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Die EZB - abgerückt vom Pfad der Tugend?

31. Oktober 2011

Mario Draghi wird neuer Chef der Europäischen Zentralbank. Doch die EZB hat in der Eurokrise viel von ihrem guten Ruf verloren. Dabei habe sie kaum anders handeln können, meint Christoph Hasselbach in seinem Kommentar.

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Bild: DW

Die Deutschen haben wachsende psychologische Probleme mit der Europäischen Zentralbank. Sie sollte so unabhängig und solide sein wie die Deutsche Bundesbank, verpflichtet vor allem dem Ziel der Preisstabilität. Das wurde der EZB auch bei ihrer Gründung auf den Weg gegeben. Doch spätestens in den letzten Jahren der Amtszeit von Jean-Claude Trichet hat die Bank viel von ihrem ursprünglichen Ruf verloren. Entscheidend ist der massive Ankauf von Staatspapieren von Euro-Schuldenstaaten, für Bundesbank-Puristen der Sündenfall. Der frühere Bundesbankpräsident Axel Weber, der als sicher gehandelte Nachfolger Trichets, mochte unter diesen Umständen nicht mehr kandidieren. Und EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark zieht sich vorzeitig aus dem Direktorium zurück.

Die EZB als Feuerwehr

In der deutschen Öffentlichkeit haben vor allem diese beiden Rückzüge den Eindruck verstärkt, die Europäische Zentralbank habe endgültig den Pfad der Tugend verlassen. Formal gesehen trifft das auch zu. Doch der EZB blieb in der Krise kaum etwas anderes übrig. Sie sah sich gezwungen, das Finanzsystem zu stabilisieren, weil die Politik viel zu langsam gehandelt hat. Solange eine glaubwürdige Konsolidierungspolitik in vielen Euro-Mitgliedsstaaten und die institutionellen Mechanismen zur Eindämmung der Krise fehlten, blieb nur die EZB als Retter übrig. Der jüngste Doppelgipfel hat zum Glück die wesentlichen Entscheidungen getroffen, auch wenn damit die Probleme noch lange nicht gelöst sind. In Zukunft soll zum Beispiel der erweiterte Rettungsfonds EFSF Staatsanleihen von Schuldensündern aufkaufen. Das wird die Zentralbank deutlich entlasten. Doch noch sind zu viele Details unklar, und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Bank weiterhin als Feuerwehr einspringen wird.

Nationale Klischees leben fort

Christoph Hasselbach (Foto:DW)
Christoph Hasselbach, Brüssel-Korrespondent der Deutschen WelleBild: DW

Völlig absurd ist auf jeden Fall die Bewertung von EZB-Präsidenten vor allem nach ihrer jeweiligen nationalen Herkunft. Schon beim Antritt Trichets hatten viele in Deutschland über einen Franzosen die Nase gerümpft. Der KONNTE ja gar nicht anders als politikhörig und daher wenig vertrauenswürdig sein. Als dann Bundesbank-Chef Axel Weber das Handtuch warf und sofort der Italiener Mario Draghi in den Fokus rückte, schien das der größtanzunehmende Unfall. Das ist Unsinn. Erstens bestimmt bei der EZB natürlich nicht der Präsident allein, sondern die Zentralbankchefs aller 17 Euro-Länder sind an den Entscheidungen beteiligt. Und gerade weil Draghi die Vorurteile kennt, wird er sich eher besonders anstrengen, sie zu widerlegen. In Italien selbst hat er sich ohnehin die Reputation des Saubermanns erworben. Am besten wäre wahrscheinlich ein Zentralbankpräsident aus Griechenland, aber das hat jetzt wohl noch ein bisschen Zeit.

Autor: Christoph Hasselbach

Redaktion: Thomas Latschan