Beziehungen USA-Pakistan nach bin Laden
17. Mai 2011Ungleicher können Bündnispartner nicht sein, doch der eine kann nicht ohne den anderen. Die globale Supermacht USA ist im Kampf gegen den Terror auf die fragile, islamische Republik Pakistan angewiesen. Die wichtigsten Nachschubrouten für die NATO-Soldaten in Afghanistan führen durch Pakistan.
Nicht mit und nicht ohne einander
Nicht nur Amerika, der Westen als Ganzes hängt im Kampf gegen den militanten, islamischen Extremismus vom Willen und von der Kooperationsbereitschaft Pakistans ab. Von den Attentätern von Madrid (2004) und London (2005) führten Spuren ins afghanisch-pakistanische Grenzgebiet. Auch selbsternannte Dschihadisten aus Deutschland haben in Ausbildungslagern im unzugänglichen, pakistanischen Stammesgebiet gelernt, wie man Bomben baut und Anschläge plant.
Außerdem wird Pakistan in absehbarer Zeit vermutlich Frankreich als viertgrößte Atommacht der Welt ablösen. Die Sicherheit der pakistanischen Atomwaffen vor unerwünschten Zugriffen ist für den Westen von größtem strategischem Interesse.
Umgekehrt wäre das wirtschaftlich schwer angeschlagene Pakistan ohne die US-Milliarden pleite. Pakistan und seine Entwicklung hängen am finanziellen Tropf. Ohne die militärische Hilfe des Westens wäre das pakistanische Militär weniger gut ausgerüstet. Pakistan braucht den Zuspruch des Westens, wenn es in der anhaltenden Auseinandersetzung gegen den Erzrivalen Indien bestehen will. Das Land kann sich einen Bruch des Bündnisses und eine daraus resultierende Isolation durch den Westen nicht leisten.
Großes Misstrauen und verletzter Stolz
Das ist die komplizierte Ausgangslage, vor der sich die laufenden diplomatischen Bemühungen seit dem geheimen US-Kommandoeinsatz gegen Al Kaida-Chef Osama Bin Laden in Abbottabad abspielen.
Die USA verlangen Antworten und wollen wissen, wie es möglich war, dass Bin Laden und seine Familie jahrelang unbehelligt in einer pakistanischen Garnisonsstadt leben konnten, die gleichzeitig die wichtigste Militärakademie des Landes beherbergt. Es herrscht die weitverbreitete Meinung vor, dass Bin Laden mächtige und willige Helfer gehabt haben muss. Washington droht offen damit, einen Teil seiner Milliardenhilfen einzufrieren, wenn der Bündnispartner keine zufriedenstellenden Antworten liefert. Auch die Tatsache, dass Pakistan nachweislich weiter atomar aufrüstet, erhitzt die Gemüter in den USA. Im Senat sind seit der Tötung Bin Ladens am 2. Mai parteiübergreifend Stimmen laut geworden, die bezweifeln, dass Pakistan als Bündnispartner taugt.
Die politische und militärische Führung Pakistans wiederum hat sich zutiefst erbost darüber gezeigt, dass sie bei der Planung und Durchführung der tödlichen US-Kommandoaktion gegen den Al Kaida-Führer komplett übergangen wurde. Pakistan fühlt sich in seinen Hoheitsrechten beschnitten. Hinzu kommt der verletzte Stolz, weil aus Washington nach dem Einsatz in Abbottabad immer wieder zu hören war, dass man einem Partner wie Pakistan nicht trauen könne.
Am Samstagmorgen (14. 05.) schließlich hat auch das Parlament in Islamabad nach einer Nachtsitzung den geheimen US-Einsatz als schwere Verletzung der pakistanischen Souveränität gegeißelt und den Westen gleichzeitig aufgefordert, "die inakzeptablen Drohnen-Angriffe" in den Stammesgebieten entlang der pakistanisch-afghanischen Grenze einzustellen. Ansonsten könne Pakistan den Nachschub für die NATO-Truppen in Afghanistan unterbrechen. Das ist schon einmal passiert nach einem tödlichen Drohnenangriff, bei dem vor allem Zivilisten ums Leben gekommen waren.
