Die "Gorch Fock" kehrt heim
6. Mai 2011Hunderte Angehörige, Freunde und Kollegen begrüßten am Freitagmorgen (06.05.2011) pünktlich um 10 Uhr den Dreimaster mit rund 180 Mitgliedern der Stammbesatzung und der Segelcrew an Bord. Das Schiff wurde wie stets mit militärischen Ehren empfangen. Doch nicht alles war wie immer. Und eine Traumreise war es auch nicht, von der die Besatzung des Dreimasters zurückgekehrt ist. Obwohl es ein fast neunmonatiger Törn in den Gewässern rund um Südamerika war, für den andere viel Geld ausgeben. Doch die "Gorch Fock" ist kein Luxusliner und kein Traumschiff, sondern ein Segelschulschiff. An Bord des Dreimasters werden Marinesoldaten ausgebildet – da kommt zum harten Arbeitsalltag eines Seemanns noch militärischer Drill hinzu.
Die "Gorch Fock" war im August 1958 bei Blohm & Voss in Hamburg vom Stapel gelaufen und am 17. Dezember desselben Jahres in Dienst gestellt worden. Seither hat das stählerne Segelschulschiff fast 750.000 Seemeilen zurückgelegt, das entspricht etwa 35 Erdumrundungen. Bei diesen Ausbildungsfahrten sind mehr als 14.500 Offiziers- und Unteroffiziersanwärter der Bundesmarine ausgebildet worden.
Reise mit Todesfall
Am 20. August 2010 hatte es auf der "Gorch Fock" zuletzt "Leinen los" geheißen, von seinem Heimathafen Kiel lief das Schiff zu einer Südamerikareise aus. Es war der 156. Ausbildungstörn des Schiffs. Am 7. November kam es vor dem Hafen von Salvador de Bahia in Brasilien zu einem Unglück: Eine 25-jährige Offiziersanwärterin stürzte aus der Takelage des Schiffes 27 Meter tief auf das Deck. Sie erlitt tödliche Verletzungen.
Der Vorfall machte Schlagzeilen, vor allem in der Regenbogenpresse. Der damalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, Dienstherr der "Gorch Fock", beschloss daraufhin zu handeln: Am 19. November wurde die Ausbildung auf der "Gorch Fock" ausgesetzt. Die Auszubildenden wurden abgezogen und zu weiteren Lehrgängen an die Marineschule in Flensburg befohlen.
Konsequenzen und Aufklärungsversuche
Anfang 2011 wurde ein Schreiben des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus, bekannt. Darin nahm er zu den Zuständen an Bord der "Gorch Fock" Stellung. Er berichtete von dem Verdacht, an Bord würde massiver Druck auf die Kadetten ausgeübt. Außerdem sei es zu einer Meuterei gekommen – der schlimmstmögliche Vorfall auf einem Schiff. Daraufhin veranlasste der Verteidigungsminister, dass ein Untersuchungsteam der Marine die Vorgänge an Bord an Ort und Stelle aufklären solle.
Am 22. Januar suspendierte zu Guttenberg den Kommandanten der "Gorch Fock", Norbert Schatz. Weitere sechs Tage später nahm das Untersuchungsteam seine Arbeit an Bord auf, die "Gorch Fock" lag zu dieser Zeit im argentinischen Hafen Ushuaia. Die Befragung der Besatzung wurde während der Heimreise nach Kiel auf hoher See fortgesetzt.
Anfang März schließlich legte die Kommission ihren Untersuchungsbericht vor. Verschiedene Medien berichteten, dass der entlassene Kommandant Norbert Schatz durch die Untersuchung entlastet sei. Bestätigt wurde das bis heute nicht. Am 16. März distanzierte sich das Verteidigungsministerium von seinem eigenen Untersuchungsbericht. Das Ministerium wollte zu den Vorfällen auf der Reise zunächst keine Einschätzung mehr abgeben.
Zukunftsängste und Zuspruch
Während die "Gorch Fock" auf dem Atlantik mit Kurs Nordost auf den Heimathafen zusteuerte, wurden in der Heimat die vom ehemaligen Verteidigungsminister entwickelten Bundeswehrreformpläne teilweise umgesetzt, dazu gehörte unter anderem auch die Aussetzung der Wehrpflicht. Nach und nach wird jedoch bekannt, dass manche Teile der Reform nicht finanzierbar sind. Bei der Marine und an Bord der "Gorch Fock" fürchtet man daher, das Verteidigungsministerium könnte, um Geld zu sparen, das Schulschiff außer Dienst stellen und das mit den Vorkommnissen auf der Südamerikareise begründen.
Anfang Mai nahmen mehrere Politiker zu dem Thema Stellung. Während das Ausbildungsschiff noch auf den Nord-Ostseekanal zusteuerte, sagte beispielsweise der Verteidigungsexperte der SPD Hans-Peter Bartels der Mitteldeutschen Zeitung, er sei dafür, die "Gorch Fock" weiterhin als Schulschiff zu verwenden. "Die "Gorch Fock" ist nicht nur ein Ausbildungsschiff. Sie ist auch ein nationales Symbol geworden." Der Bundeswehrverband hat sich inzwischen ebenso wie der Wehrbeauftragte der Bundesregierung zu Gunsten der "Gorch Fock" ausgesprochen.
Ein Gruß macht Hoffnung
Allerdings sagte der Wehrbeauftragte Königshaus in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa auch, "dass die Risiken der Ausbildung so weit wie möglich reduziert werden müssten." Er sei zwar inzwischen überzeugt, dass die Segelausbildung an Bord eines Schulschiffes unbestreitbare Vorteile habe. Doch, betonte Königshaus, "ob die Gorch Fock weitersegeln soll, hat die Marine-Führung zu entscheiden." Er werde das Schiff besuchen, wenn die Besatzung ihren "verdienten Landurlaub" beendet habe.
Die Seeleute auf der "Gorch Fock" erhielten im Laufe dieser Woche einen Gruß von ihrem neuen Dienstherrn. Dessen freundliche Worte gaben der Hoffnung, das Segelschulschiff könnte doch eine Zukunft haben, neue Nahrung: Am Mittwoch, zwei Tage vor der Heimkehr, überbrachte der Marine-Inspekteur eine Grußbotschaft von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere. Den Männern und Frauen an Bord ließ dieser ausrichten, sie hätten "im Verlauf der Reise seemännische Herausforderungen angenommen, auf die sie zu Recht stolz sein" könnten. Weiter hieß es: "Der Minister übersendet aus Anlass der Rückkehr unserer Gorch Fock seine herzlichen Grüße."
Am Freitag kündigte die Bundeswehr an, die Vorwürfe um den Unfalltod rasch aufklären zu wollen. Die Untersuchungsberichte sollten noch im Mai oder Juni abgeschlossen werden, sagte Marineinspekteur Axel Schimpf. Die Ermittlungen sollten allerdings mit Sorgfalt vorgenommen werden. Dies erfordere "Zeit und nicht Druck".
Autor: Dirk Kaufmann
Redaktion: Michael Borgers