilhersteller dabei vor einer Herkulesaufgabe: Sie müssten die Reichweite der E-Fahrzeuge auf mindestens 300 bis 500 Kilometer erhöhen und gleichzeitig die Kosten reduzieren, die im Wesentlichen durch die Batterien entstehen. Bratzel fordert deshalb eine "konzertierte Aktion der Automobilindustrie und der Regierung in Deutschland, um mittel- und langfristig die Batteriezelltechnologie als zentralen Wertschöpfungsbaustein der E-Mobilität nach Deutschland zu holen."