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Die Helfer vom Hindukusch

Anne Allmeling31. Dezember 2014

Für die Bundeswehr in Afghanistan sind einheimische Helfer unentbehrlich. Doch von den Taliban werden sie bedroht. Deutschland hat deshalb eine ganze Reihe afghanischer Ortskräfte aufgenommen - aber längst nicht alle.

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Afghanistan Übersetzer Bundeswehr
Bild: picture-alliance/dpa

Ein Tisch, ein Bett, ein Schrank, zwei Stühle - in der kargen Ein-Zimmer-Wohnung am Stadtrand von Hamburg ist nicht viel Platz. Aliullah stört das nicht. Hier ist er in Sicherheit - und das bedeutet dem 27-jährigen Afghanen mehr als jeder Luxus. "Ich habe sehr viel Glück gehabt", sagt Aliullah. "Ich konnte den Ort verlassen, wo es für mich keine Zukunft mehr gab."

Noch vor einem Jahr lebte Aliullah mit seinen Eltern und Geschwistern in Kundus. Als Dolmetscher arbeitete er für die Bundeswehr. Die deutschen Soldaten beteiligten sich am Kampfeinsatz der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF), bevor das Mandat Ende 2014 auslief. Übersetzen, mit Stammesführern verhandeln, Missverständnisse aus dem Weg räumen - das gehörte zu Aliullahs Aufgaben. Ihm gefiel der Job. Aber in den Augen der Taliban sind Bundeswehrhelfer wie Aliullah Kollaborateure. "Eines Abends, als ich mit meiner Familie zusammensaß, erhielt ich einen Anruf", erinnert sich der junge Afghane. "Eine unbekannte Nummer. Ein Mann sagte auf Paschtu: Du arbeitest als Übersetzer und Spion für die Ungläubigen, für die Ausländer, die uns bekämpfen. Das ist ein Verbrechen. Du hast jetzt die Chance, bei uns mitzumachen und gegen die Deutschen und die Regierung zu kämpfen."

Bedrohung durch die Taliban

Aliullah lehnte ab - und fürchtete um sein Leben. Seine Familie machte sich Sorgen um ihn, er selbst verließ kaum noch das Haus - und blieb unversehrt. Sein Freund und Kollege Wafa hatte weniger Glück. Der 25-Jährige arbeitete ebenfalls für die Deutschen in Afghanistan. Im November 2013 wurde Wafa erdrosselt im Kofferraum seines Autos gefunden. Aliullah macht die Taliban dafür verantwortlich. Die Bundesregierung geht dagegen von einem kriminellen Hintergrund aus. Für die afghanischen Ortskräfte ist es einerlei: Viele fühlen sich bedroht - erst recht, seit sich die deutschen Soldaten immer weiter zurückziehen. Der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich hatte deshalb im Oktober 2013 versprochen, alle gefährdeten Ortskräfte nach Deutschland zu holen.

Taliban-Angriff auf Gericht in Kundus (Foto: Reuters)
Angriffe der Taliban sind in Afghanistan immer noch an der TagesordnungBild: Reuters

Ein großes Versprechen - doch die Realität sieht anders aus: Mehr als tausend afghanische Ortskräfte haben einen entsprechenden Antrag gestellt, aber nicht einmal die Hälfte hat eine Aufnahmezusage für Deutschland erhalten. Die meisten Ortskräfte bekamen einen ablehnenden Bescheid - ohne Begründung. Wer nicht gefährdet sei, solle im Land bleiben, heißt es aus dem zuständigen Bundesinnenministerium. Schließlich handele es sich bei vielen ehemaligen Ortskräften um die Elite des Landes - und die solle Afghanistan nicht entzogen werden.

Verunsicherung unter den Ortskräften

Zurzeit beschäftigt die Bundeswehr noch etwa 600 afghanische Ortskräfte. Nach dem Ende der ISAF beteiligt sich die Bundeswehr mit bis zu 850 Soldaten an der NATO-Nachfolgemission "Resolute Support". Die deutschen Soldaten sollen afghanische Sicherheitskräfte ausbilden und beraten - und dafür bleiben sie weiterhin auf einheimische Dolmetscher angewiesen. Der Bundeswehr zufolge können die afghanischen Ortskräfte bei der NATO-Nachfolgemission die Ausreise beantragen, wenn sie bedroht werden. Doch viele Ortskräfte könnten die Regelung nicht nachvollziehen, kritisiert Bernd Mesovic von der Menschenrechtsorganisation ProAsyl: "Die Antragsteller sind zunehmend verunsichert, weil einige von ihnen nach unklaren Kriterien in Deutschland aufgenommen werden, aber andere nicht, obwohl sie sich in einer ähnlichen Situation befanden."

Deutsche Soldaten verlassen Kundus
Die deutschen Soldaten haben das Feldlager in Kundus im Oktober 2013 verlassenBild: picture-alliance/dpa/Bundeswehr

Etwa die Hälfte der Afghanen, die bislang eine Zusage erhielten, sind mittlerweile nach Deutschland gekommen - teilweise mit ihren Familien. Aliullah musste alleine reisen. Zum ersten Mal überhaupt hat er Afghanistan verlassen - und damit auch den Kreis der Großfamilie. In Hamburg besucht er einen Sprachkurs und freut er sich über jeden neuen Kontakt, den er knüpft. Einfache Gespräche führt er längst auf Deutsch. Auch wenn ihm seine Heimat fehlt - Aliullah ist froh, dass er nicht mehr um sein Leben bangen muss.