Die Macht in der Hosentasche
13. Juni 2016"Wer in den USA Senator werden möchte, der braucht mehrere hunderttausend Dollar auf der Bank", sagt Mark Schmitt, Direktor der Abteilung für politische Reformen beim Think Tank New America. "Die Eliten, die das Geld haben, an einem Wahlkampf teilzunehmen, sind sogar kleiner geworden", ergänzt Sheila Krumholz, Direktorin beim Zentrum für verantwortungsvolle Politik. Diese Zitate stammen aus dem Film "Power in our Pockets - Social Media, Money and Politics in the Digital Age".
Die Filmautoren machen sich auf die Suche nach Lösungen für dieses Problem. Dafür reisen sie nach Indonesien, Spanien und in die USA. Hinter dem Film-Projekt steht die internationale Organisation Idea mit Sitz in Stockholm. Selbstgestecktes Ziel ist es, Wissen für Wahlprozesse weltweit zur Verfügung zu stellen. Im Film verarbeiten die Organisation einige ihrer Erfahrungen.
In Bonn fand jetzt die Europapremiere der 20-minütigen Dokumentation auf dem diesjährigen Global Media Forum statt. "Der Film ist wichtig, weil er zeigt, dass der Zugang zu Demokratie durch Geld bestimmt wird", sagt Yves Leterme, ehemaliger belgischer Ministerpräsident und Generalsekretär, der zur Europapremiere persönlich erschienen ist. "Neue digitale Technologien bieten ganz neue Chancen, bergen aber auch Risiken", so Leterme.
Radikale Transparenz
Der Film allerdings widmet sich eher den Chancen. So zeigt er am Beispiel der neuen spanischen Partei Podemos, wie der digitale Wandel den Sprung von einer Bewegung zur Partei ermöglicht hat. Wahlkampfgelder werden in Spanien zum größten Teil proportional zum letzten Wahlergebnis vom Staat zur Verfügung gestellt. Kleine und neue Parteien haben deshalb eigentlich kaum Chancen auf Erfolg. Doch Podemos startete eine Crowdfunding-Aktion und sammelte bei den meist jungen Wählern Geld ein. Auch sogenannte Mikrokredite ermöglichten den Zugang zu Wahlkampfgeldern. Dabei leihen Wähler der Partei Geld, das bei Wahlerfolg zurückgezahlt wird.
Was mit den Geldern geschieht, ist für alle nachvollziehbar: "Wir setzen auf eine radikale Transparenz", so Jorge Moruno von Podemos. Jeder Cent sei dokumentiert. Die Strategie hatte Erfolg: Bei den Parlamentswahlen 2015 wurde Podemos mit über 20 Prozent drittstärkste Kraft.
Mehr Kontrolle durch Technik
"Die Menschen hatten Angst vor Manipulation", sagt der indonesische Politikwissenschaftler Philips Vermonte in Bezug auf die vergangenen Präsidentschaftswahlen. Einen Monat hätte die Wahlkommission zur Auszählung der Stimmen gebraucht. "Das Internet hat uns gerettet", so Vermonte. Die Kommission hatte die ersten Auswertungen von den mehr als 400.000 Wahlstationen des Landes ins Netz gestellt." Schon bald bildete sich im Netz eine Gruppe. Auf der Internetseite KawalPemilu.org - übersetzt "bewache die Wahlen" - organisierten sich junge Indonesier und rechneten die Ergebnisse zusammen. "Technik hat das Zusammenspiel zwischen Wählern und den Regierenden fundamental verändert", kommentiert einer der Filmprotagonisten.
Soziale Medien entscheidend wichtig
Vor allem sozialen Medien wie Facebook, Twitter, Tumblr und Instagramm spielten bei Wahlkampagnen eine immer größere Rolle. Als Beispiel fügen die Filmautoren Barack Obamas Wahlkampf 2008 und 2012 an. Eine Milliarde Dollar habe Obama in den beiden Kampagnen über das Internet gesammelt, so Joe Respars, Chef der Digitalstrategie von Obama. Anreize wie "Spende und gewinne ein Abendessen mit Obama" gehörten ebenso zur Erfolgsstrategie wie eine einfache Navigation zu einem Geldbeitrag. "Die Menschen sind bereit zu spenden, aber die Technik muss das auch möglich machen." Obamas Kampagnen gelten heute vielen Kandidaten weltweit als Vorbild.
Einfluss auf die Qualität von Demokratie?
Die sozialen Medien ermöglichen eine bessere Teilnahme und Kontrolle von Wahlen. Doch verbessern sie dadurch auch die Qualität von Demokratie? Diese Frage stellt der Film ganz am Ende. Denn gerade in sozialen Medien interagierten wir nur mit Freunden. Den Filter, was wir lesen, glauben und wen wir am Ende wählen, den setzt jeder selbst. "Das Internet ist das, was wir daraus machen", heißt es dann auch in der letzten Filmszene.
Genau in diese Richtung gingen auch die Fragen der Zuschauer bei der Europapremiere von "Power in our Pockets". Was geschieht, wenn Technik von Diktatoren gesteuert wird? Und was kann man der Polarisierung in den sozialen Medien entgegenhalten? Sahlim Charles aus Kenia erzählt von den Erfahrungen aus seinem Land. "Auf eine gewisse Art und Weise trennt uns die Technik auch wieder". So seien vor allem die Menschen auf dem Land ohne Internetanschluss häufig von Prozessen in den sozialen Netzwerken ausgeschlossen. Fragen auf diese Antworten gab der Film nicht. Aus diesem Grund wolle sich Idea in den nächsten Studien auch verstärkt mit den negativen Folgen von Technik auf Wahlen beschäftigen, so Seema Shah, die bei der Orgabisation den Zusammenhang zwischen Medien und Wahlen beobachtet.