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Interview Buschkowsky

30. August 2011

Berlin-Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) zur Integrationsdebatte im DW-WORLD.DE-Interview.

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Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (l.) trifft Schüler seines Stadtteils Berlin-Neukölln (Foto: dpa)
Heinz Buschkowsky (l.) trifft Schüler seines BezirksBild: picture alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Die Integrationsdebatte, die von Thilo Sarrazin losgetreten wurde, ist nun ein Jahr her: Hat sie Ihrer Meinung nach Spuren in Deutschland hinterlassen?

Heinz Buschkowsky: Die Integrationsdebatte insgesamt ist nicht erst von Thilo Sarrazin losgetreten worden. Das haben die Soziologin Necla Kelek, die Journalistin Güner Balci, der Schriftsteller Zafer Senocak, die Jugendrichterin Kirsten Heisig, der Publizist Ralph Giordano, meine Wenigkeit und viele andere seit Jahren gemacht. Thilo Sarrazin hat mit seinen provokanten Thesen für eine Eruption gesorgt. Er hat auch dafür gesorgt, dass das Thema bis in die letzte Wohnstube getragen wurde. Das ist sicherlich sein Verdienst. Aber er hat auch polarisiert und zur Sprachlosigkeit beigetragen. Es gibt Menschen und Gruppierungen, die heute weniger miteinander reden als vor einem Jahr.

War es in der Rückschau eine notwendige Debatte?

Insgesamt denke ich, sind das Bewusstsein und die Sensibilität für Integrationsfragen gestiegen. Im gleichen Umfang jedoch nicht die Sachlichkeit der Diskussion. Insofern hat Thilo Sarrazin seinen Anteil daran, dass das Thema Integration weitaus breiter und offener öffentlich diskutiert wird als zum Beispiel vor drei Jahren. Er hat der Diskussion Schub verliehen. Ob es der Sache im gleichen Umfang förderlich war und den Erkenntnishorizont bei allen erweitert hat, würde ich offen lassen wollen.

Können Sie konkret in Ihrem Bezirk Neukölln beobachten, dass sich das Zusammenleben von Migranten und Deutschen seitdem verändert hat?

Auf das praktische Leben der Menschen hat das Buch von Thilo Sarrazin wohl eher einen geringen Einfluss. Ich kenne auch niemanden, der vor Lesen des Buches Migranten nett fand und hinterher doof. Zu beobachten ist, dass die Stimmung gereizter als früher ist. Migranten sind noch leichter beleidigt und ihre Gegner noch rigider mit wenig freundlichen Parolen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass der Anteil von Migranten an der Gesamtbevölkerung in Stadtlagen wie Neukölln immer weiter zunimmt und die angestammte deutsche Bevölkerung sich einfach überfremdet fühlt. Das rowdyhafte Verhalten von jungen migrantischen Männern tut ein Übriges. Hinzu kommt die neue Welle der einwandernden Bulgaren und Rumänen, die ebenfalls im öffentlichen Raum sichtbar sind und zum Teil äußerst aggressiv mit der einheimischen Bevölkerung umgehen. Zusammenfassend würde ich feststellen, dass die bereits verdrossenen älteren Semester sich noch tiefer eingegraben haben und die Opferrollen-Migranten ihr schweres Schicksal noch lauter beklagen. Hingegen die jungen deutschen Leute, aber auch nicht-muslimische junge Zuwanderer sehr entspannt und unbekümmert mit der Entwicklung umgehen. Das Leben im Norden Neuköllns vollzieht sich gerade dort, wo sich die Kreativen niedergelassen haben, völlig unverkrampft und gelassen. Da ist mehr Partymachen die lebenswichtige Frage.

Heinz Buschkowsky ist seit 2001 Bürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln, nachdem er das Amt bereits von 1991 bis 1992 innehatte. Seit fast 40 Jahren ist er zudem Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Buschkowsky lebt seit seiner Geburt in Neukölln, von den über 300.000 Einwohnern sind rund 120.000 Migranten. Von Buschkowsky stammt der Satz "Multikulti ist gescheitert". Auf seiner Online-Seite schreibt Buschkowsky, er widme sich der Aufgabe, für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen.

Die Fragen stellte Klaudia Prevezanos
Redaktion: Michael Borgers