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Linke macht sich Mut

Marcel Fürstenau14. Januar 2013

Beim politischen Jahresauftakt demonstrieren die Sozialisten Einigkeit und fordern eine neue Wirtschaftsordnung. Zugleich geht der bange Blick nach Niedersachsen, wo am Sonntag ein neuer Landtag gewählt wird.

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Katja Kipping, Bundesvorsitzende der Partei Die Linke, spricht am 13.01.2013 in Berlin beim "Politischen Jahresauftakt" der Partei. (Foto: Paul Zinken / dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Seit gut sieben Monaten stehen Katja Kipping (im Artikelbild) und Bernd Riexinger gemeinsam an der Spitze der Linken. Gemeinsam ist es ihnen gelungen, die heillos zerstrittene Partei zu stabilisieren. Kipping spricht von einem "reinigenden Gewitter“, nachdem die Linke auf ihrem Göttinger Parteitag im Juni 2012 kurz vor der Spaltung gestanden hatte. "Wir sind wieder da“, freut sie sich im überfüllten Saal der Berliner Volksbühne beim politischen Jahresauftakt ihrer Partei.

In Umfragen kommt Die Linke landesweit inzwischen wieder auf Werte von sechs bis neun Prozent, nachdem sie lange nur um fünf Prozent notiert worden war. Diesen Wert benötigt die Partei mindestens, um am 20. Januar bei der Landtagswahl in Niedersachsen wieder ins Parlament einzuziehen. Dort sitzt sie seit 2008. Damals schaffte die Linke mit 7,1 Prozent erstmals den Sprung in den Landtag von Hannover. Davon ist sie dieses Mal weit entfernt. Aktuellen Umfragen zufolge muss die Partei damit rechnen, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Es wäre nach Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr die dritte schwere Niederlage in Folge.

Die zwei Gesichter der Linken

In Niedersachsen geht es für die Linke rund acht Monate vor der Bundestagswahl aber um weit mehr als einen guten Jahresauftakt. Im Zentrum steht die Frage, ob sie im Westen Deutschlands noch eine Zukunft hat. Denn trotz des 2007 erfolgten Zusammenschlusses der ostdeutschen "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) und der westdeutschen "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG) zur Partei "Die Linke" handelt es sich weiterhin um eine Partei mit zwei Gesichtern: fest verankert im Osten, Randerscheinung im Westen.

Hoffnungen auf einen Politikwechsel in Deutschland werden für die Linke weiter unerfüllt bleiben. Die auf Bundesebene ebenfalls oppositionellen Sozialdemokraten und Grünen streben eine eigene Mehrheit an. Ein rot-rot-grünes Bündnis mit den Linken lehnen sie kategorisch ab. Katja Kipping ist zwar im Gegensatz zum orthodoxen Flügel ihrer Partei für Regierungsbeteiligungen offen, rechnet aber offenkundig nicht mit einem politischen Richtungswechsel: "Rot-Grün greift die soziale Schieflage nur rhetorisch an", kritisiert sie beim politischen Jahresauftakt der Linken.

Riexinger fordert "europäischen Widerstand"

Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel angeführte Regierungskoalition aus Konservativen (CDU/CSU) und Freien Demokraten (FDP) setzt aus Kippings Sicht die Politik ihres SPD-Vorgängers Gerhard Schröder fort. Die unter dem Begriff "Agenda 2010" eingeleitete Reform der Sozial- und Wirtschaftspolitik werde unter Merkel auf ganz Europa ausdehnt, sagt Kipping: "Doch sie wird wie ein Bumerang nach Deutschland zurückkommen". Die Regierung Merkel besorge "knallhart das Geschäft der Oberen, der Superreichen", rügt die Linken-Vorsitzende.

Bernd Riexinger, Bundesvorsitzender der Partei Die Linke, spricht am 13.01.2013 in Berlin. Beim "Politischen Jahresauftakt der Linken" stimmten er und weitere Vertreter der Partei die 800 Gäste auf die anstehenden Wahlen ein. Foto: Paul Zinken/dpa
Hält die Staatsschuldenkrise für einen Kampf zwischen oben und unten: Bernd Riexinger.Bild: picture-alliance/dpa

Bernd Riexinger, der sich mit Kipping den Parteivorsitz teilt, kündigt in Berlin weiteren Widerstand gegen die Politik der Bundesregierung an. Nötig sei "europäischer Widerstand gegen die Mächtigen". Ein solidarisches Europa könne nur von unten entstehen. Die Staatschuldenkrise sei keine Auseinandersetzung beispielsweise zwischen Griechen und Deutschen, sondern "zwischen oben und unten". Heftig kritisiert Riexinger die deutschen Gewerkschaften, von denen er "mehr Engagement und Solidarität für die Partner in Europa" verlangt: Deutschlands Wohlstand basiere auf Exportüberschüssen, "gestützt auf Lohndumping".

Gregor Gysi hält sich auffällig zurück

Gregor Gysi, Vorsitzender der Linken-Fraktion im Bundestag, verzichtet beim politischen Jahresauftakt auf eine Rede. Stattdessen unterhält er sich in roten Sesseln sitzend mit dem kapitalismuskritischen Filmregisseur Dieter Wedel über Kultur und Politik. So ungewöhnlich zurückhaltend Gysiys Auftritt in Berlin ist, so wichtig bleibt der knapp 65-Jährige nach wie vor für seine Partei. Mit ihm an der Spitze wird die Linke in den Bundestagswahlkampf ziehen. Allerdings stellt Partei-Chef Riexinger klar: "Die Zeit einsamer Häuptlinge und Entscheidungen ist vorbei. Die SpitzenkandidatInnen werden im Parteivorstand nominiert, nirgendwo sonst."

Seit längerem wird darüber spekuliert, dass auch Sarah Wagenknecht eine wichtige Rolle im Wahlkampf übernehmen soll. Das Verhältnis der früheren Vorsitzenden der Kommunistischen Plattform zu Gysi gilt seit langem als schwierig. Wagenknechts Lebensgefährte Oskar Lafontaine verweist auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit in den Ländern Südeuropas. In Griechenland und Spanien suche jeder zweiten einen Job. Sie hätten keine Arbeit und keine Ausbildung, das heißt keine Perspektive, sagt der ehemalige Parteichef der Linken.

"Hoch lebe die internationale Solidarität"

"Die Politik muss durch eine andere Wirtschaftsordnung abgelöst werden", schlussfolgert Lafontaine aus der europäischen Schuldenkrise: "Wir müssen das Vertrauen der Menschen in Europa wiedergewinnen, nicht das Vertrauen der Märkte." Es gehe darum, die Finanzmärkte "an die Kette zu legen".

Die Vorsitzenden der Partei Die Linke, Katja Kipping (l.) und Bernd Riexinger beim Gedenken für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht (Foto: dpa)
Die Parteispitze schreitet voran: Kipping und Riexinger beim Gedenken für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.Bild: picture-alliance/dpa

Kurz vor dem Ende der Veranstaltung kommt so richtig Stimmung auf in der Berliner Volksbühne. "Hoch die internationale Solidarität" skandieren die rund 1000 Besucher der Veranstaltung, nachdem der griechische Oppositionsführer Alexis Tsipras gesprochen hat. Der Sozialist ist seit Jahren Stammgast auf Veranstaltungen der Linken. Am Vormittag hatte er gemeinsam mit Spitzenpolitikern seiner deutschen Schwesterpartei an der traditionellen Kundgebung für die 1919 von rechtsextremen paramilitärischen Einheiten ermordeten Kommunistenführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht teilgenommen.