Die Zeit wird knapp für Arcandor
6. Juni 2009Für den Touristik- und Handelskonzern Arcandor tickt die Uhr. Bis zum 12. Juni muss das Unternehmen eine Lösung finden, wie es seinen Schuldenberg abtragen will. Eine schnelle Rettungsbeihilfe soll dem Konzern für die nächsten Monate Liquidität verschaffen. Am Freitag (05.06.2009) beantragte das Unternehmen einen Notkredit über 437 Millionen Euro. Ein Spitzentreffen im Bundeswirtschaftsministerium mit Vertretern von Arcandor, Eigentümern, Gläubigern, Banken und vom Metro-Konzern blieb am Nachmittag jedoch ohne Ergebnis.
Einen Kredit können Unternehmen auch unabhängig von der Finanzkrise bekommen. Allerdings sind sie verpflichtet, ihn innerhalb von sechs Monaten zurückzahlen. Wenn sie das nicht können, müssen sie einen kompletten Umstrukturierungsplan vorlegen. Es geht dann nicht mehr darum, aus einer kurzfristigen Finanzklemme heraus zu kommen, sondern um wirkliche Zukunftsstrategien, die meist mit schmerzhaften Einschnitten verbunden sind. Arcandor hofft jedoch, schnell wieder auf die Füße zu kommen – mit eben diesem Notkredit.
Seehofer macht Druck
Die EU muss kurzfristige Rettungsbeihilfen genehmigen. Doch bisher haben die EU-Wettbewerbshüter keine Anmeldung bekommen. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Arbeitnehmervertreter forderten, schnell Staatshilfen zu bewilligen. "Wir wollen für Arcandor mit seinen wesentlichen Unternehmensteilen wie Karstadt und Quelle eine tragfähige Zukunftsperspektive", hieß es am Freitag in einer Erklärung. Neben einer Rettungsbeihilfe müssten alle weiteren Optionen, insbesondere der Deutschlandfonds, weiter geprüft werden.
Hier widerspricht Seehofer allerdings dem Bundeswirtschaftsminister, Karl-Theodor zu Guttenberg, ebenfalls CSU. Guttenberg lehnt umfangreiche staatliche Hilfen aus dem sogenannten Deutschlandfonds ab. Arcandor hat Staatsbürgschaften in Höhe von 650 Millionen Euro und einen 200-Millionen-Kredit aus diesem Topf beantragt. Aber dieser Deutschlandfonds wurde ins Leben gerufen, um Firmen zu unterstützen, die allein durch die Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten sind. Und das ist bei Arcandor nicht der Fall. Der Konzern hat schon vorher in der Klemme gesteckt. Deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Bundesregierung solchen Hilfen zustimmt. Außerdem hat die EU bereits signalisiert, sie werde einer solchen Finanzspritze für Arcandor nicht zustimmen.
Kaum Chancen auf Gelder aus dem Deutschlandfonds
Guttenberg und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sind der Auffassung, bevor der Staat zur Hilfe gerufen wird, sollten zunächst die Eigentümer des Unternehmens einspringen. Großaktionäre von Arcandor sind Madeleine Schickedanz und die Privatbank Sal. Oppenheim. Beide halten jeweils etwa ein Viertel der Arcandor-Aktien.
Jetzt geht es für Arcandor vorerst darum, die nächsten Monate zu überstehen. Ein Notkredit von 437 Millionen Euro gäbe dem Konzern Zeit, zusammen mit dem Konkurrenten Metro ein sinnvolles Konzept für eine Fusion von Karstadt und Kaufhof auszuhandeln. Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick hatte sich lange geweigert, eine Fusion in Betracht zu ziehen. Doch ohne ein Zusammengehen von Kaufhof und Karstadt wären die Aussichten auf Staatshilfen noch schlechter. Metro-Chef Eckhard Cordes sagte, von 90 Karstadt-Filialen könnten 60 integriert werden. Gutachter sehen darin eine Möglichkeit, Karstadt zu retten.
Post fürchtet Einbußen
Wenn Arcandor pleite ginge, könnten auch Mitarbeiter der Deutschen Post DHL davon betroffen sein. Der Bonner Konzern erledigt für Arcandcor vor allem Dienstleistungen im Paket- und Briefgeschäft. Insgesamt 4000 Mitarbeiter der Post sind mit Arcandor-Aufträgen beschäftigt. Eine Insolvenz könnte auch sie arbeitslos machen. Selbst bei einer Fusion von Kaufhof und Karstadt sind ihre Arbeitsplätze nicht sicher. Ein anderer Logistik-Konzern könnte die Deutsche Post DHL verdrängen oder zumindest die Preise drücken.
Doch so weit soll es nicht kommen. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft Verdi wollen in der nächsten Woche in 89 Karstadt-Häusern für Staatshilfen demonstrieren. Die 32.000 Beschäftigten sind von diesem Sonntag an aufgerufen, Filialen zu besetzen oder Schaufenster als "Informationsträger in eigener Sache" zu dekorieren. (cd/mas/dpa/rtr/afp/ap)