Die Fratze des Terrors
19. Juli 2006Einmal gewährte Osama bin Laden einem westlichen Journalistenteam ein Interview in seiner Terrorzentrale in Afghanistan. Das war vor den Anschlägen vom 11. September. Ruhig und mit sanfter Stimme antwortete er auf die Fragen der Reporter. Mit einem Lächeln sagte er: "Wir werden euch die Särge eurer Söhne schicken." In seinem Blick war Menschenverachtung, die mit einem feinen Lächeln daherkam.
Der Millionärssohn
Warum Osama bin Laden zu dem wurde, was er ist, kann kaum mit seiner Vita erklärt werden. Er ist ein Millionärssohn, stammt aus einer bedeutenden Familie der arabischen Halbinsel. Wer nach Dubai oder Riad kommt und seinen Blick über eine der zahlreichen Baustellen der wohlhabenden Golfstaaten schweifen lässt, der stolpert häufig über diesen Namen: bin Laden. Denn die bin Ladens sind mit Immobiliengeschäften reich geworden, ihr Namenszug ziert Baukräne und Hochhausgerüste. Die Saudi Binladen Group ist ein Begriff auf der arabischen Halbinsel.
Osama bin Laden wurde 1957 in Riad geboren, als 17. von 52 Kindern, die sein Vater mit insgesamt 10 Frauen zeugte. Aufgewachsen ist er in der westsaudischen Stadt Dschidda, der Handelsmetropole des Landes. Während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften an der Abdeulaziz-Universität soll er die ersten Kontakte zu islamistischen Extremisten geknüpft haben.
Der Terrorsprössling
Bereits als junger Mann, als er noch bei seiner Familie lebte, sei er durch seine besondere Religiosität aufgefallen, habe immer darauf geachtet, dass die Familienmitglieder genau den islamischen Kleidungsvorschriften gemäß aus dem Haus gingen. Das berichten Teile der Familie bin Laden, die heute über die ganze Welt verstreut lebt. Der Clan wehrt sich indes heftig gegen alle Vorwürfe, noch Verbindung zu ihrem berühmt-berüchtigten Sprössling zu pflegen. Bereits vor Jahren sei er aus der Sippe verstoßen worden.
1978 machte er seinen Abschluss, inmitten einer Zeit großer Umbrüche im Nahen Osten: Ayatollah Khomeini kehrte aus dem französischen Exil in den Iran zurück und übernahm dort die Macht. Und in Afghanistan rückte die Rote Armee ein und bedrohte die Autonomie eines islamischen Landes. Es kann nur vermutet werden, dass diese äußeren Geschehnisse die Schlüsselmomente waren, die in Osama bin Laden den Hass entzündeten auf alles Westliche, auf die angeblichen Unterdrücker der islamischen Welt; und dass er dazu berufen sei, gegen den Westen zu kämpfen und die korrumpierten Regime der islamischen Welt zu stürzen. Osama bin Ladens Ziel ist die Wiedererrichtung des Kalifats, der Herrschaft der gläubigen Führer als Gleiche unter Gleichen - wie es bei den ersten, den so genannten rechtgeleiteten Kalifen, der Fall gewesen sein soll.
Afghanistan und Sudan
In Afghanistan war er Guerilla-Führer, kämpfte mit Unterstützung des pakistanischen Geheimdienstes und der CIA gegen die Sowjetinvasoren. 1984 gründete er in Peshawar das spätere Maktab el-Khadamat, das als Anlaufstelle für Mudschahedin aus allen Teilen der islamischen Welt diente.
Nach dem Abzug der Sowjets kehrte Osama zunächst nach Saudi-Arabien zurück. Das war um 1991, gerade als der Irak das kleine Nachbarland Kuwait überfiel. US-Truppen wurde nach heftigen Debatten in Saudi-Arabien die Stationierung auf saudischem Boden gestattet. Für den strenggläubigen Osama der Verrat an Grundsätzen der islamischen Nation. Seine öffentliche Kritik und die Ansage, die US-Truppen mithilfe seiner Mudschahedin aus dem Land zu treiben, brachten ihn in die Ungnade des saudischen Königshauses. 1992 verließ er seine Heimat, in Richtung Sudan. Das Regime in Khartum empfing den reichen Gast vom Golf mit offenen Armen. Und tatsächlich engagierte sich Osama bin Laden zunächst im Geschäftsbereich, baute Autobahnen und gründete eine Bank. Außerdem heiratete er eine Nichte des sudanesischen Islamisten-Führers Hassan et-Turabi.
Bin Laden nutzte Sudan als Refugium, um von hier aus das Netz seiner Terrorgruppe auf ganz Nordafrika und bis nach Europa auszudehnen. Und zu Beginn der 1990er Jahre soll er auch erstmals Verbindungen in die USA geknüpft haben.
"Terror-Export"
Von 1993 an "exportierte" bin Laden seine Dschihad-Kämpfer und das angesammelte Terror-Know-how. Erstmals mischte sich das von ihm gesponnene Netzwerk in einen Konflikt ein, der sich in der westlichen Welt abspielte: Der Bosnien-Krieg bot für die Radikalen-Truppe die Möglichkeit, ihre islamistische Ideologie mit Waffengewalt auszufechten. Viel Geld und viele persönliche Kontakte waren dabei im Spiel. Etwa eine halbe Milliarde Dollar, so fanden die Geheimdienste heraus, hat das junge Terrornetzwerk über Kanäle in Wien den bosnischen Truppen zukommen lassen, außerdem gelangten muslimische Kämpfer aus dem Sudan und Pakistan über Umwege auf den Balkan.
Die im Sommer 1998 verübten Terroranschläge auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia werden bin Laden zugeschrieben. Die Clinton-Regierung entschloss sich erstmals zu direkten Vergeltungsmaßnahmen. El-Kaida-Lager in Afghanistan und eine Pharmafabrik in Khartum wurden bombardiert. Aus Botschaften des Terrorführers nach diesen Attacken lässt sich jedoch schließen, dass diese Maßnahmen den Kampfeswillen der Extremisten eher noch gestärkt haben.
Die Anschläge vom 11. September stellten den grausamen Höhepunkt der el-Kaida-Anschläge dar, die zur US-Invasion in Afghanistan führten.
Die Jagd auf Osama
Immer wieder machten Meldungen die Runde, die amerikanischen Truppen hätten bin Laden umzingelt, seien nur noch einen Schritt von seiner Ergreifung entfernt. Spektakulär waren die Belagerung und der Beschuss der Bergfestung Tora Bora, in der sich der Terrorfürst mit seinen Kämpfern verschanzt haben sollte. Doch er entkam.
2004 gab es wiederum Gerüchte, der US-Geheimdienst habe bin Laden in einem kleinen Gebiet im Nordwesten Pakistans eingekreist. Spezialisten hätten die Landschaftsbilder der bin Laden-Videos mit dem Terrain verglichen, und so seinen Aufenthaltsort lokalisieren können. Gefasst wurde er nicht.