Die Kriegsverbrecher-WG
33 ehemalige Diktatoren, Warlords und Massenmörder sitzen im UN-Gefängnis in Den Haag. Vor zehn Jahren zog der erste Häftling des Internationalen Strafgerichtshofs dort ein.
Erster Gefangener
Der kongolesische Rebellenführer Thomas Lubanga Dyilo, angeklagt wegen der Anwerbung von Kindersoldaten, wurde am 17. März 2006 als erster Gefangener dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellt. Das Gericht erwirkte in seiner 12-jährigen Geschichte nur zwei Verurteilungen kongolesischer Kriegsherren.
Rekrutierung von Kindersoldaten
Thomas Lubanga wurde schuldig gesprochen, für seine Union Kongolesischer Patrioten (UCP) Kinder unter 15 Jahren zum Kämpfen rekrutiert zu haben, so der Vorsitzende Richter Adrian Fulford. In dem Prozess ging es um einen interethnischen Konflikt in der ostkongolesischen Provinz Ituri, bei dem zwischen 1999 und 2003 rund 60.000 Menschen getötet wurden.
Prominentester Häftling
Radovan Karadzic wollte alle Serben im auseinandergebrochenen Jugoslawien in einem Staat vereinen. Während seines Prozesses vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien sagte er, Gott selbst habe ihn als Führer auserwählt. Die mehr als 100.000 Toten und Millionen Vertriebenen im Bosnien-Krieg nannte er "bedauernswerte Begleiterscheinungen".
Rätselhaftes Verschwinden
Nach dem Krieg tauchte Karadzic für zwölf Jahre unter. Er tarnte sich mit einem langen Bart und arbeitete als Heilpraktiker. Unklar ist, warum er erst im Juli 2008 verhaftet und an das UN-Tribunal ausgeliefert werden konnte. Er besaß eine neue Identität - mit echten Ausweispapieren, ausgestellt in einer Provinzstadt.
Wohngemeinschaft mit Freunden
Karadzic (re.), sein ebenfalls vor dem UN-Tribunal stehender Militärchef Ratko Mladic (li.) und der in einer Tribunalzelle an Herzinfarkt gestorbene serbische Präsident Slobodan Milosevic galten als Dreigestirn des radikalen serbischen Nationalismus. Karadzic und Mladic sind im Den Haager UN-Gefängnis sozusagen Nachbarn - bis an ihr Lebensende? Für Karadzic wurde lebenslange Haft beantragt.
Historisches Urteil
Der liberianische Ex-Präsident Charles Taylor (1997 bis 2003) war vom UN-Sondertribunal wegen der Anstiftung und Beihilfe zu tausendfachem Mord, Folterungen und Vergewaltigungen zu 50 Jahren Haft verurteilt worden. Seine Strafe verbüßt er seit 2013 in Großbritannien. Die Verurteilung des ehemaligen Präsidenten war die erste eines Staatsoberhaupts seit den Nürnberger Prozessen.
Wahlergebnis führte zu blutigen Kämpfen
Laurent Gbagbo, dem Ex-Präsidenten der Elfenbeinküste, werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Mord, Vergewaltigung und die Verfolgung politischer Gegner zur Last gelegt. Der Streit um das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahlen 2010 führte zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Gbagbo-Anhängern und seinem Herausforderer Alassane Ouattara, der 2014 wiedergewählt wurde.
Warten auf Kenyatta
Das Verfahren gegen den angeklagten kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta (re.) war im Dezember 2014 überraschend eingestellt worden. Die Anklage wurde zurückgezogen. Das Problem: Im Lauf der Zeit hatten sich immer mehr ursprüngliche Zeugen gegen Kenyatta zurückzogen. Es wird vermutet, dass sie durch Bestechung oder Drohungen dazu gebracht wurden.
Mutmaßliche Kriegsverbrecher
84 Zellen eines Hochsicherheitstrakts haben die UN in Den Haag für ihre Gefangenen angemietet. Jeder Häftling hat eine 15 Quadratmeter große Einzelzelle. Ihnen werden Menschrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord vorgeworfen. Sie sitzen in Untersuchungshaft und warten auf ein rechtskräftiges Urteil. Das kann dauern - im Durchschnitt sieben Jahre.