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Die Russen erwarten zu viel von Putin

17. November 2011

Einer repräsentativen Umfrage zufolge erwarten viele Russen von einem Präsidenten Putin eine Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland und der EU. Ingo Mannteufel ist da weniger optimistisch.

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Bild: DW

Als Ende September Dmitri Medwedew und Wladimir Putin die Absicht bekannt gaben, ihre politischen Rollen im nächsten Jahr zu tauschen, schwankten die Reaktionen in Deutschland und Europa zwischen politischer Korrektheit und Kritik. Denn die Wahrnehmung von Putin in der europäischen Öffentlichkeit ist eher mit negativen Attributen verknüpft. Dass Deutschland dabei keine Ausnahme ist, haben die Querelen um die geplante Verleihung des deutschen Quadriga-Preises an Putin in diesem Sommer gezeigt.

Keine Verschlechterung, aber Verbesserung?

Umso erstaunlicher sind die Ergebnisse des im Oktober in Russland erhobenen DW-Trends: Denn 38 Prozent der Russen erwarten unter einer möglichen Präsidentschaft von Wladimir Putin eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Deutschland und Russland. Und sogar 40 Prozent erwarten bessere Beziehungen zur Europäischen Union. Nur fünf Prozent bzw. sieben Prozent befürchten eine Verschlechterung.

Ingo Mannteufel ist Leiter der Russischen Redaktion der Deutschen Welle (Foto: DW)
Ingo Mannteufel ist Leiter der Russischen Redaktion der Deutschen WelleBild: DW

Sicherlich: Für eine deutliche Verschlechterung in den Beziehungen Russlands mit der Europäischen Union und vor allem mit Deutschland gibt es keinen Grund. An Putin in seiner neuen alten Rolle wird man sich in der westlichen Politik schnell wieder gewöhnen. Und solange Putin als Präsident nicht auf einen Konfrontationskurs mit dem Westen setzt, ist davon auszugehen, dass sich das bisherige Verhältnis nicht wesentlich verändert. Insbesondere in Wirtschafts- und Energiefragen hat sich im vergangenen Jahrzehnt eine für beide Seiten nützliche und gewinnbringende Partnerschaft entwickelt. Die Anfang November in Betrieb genommene Nord-Stream-Pipeline ist dafür das deutlichste Symbol.

Der Faktor Putin

Doch es stellt sich die Frage, warum gerade Putin als Präsident den Beziehungen mit Europa und Deutschland einen neuen Schwung geben sollte. Viele Europäer sahen eher Dmitri Medwedew als Verfechter europäischer Werte in Russland und als Politiker, der Russland näher an Europa heranführen würde. Von Putin wird das in der europäischen Öffentlichkeit weniger erwartet. Erst recht, weil Putin als Mann gilt, der gerne als Jäger oder Judoka seine Männlichkeit zur Schau stellt. Vor allem aber, weil er als Politiker mit inneren und äußeren Gegnern seiner Macht nicht zimperlich umgeht.

In Europa wird vielmehr befürchtet, dass es mit einem künftigen Präsidenten Putin wegen der demokratischen und rechtsstaatlichen Defizite in Russland zu Meinungsverschiedenheiten kommen könnte. Auch die manchmal deutlich abweichende russische Außenpolitik hinsichtlich Irans, Syriens oder der ehemaligen sowjetischen Republiken könnte für Streit sorgen.

Neue Ideen und Initiativen fehlen

Doch auch unabhängig von der Person Putin sind momentan keine neuen Impulse für die russisch-europäischen Beziehungen durch die geplante Machtrochade im Kreml zu erkennen. Selbstverständlich wird die Nord-Stream-Pipeline nächstes Jahr fertig gebaut, und Russland dürfte auch bis zum Jahresende Mitglied der WTO werden. Das sind alles gute Entwicklungen, aber darüber hinaus fehlt es an gemeinsamen Initiativen.

Nach einem Durchbruch in der Visumsfrage sieht es nach den jüngsten Äußerungen deutscher Politiker nicht aus. Die Perspektiven für ein neues EU-Russland-Abkommen sind ebenso trübe. Sollte die Modernisierung unter Putin nicht weiter vorankommen, wie viele Experten erwarten, werden Investitionen kleinerer und mittlerer Unternehmen aus Europa aufgrund der hohen Korruption und der mangelnden Rechtssicherheit in Russland ausbleiben. Die Wirtschaftsbeziehungen würden sich dann auf die Großunternehmen beschränken, die jetzt schon aktiv sind.

Anders als viele Russen scheinbar glauben, muss befürchtet werden, dass trotz des großen Potentials die strategische Partnerschaft Russlands mit Europa und insbesondere mit Deutschland an Kraft verliert. Gebraucht werden neue Ideen: Beispielsweise könnte sich Russland seiner Verantwortung für Europa bewusst werden und die eigenen großen Devisenreserven zusammen mit dem europäischen Rettungsschirm zur Stabilisierung des Euro nutzen. Solch ein Schritt würde sicherlich den russisch-deutschen und den russisch-europäischen Beziehungen eine neue Dynamik verleihen. Doch danach sieht es gegenwärtig bedauerlicherweise nicht aus.

Autor: Ingo Mannteufel

Redaktion: Bernd Johann