Die Traumtänzer
28. Januar 2015Es soll alles ganz anders werden bei der Deutschen Bank - so viel lassen die beiden Vorstände des Instituts, Jürgen Fitschen und Anshu Jain, schon seit Monaten in die Öffentlichkeit streuen. Nur was und wie alles anders werden soll, wie die künftige Strategie der Bank aussehen soll, das werden Mitarbeiter, Aktionäre und die Öffentlichkeit frühestens im zweiten Quartal erfahren.
Bis dahin aber ist Zurückhaltung angesagt - selbst die für Donnerstag (29.01.2015) geplante traditionelle Bilanzpressekonferenz in Frankfurt ist abgesagt. Stattdessen gibt es nur vorläufige Geschäftszahlen - und die werden aller Voraussicht nach sehr mager ausfallen. Experten vermuten, dass die Deutsche Bank im vierten Quartal sogar einen Verlust gemacht hat. Manche sprechen von bis zu 180 Millionen Euro.
Klar ist: Die maue Konjunktur, Niedrigstzinsen und schärfere Vorschriften der Regulierer machen allen Banken zu schaffen. Nur: Bei der Deutschen Bank schaut man genauer hin, denn sie hat den Anspruch, zu den führenden Geldhäusern der Welt zu zählen. Wer solche Ambitionen hat, darf sich keine Blößen geben.
Unkalkulierbare Rechtsrisiken
Davon aber gab und gibt es genug bei der Deutschen Bank. Fast unkalkulierbar ist, wieviel Geld für Rechtsstreitigkeiten Jain und Fitschen zur Seite legen mussten. Allein die Affäre um manipulierte Zinsen- der so genannte Libor-Skandal - hat die Frankfurter Banker bislang 725 Millionen Euro Geldbuße gekostet, zahlbar an die EU-Kommission. Doch dieser Betrag könnte sich noch einmal vervielfachen, denn auch die Behörden in den USA und in Großbritannien ermitteln im Libor-Skandal gegen die Deutsche Bank.
Die US-Rivalen laufen unterdessen den Frankfurtern davon. So hat der amerikanische Branchenprimus JP Morgan Chase beispielsweise für 2014 einen Nettogewinn von 22 Milliarden Dollar, also etwa 19 Milliarden Euro ausgewiesen, ein neuer Rekord. Der Deutschen Bank trauen Analysten im Gesamtjahr nur einen Überschuss von einer Milliarde Euro zu.
Investmentbanking schwächelt weltweit
Die jüngsten Zahlen der US-Häuser zeigen zudem: Die Deutsche Bank kann sich auf ihr Kerngeschäft, das Investmentbanking, nicht mehr blind verlassen. Vor allem in ihrer Domäne, dem Anleihehandel, haben sich die Geschäfte zum Jahresende nicht nachhaltig belebt - im Gegenteil. Fast alle Großbanken wiesen zuletzt rückläufige Einnahmen im Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren, Devisen und Rohstoffen aus. Warum sollte die Deutsche Bank da eine Ausnahme machen?
Jain und Fitschen, die bei Amtsantritt noch von einer neuen Ethik sprachen und den Ruf der Finanzjongleure aufpolieren wollten, müssen sich nun überlegen, wie und in welcher Form man wieder in die Spitzengruppe der Bankenwelt vorstoßen kann. Ein Team um den Strategievorstand Stefan Krause soll spätestens zur Hauptversammlung im Mai Ideen liefern.
Es gebe keine Tabus und keine Denkverbote, hieß es dazu - was für erhebliche Unruhe bei den Mitarbeitern gesorgt hat. Wird die Postbank doch wieder verkauft? Oder sogar das ganze Privatkundengeschäft? Wirft man das Prinzip der Universalbank über Bord und mutiert zur reinen Investmentbank? Möglich wäre es. Denn eine Universalbank mit ihrer breiten Aufstellung gilt zwar als recht krisenfest - doch das Geschäftsmodell wird immer teurer, seitdem die Regulierer weltweit die Kapitalauflagen verschärft haben.
Bleibt die Universalbank?
Anshu Jain scheint sich dagegen schon festgelegt zu haben. "Wir gehören zu einer vom Aussterben bedrohten Art in Europa", scherzte er auf einer Bankentagung im vergangenen September. Nachdem sich Schweizer und britische Institute aus einzelnen Sparten zurückgezogen haben, tummeln sich nur noch wenige Häuser auf allen Feldern des Kredit- und Kapitalmarktgeschäfts. "Wir sind groß, komplex und global", sagte Jain, "in einer Zeit, in der alle klein, einfach und regional bevorzugen."
Dennoch seien Universalbanken für die Wirtschaft unverzichtbar, argumentierte Jain. Gerade für international agierende Unternehmen wäre es aus seiner Sicht ein großer Nachteil, wenn es keine Bank mehr gebe, die in zahlreichen Ländern alles aus einer Hand anbieten könne. Deshalb, so sein Credo, brauche Europa neben Regional- und Spezialbanken eben auch eine Universalbank wie sein Institut. Und auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos schob er nach: "Wir sind eine globale Multi-Produkt-Bank geworden, weil die Kunden genau das wollen."
Kritiker halten dem Führungsduo der Deutschen Bank allerdings vor, für ein globales Universalbankengeschäft viel zu klein zu sein und nicht genug personelle Ressourcen zu besitzen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen eben weit auseinander. Das sieht man vor allem, wenn man den Börsenwert der großen Universalbanken vergleicht. Da kommt Branchenprimus JP Morgan Chase auf rund 170 Milliarden Euro. Um auch nur in die Nähe dieser Gipfelregion zu kommen, müsste sich der Wert der Deutsche-Bank-Aktie mindestens vervierfachen, denn der liegt zur Zeit bei rund 35 Milliarden Euro.