Eine Erklärung, um das Gesicht zu wahren
Vor diesem Hintergrund ist John Kerry, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im US-Senat, als Emissär der Obama-Regierung nach Islamabad gereist. Dort hat er am Montag (16.05) Gespräche mit Präsident Zardari, Premierminister Gilani und Armeechef Kayani geführt. Vor allem die Personalie Kayani ist dabei wichtig, weil das pakistanische Militär bei der Außenpolitik den Ton angibt. Herausgekommen ist am Ende eine in dieser Form unübliche gemeinsame Erklärung. Darin heißt es zum Beispiel ganz offiziell, dass die strikte Geheimhaltung der Kommandoaktion ausschließlich dem Erfolg der Operation geschuldet gewesen und kein Misstrauensvotum gegen die Führung Pakistans gewesen sei.
Senator Kerry betone, heißt es in der gemeinsamen Erklärung weiter, dass es an der Zeit sei, in den gemeinsamen Beziehungen den "reset button" zu drücken. Man müsse gemeinsam "für eine höchst effektive Zusammenarbeit" im Kampf gegen den Terrorismus sorgen. Danach betonen dann beide Seiten, dass das im "gegenseitigen Respekt", "im gegenseitigen Vertrauen" und "im gemeinsamen Interesse" geschehen müsse.
Laut der gemeinsamen Erklärung von Islamabad haben sich beide Länder darauf geeinigt, bei "allen zukünftigen Aktionen" gegen "hochwertige Ziele" in Pakistan zusammenzuarbeiten. Die Führung Pakistans begrüßt zudem "die eindeutige Versicherung durch Senator Kerry", dass die US-Politik nichts gegen Pakistans nuklearen und strategischen Bestand im Schilde führe.
Keine Seite entschuldigt sich. Keine Seite räumt Fehler ein. Die gemeinsame Erklärung dient in erster Linie dazu, dass beide Seiten öffentlich ihr Gesicht als Partner und Verbündete wahren. Die Erklärung schließt damit, dass schon bald weitere Vertreter der US-Regierung nach Pakistan reisen werden, um den geplanten - und vorerst abgesagten - Besuch von US-Außenministerin Clinton vorzubereiten.
Der allerbeste Freund
Wie misstrauisch sich die ungleichen Partner gegenüberstehen, lässt sich eher an der täglichen Realpolitik ablesen. Premierminister Gilani ist inzwischen nach China weitergereist, wo er das Reich der Mitte noch vor Beginn der offiziellen Termine als wahren und treuen Freund in allen Lebenslagen bezeichnet hat. "Wir sind stolz darauf", so Gilani wörtlich, "dass China unser bester und vertrauenswürdigster Freund ist." Fast zeitgleich ist an diesem Dienstag (17.05) ein NATO-Hubschrauber aus Afghanistan in den pakistanischen Luftraum eingedrungen und hat bei einem Angriff zwei pakistanische Grenzsoldaten verletzt.
Gespräche mit den Taliban auch in Deutschland?
Genauso auffällig ist, dass die USA offenbar ohne Einbeziehung Pakistans direkte Sondierungsgespräche mit den Taliban führen. Das berichtet die "Washington Post" in ihrer Ausgabe vom 17. Mai 2011 unter Berufung auf einen hochrangigen afghanischen Regierungsvertreter.
Danach soll es in jüngster Zeit mehrere Gespräche im Emirat Katar und auch in Deutschland gegeben haben, das letzte sogar erst vor acht oder neun Tagen. Das kann Pakistan nicht gefallen. Pakistan sieht die afghanischen Taliban um Mullah Omar als wichtigen strategischen Verbündeten gegen Indien und will die Zukunft Afghanistans aktiv mit gestalten.
Ungleicher und misstrauischer können Bündnispartner nicht sein.
Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Esther Felden