1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikNahost

Die Katastrophe nach dem Krieg in Gaza

Andreas Gorzewski24. Dezember 2014

Im Gaza-Streifen setzt wenige Monate nach dem Krieg zwischen Israel und der Hamas der Winter ein. Das verschärft die Not zehntausender Menschen, die durch die Kämpfe Wohnung und Arbeit verloren haben.

https://p.dw.com/p/1E7T6
Palästinenser sitzen Ende August 2014 in ihrer zerstörten Wohnung (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Die vom Krieg im Sommer schwer beschädigten Straßen in Gaza standen unter Wasser. Einige Stunden Platzregen hatten Ende November ausgereicht, um Teile des dicht besiedelten Küstenstreifens zu überfluten. Tausende flohen vor den Wassermassen. "Wir mussten Schulen zur Verfügung stellen, um die Leute unterzubringen", erzählt Adnan Abu Hasna, Sprecher des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) im Gazastreifen. Dieses Szenario zeigt die Gefahr, die dem Gazastreifen in den nächsten Wochen und Monaten droht, auch wenn derzeit die Wetterlage entspannter ist.

In den kommenden Wochen dürften die Temperaturen fallen und die Regenmenge zunehmen. Dann sind auch weitere Hochwasser zu erwarten. Dadurch wird sich die humanitäre Notlage weiter zuspitzen. "Wenn es regnet, wird man wieder eine Katastrophe in Gaza erleben", sagt Abu Hasna im DW-Gespräch. Nach den Zerstörungen durch den siebenwöchigen Krieg drohten nun weitere Verwüstungen durch die Natur.

Für die Bewohner des Gaza-Streifens war der Krieg zwischen israelischer Armee und der radikalen Palästinenserorganisation Hamas im Juli und August nur der letzte in einer Reihe von Waffengängen. Doch keiner der vorherigen Kriege war so blutig und hinterließ so massive Zerstörungen. 2155 Palästinenser wurden durch israelische Angriffe getötet, mehr als 11.000 verletzt. Auf israelischer Seite starben mehr als 70 Menschen. Wohnhäuser, Schulen und die Infrastruktur in dem 360 Quadratkilometer großen Gaza-Streifen wurden von Bomben getroffen. Zehntausende wurden obdachlos und sind zusätzlich zu den Hunderttausenden von Flüchtlingen, die schon seit Jahrzehnten in kargen Behausungen leben, auf Hilfe angewiesen.

Überflutung im Gaza-Streifen im Jahr 2013 (Foto: EPA)
Bereits mehrfach in den vergangenen Jahren standen die Straßen im Gaza-Streifen unter WasserBild: picture-alliance/dpa/M. Saber

UN-Organisationen sowie private und staatliche Hilfswerke versuchen, die größte Not zu lindern. "850.000 Flüchtlinge hängen von unserer humanitären Hilfe ab", sagt Abu Hasna. Die Organisationen stellen neben Wasser und Lebensmitteln auch Gelder für die Unterbringung und für den Wiederaufbau zur Verfügung. Sie sind außerdem wichtige Arbeitgeber, da die meisten Menschen in den Orten des Gaza-Streifens kein geregeltes Einkommen haben.

Gefahr neuer Überflutungen hoch

Das Hilfswerk Oxfam International bezahlt unter anderem Arbeiter, die sich um die marode Kanalisation kümmern. "Das Überflutungsrisiko in Gaza ist sehr hoch", erklärt Arwa Mhanna, die für Oxfam in Gaza arbeitet. Das System für Trinkwasser und Abwasser sei völlig überfordert. Zum einen seien Leitungen im Krieg zerstört worden, zum anderen komme durch die jahrelange israelische Blockade kaum Baumetarial und technisches Gerät in das Gebiet.

Auch die Stromversorgung, an der viele Heizungen hängen, bricht laufend zusammen. Das einzige Kraftwerk im Gaza-Streifen wurde von Bomben schwer getroffen. Seit November arbeitet es laut der Oxfam-Sprecherin immerhin wieder mit halber Kraft. "Die Stromausfälle gingen von 18 auf 12 Stunden am Tag zurück", sagt Mhanna. Die 1,8 Millionen Menschen im Gaza-Streifen haben weiter nur die Hälfte des Tages Strom, obwohl gerade im Winter der Energiebedarf wieder zunimmt. "Das betrifft nicht nur die Haushalte, sondern auch die Gesundheitsversorgung, das Wassersystem und die Kläranlagen", zählt die Oxfam-Mitarbeiterin auf.

Kinder spielen im Oktober 2014 neben einem zerstörten Haus in Gaza-Stadt. (Foto: APA)
Zehntausende Wohnungen und Unterkünfte wurden in dem 50 Tage langen Krieg im Sommer zerstörtBild: picture-alliance/dpa

UNRWA benötigt mehr Geld

Für die nötigen Hilfen fehlt jedoch das Geld. Die UNRWA richtete Mitte Dezember einen dringenden Appell an die Weltgemeinschaft, mehr für die Palästinenser zu tun. "Ab Januar haben wir kein Geld mehr, um Mietzuschüsse zu zahlen und die Reparatur von Zehntausenden von Unterkünften zu finanzieren", klagt UNWRA-Sprecher Abu Hasna. Allein für die Unterbringung der Flüchtlinge seien weitere 624 Millionen Dollar nötig, weil 96.000 Unterkünfte beschädigt seien. "Wir haben aktuell 18.000 Menschen ohne Obdach in unsere Schulen untergebracht", führt Abu Hasna aus.

Doch selbst wenn mehr Finanzmittel vorhanden wären, ließe sich die Not nicht schnell lindern. Baumaterial kommt nicht in der benötigten Menge in den abgeschotteten Gaza-Streifen hinein. Dazu müssen jeweils UN-Organisationen, palästinensische Autonomiebehörde, Hamas und die israelische Regierung zusammenwirken. Israel kontrolliert die Waren, die in das Gebiet hineingelangen, ebenso wie die Ausfuhren von dort. Weil Gaza keinen eigenen Hafen oder Flughafen hat, ist es auf den Grenzübergang nach Israel angewiesen. Die Grenze zu Ägypten ist wegen der schlechten Sicherheitslage auf der Sinai-Halbinsel meist geschlossen.

Die Menschen in Gaza seien angesichts von Not, Zerstörung und Arbeitslosigkeit ohne Hoffnung, beschreibt Abu Hasna die Stimmung. Es gebe viel Wut. "Da staut sich viel negative Energie in Gaza an", sagt der UNRWA-Sprecher. "Wir fürchten, dass das zu neuer Gewalt führen wird, wenn sich die Lage nicht verbessert."