Netzpolitik für Politiker
20. Juni 2013"Ich freue mich auf einen großartigen Fußballabend. Eines ist sicher: Deutschland gewinnt. Und das ist gut." Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel Spaß am Fußball hat, ist bekannt. So wurde sie auch beim Champions League-Finale zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund gesichtet. Und wenn es um Fußball geht, dann begibt sich Angela Merkel höchstpersönlich auch dorthin, wo sie sonst nicht so oft zu finden ist: ins soziale Netzwerk, das Zuhause der digitalisierten Gesellschaft.
Ob als CDU-Chefin oder Kanzlerin - in beiden Positionen wird Angela Merkel auf ihrem Weg ins digitale Leben begleitet. Auf Facebook vom Presseteam der CDU-Bundesgeschäftstelle, auf Twitter von ihrem engen Vertrauten, Regierungssprecher Steffen Seibert.
Dass Angela Merkel eher selten persönlich im Netz auftritt, ist "eine reine Zeitfrage", erklärt Axel Bäumer aus dem CDU-Presseteam. "Bei so einem engen Terminplan ist es ihr kaum möglich, auch noch ständig online zu sein." Dennoch sei sie stark an der Netzwelt interessiert und diese Themen seien auch für die Christdemokraten zunehmend wichtiger geworden.
"Das ist kein Neuland für uns", so Bäumer, und natürlich werde die Digitalisierung der Gesellschaft im Regierungsprogramm der CDU auch Raum einnehmen.
Die Bundeskanzlerin lässt twittern
Steffen Seibert (52) ist Journalist und ehemaliger TV-Moderator. Als Regierungssprecher betreibt er den Twitterkanal @RegSprecher. Er hält die Twittergemeinde im Namen der Bundesregierung, also auch der Regierungschefin, auf dem Laufenden, mit vier bis fünf Tweets am Tag, über Termine, Gesetzesentwürfe oder Entscheidungen im Bundestag. Der Kanal hat inzwischen gut 100.500 Follower.
Im Mai 2012 war Steffen Seibert auf der Bloggerkonferenz re:publica zu Gast und erzählte seinem Publikum, warum er im Namen der Regierung twittert: "Durch Twitter ist ein neuer Kommunikationskanal hinzu gekommen. Alle twittern, das Weiße Haus, der Élysée-Palast, Downing Street, der Kreml, sogar der Vatikan." Das müsse die Bundesregierung auch machen, hatte er sich Anfang 2011 gesagt, besprach das mit der Kanzlerin, die gab grünes Licht und Seibert legte los.
Seibert schwört auf Twitter als Stimmungsbarometer, und auch die Kanzlerin schätzt die Schnelligkeit, mit der Stimmungen aus dem Netz aufgefangen werden. Die beiden sind ständig im Austausch; so weiß die Kanzlerin stets Bescheid über das, was im Netz los ist.
Zielgruppe Netzgemeinde
Angela Merkel und ihr Team wissen, dass die Netzgemeinde nicht repräsentativ für die ganze Bevölkerung ist. Dazu ist sie – noch – zu klein. Klein, aber wichtig, meint Steffen Seibert: "Wenn es da hunderttausende von Menschen gibt, die sich in Twitter bewegen, und offensichtlich auch zum Teil für politische Inhalte empfänglich sind, dann versuche ich doch, auch an die heranzukommen."
Dabei hilft es sicher, wenn zwischen vielen offiziellen Verlautbarungen auch Tweets wie dieser erscheinen: "Glückwunsch an den FC Bayern! Und an den deutschen Fußball insgesamt, der auf die 2 Weltklasseteams Bayern + Dortmund stolz sein kann."
Auch der Herausforderer twittert - manchmal
Fußball erdet, bringt Politiker und Volk auf den gleichen Nenner. Und so lässt sich auch Angela Merkels Herausforderer, Peer Steinbrück von der SPD, beim Champions League-Finale zu mehreren Tweets hinreißen. Allerdings recht eigen: Er postet Fotos. Von sich mit Dortmund-Fanschal beim Public Viewing. Nach dem Spiel ein Bild seiner Eintrittskarte; auf der steht handschriftlich: "Tolles Finale! Aber schade für den BVB. Glückwunsch an den FC Bayern".
Diese Technik gefällt Peer Steinbrücks Netzexpertin Gesche Joost besonders: "Das fand ich ganz passend", grinst sie im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Uniprofessorin ist jüngst in Steinbrücks "Kompetenzteam" einberufen worden – dieses Team berät den Kanzlerkandidaten während des Wahlkampfs in allen wichtigen politischen Themen, zu denen für die SPD auch die Netzpolitik zählt. Auch hier hat man die Zeichen der Zeit erkannt und versucht, mit der sogenannten Netzgemeinde eine neue Wählergruppe zu erreichen. Mit Gesche Joost hat Peer Steinbrück eine Frau im Boot, die sich vehement für Netzneutralität und vernetzte Gesellschaft einsetzt.
Netzpolitik wird spannend
Gesche Joost ist Design-Professorin an der Universität der Künste in Berlin. Sie bezeichnet sich selber als "Forscherin zu Mensch-Maschine-Interaktion". Das Internet sei schon immer spannend für sie gewesen, sagt sie, "weil von Anfang an so viele positive Visionen damit verbunden waren. Man dachte schon damals, das ist jetzt der Raum für politische Teilhabe, für basisdemokratische Abstimmung, jeder kann sich dort entfalten. Und das ist das, was sich heute langsam erfüllt. Und wir müssen nun sicherstellen, dass dafür auch die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden."
Dass Steinbrück für dieses Thema tatsächlich ein eigenes Ressort für netzpolitische Fragen geschaffen habe, das findet die 39-Jährige "enorm", das sei ein ganz wichtiges Zeichen nach außen und nach innen.
Natürlich bleibt es abzuwarten wie die Bundestagswahl ausfällt, genau so wenig ist klar, ob es für netzpolitische Fragen ein eigenes Ministerium geben wird. Gesche Joost will stark dafür eintreten, dass das Thema präsent bleibt. "Und wenn es da irgendwas mitzumachen gibt, dann bin ich natürlich dabei."