Suche nach dem richtigen Weg
23. Oktober 2012Das Problem ist alt, die Versuche es zu beheben sind zahlreich. Nun soll eine umfassende und vor allem gemeinsame Lösung her, denn Gewalt unter Fußballfans will niemand. Wie dringend das Ganze ist, zeigt das jüngste Revierderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04. Bei schweren Ausschreitungen nahm die Polizei rund 180 Personen in Gewahrsam, acht Einsatzkräfte wurden verletzt. Insgesamt waren 1200 Beamte rund um den Klassiker im Einsatz. "Dortmunder und Schalker Gewalttäter haben unser Sicherheitskonzept bewusst unterlaufen. Mit Fußball-Begeisterung hat das überhaupt nichts zu tun", bilanzierte Einsatzleiter Dieter Keil.
Wachsender Druck
Nach den Vorkommnissen von Dortmund erhöht nun die Politik in der Diskussion um die Sicherheit im deutschen Fußball den Druck auf die Vereine und Verbände. Trotz der ausführlichen Gespräche im Sommer sei es offensichtlich nicht gelungen, die Gewalt in den Stadien einzudämmen, stellte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier als Vorsitzender der Innenministerkonferenz fest. "Geredet ist nun genug. Jetzt müssen Taten folgen. Das gilt auch für die Fußballverbände", sagte der CDU-Politiker in Richtung Deutsche Fußball Liga (DFL).
Nach dem Sicherheitsgipfel in Berlin und der Innenministerkonferenz hatten DFL und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ein Sicherheitskonzept erarbeitet, doch das wird immer mehr zum heißen Eisen. Denn die 36 Proficlubs hatten sich zum größten Teil kritisch über das 32-seitige Positionspapier "Sicheres Stadionerlebnis" geäußert. Verabschiedet werden sollen die Maßnahmen für die neue Saison eigentlich bei der Vollversammlung am 12. Dezember 2012. Doch ob der Zeitplan eingehalten werden kann, wird immer fraglicher.
Bedenken der Vereine
Das Konzept bislang abgelehnt haben der VfL Wolfsburg, Hertha BSC, der 1. FC Union Berlin, der FC St. Pauli und Fortuna Düsseldorf. Viele Clubs wollen sich nicht in der Öffentlichkeit äußern, um nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen. Manche wie der FSV Mainz 05, 1899 Hoffenheim und der 1. FC Nürnberg haben um eine Fristverlängerung gebeten. 1860 München regte ein Arbeitstreffen an, an dem je ein Club- sowie ein Fan-Repräsentant teilnehmen soll.
Von Seiten der Wolfsburger hieß es beispielsweise: Große Inhalte seien "rechtlich bedenklich, unverhältnismäßig, praxisfern und damit nicht Ziel führend". Wenn das Positionspapier ohne Dialog mit den Fans umgesetzt werde, "befürchten wir einen unbedingt zu vermeidenden Anstieg von Gewalt sowie ein stark vermehrtes Abbrennen von Pyrotechnik in den Bundesliga-Stadien." Bedenken äußerte auch der 1. FC Köln. "Bei allen positiven Ansätzen in dem Papier scheint uns der Fokus zu sehr auf Sanktionsmaßnahmen zu liegen und weniger auf den Dialogthemen", heißt es in einer Erklärung des Zweitligisten.
Drohungen der Politik
Eine Reaktion von Seiten der Politik ließ nicht lange auf sich warten. So mahnte Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) die Vereine zur Kooperation: "Verschiedene Proficlubs senden derzeit mit ihrer Skepsis gegenüber dem Sicherheitskonzept von DFB und DFL die falschen Signale an ihre Fans. Anstatt das Sicherheitskonzept kategorisch abzulehnen, sind die Verantwortlichen aufgerufen, konstruktive Vorschläge zu machen, um das Konzept weiter zu entwickeln und damit gemeinsam zum Erfolg zu führen."
Innenminister Caffier beklagte, dass der konsequente Ausschluss von gewaltbereiten Fans für viele Fußball-Verantwortliche immer noch kein Thema sei. Vereine und Verbände lehnten technische Möglichkeiten zur Gewaltprävention ab, etwa die Personalisierung von Eintrittskarten. "Erreichen wir in absehbarer Zeit über diese Punkte keinen Konsens, sehen wir als verantwortliche Innenminister und -senatoren keinen Grund mehr, auf eine Kostenerstattung für Polizeieinsätze in Stadien zu verzichten", drohte Caffier. Aufgrund der Mehreinnahmen durch die Vermarktung von Fernsehübertragungsrechten seien DFB und DFL in der Lage, die Präventionskosten in der 1. bis 3. Liga selbst zu tragen.
Kompromiss der DFL
Nun ist die DFL am Zug. Der Verband plant für die kommenden Wochen umfassende Maßnahmen, um ihr in die Kritik geratenes Sicherheitskonzept vor dem Scheitern zu bewahren. Dazu wird sich die DFL-Sicherheitskommission mit den Fan- und Sicherheitsberatern der Klubs sowie Fanvertretern treffen. Zudem wird es noch vor der entscheidenden Liga-Vollversammlung am 12. Dezember eine Informationsveranstaltung für die 36 Profi-Vereine geben. Dort soll ein Zwischenbericht zu möglichen Überarbeitungen des Konzepts vorgelegt werden.
Damit will die DFL verhindern, dass das Sicherheitskonzept bei der Vollversammlung abgelehnt wird. Sollte dies geschehen, könnte das Heft des Handelns bei der Gewalt-Problematik rund um den Fußball von der Politik übernommen werden. Das möchte der Verband unter allen Umständen vermeiden.