EU-Indien-Wirtschaftsgipfel
13. Oktober 2006In der finnischen Hauptstadt Helsinki beginnt am Freitag (13.10.) der siebte EU-Indien-Wirtschaftsgipfel. An dem Gipfel nehmen der indische Premierminister Manmohan Singh und sein finnischer Amtskollege Matti Vanhanen, sowie EU-Handelskommissar Peter Mandelson und der EU-Außenbeauftragte Javier Solana teil. Die Europäische Union ist Indiens größter Handelspartner, Indien steht im Gegenzug nur an 14. Stelle bei der EU. Die Agenda für den diesjährigen Wirtschaftsgipfel ist daher klar: Die Europäische Union will den Handel mit Indien weiter ausbauen und sucht nach einem besseren Zugang zu den indischen Märkten.
Störfaktoren bei der Vertiefung der Beziehungen sind hohe Import-Zölle und die Weigerung Indiens, für bestimmte Produkte verbindliche Preise festzulegen. Viele Unternehmen scheuen sich zudem davor, in Indien zu investieren. Denn noch spielt der Staat im Wirtschaftsleben eine entscheidende Rolle und bürokratische Hürden verhindern schnelle Entscheidungen.
Indiens Absichten
Um die bilaterale Zusammenarbeit zu verbessern, müssten beide Seiten zunächst einige wichtige Voraussetzungen schaffen, sagt Wirtschaftsexperte Manmohan Aggarwal von der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi. Die bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Indien seien gut. Der Handel wachse stetig. Es werde investiert. Auf multinationaler Ebene, wenn es um den Welthandel gehe, seien die Gespräche der Doha-Runde jedoch ins Stocken geraten. "Dort haben die Inder und die Europäer fast konträre Ansichten", sagt Aggarwal. Aus Sicht Indiens müssten diese Gespräche wieder aufgenommen werden. Die indische Regierung würde gerne die Zölle, vor allem die Importzölle senken. Aber auf dem Weg der multilateralen Übereinkunft. Der Grund dafür ist, dass Indiens Handel sehr divers ist. Er ist zu relativ gleichen Teilen aufgeteilt zwischen den USA, Europa und Asien. Bilaterale Freihandelspakte sind daher für Indien nicht sonderlich attraktiv.
Avancen von allen Seiten
Indien wird derzeit überall umworben. Das Land gilt nicht nur als kommende, boomende Wirtschaftsmacht, sondern strotzt auch politisch vor Selbstbewusstsein. Indien gilt als verlässlicher Partner und ist als Regionalmacht ein Garant für Stabilität in Südasien. Bei seinem Besuch im März erkannte US-Präsident Georg W. Bush Indien de facto als Atommacht an.
Zusammen mit Deutschland, Brasilien und Japan strebt Indien nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Dieser Wunsch geht einher mit dem in den vergangenen Jahren tatsächlich gewachsenen Einfluss Indiens in der Welt, erklärt Christian Wagner von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: "Indien versucht seit einigen Jahren zunehmend eine Großmachtrolle auszuüben. Eine Politik, die mittlerweile auch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt wird." Das zeigten auch solche Treffen wie das in Helsinki.
Vergleiche mit China
Lange Zeit stand vor allem China, der ewige Rivale Indiens, im Mittelpunkt des Interesses der Europäischen Union. Der EU-China-Gipfel fand dieses Jahr bereits zum neunten Mal statt. China habe vor allem innerhalb der Europäischen Union einen Vorteil vor Indien, weil es seine Liberalisierungs- und Öffnungspolitik früher als Indien begonnen habe, sagt Wagner. Politisch stehe allerdings Indien den Europäern näher als China. In Indien sei die Demokratie fest verankert, auch in der Frage der Menschenrechte stimme man überein.
Zwar hat sich Indien Seite an Seite mit den USA gegen Iran bei der Internationen Atomenergiebehörde gestellt und spielt auch eine Schlüsselrolle bei der Wiederherstellung der Demokratie in Nepal. Dennoch führt Indiens außenpolitisches Verhalten ab und an zu Irritationen. Denn manchmal bestimmt ein unberechenbarer wirtschaftlicher Pragmatismus Indiens Außenpolitik. So schloss Indien zum Beispiel mit den international geächteten Ländern Sudan und Myanmar (Birma) Energieabkommen. Ein guter Testfall für eine Standortbestimmung ist in Wagners Augen Indiens Energiepolitik in Afrika. Bisher habe Indien eher seine nationalen Interessen in den Vordergrund gerückt. Für die Europäer wichtige Fragen wie Demokratisierung oder Menschenrechte gerieten in den Hintergrund. "Hier ist die indische Außenpolitik noch nicht so sehr von dem Gedanken eines demokratischen Wandels beseelt, wie sich das die Europäer wünschen", meint Wagner. "Hier verfolgt Indien so wie China eher eine klassische Großmachtpolitik."