Eurogruppe lässt Griechen abblitzen
30. Juni 2015Die Euro-Finanzminister haben die Bitte Griechenlands um Verlängerung des um Mitternacht auslaufenden Hilfsprogramms abgelehnt. Dies teilte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem am Dienstagabend mit. Damit verliert das pleitebedrohte Land endgültig den Zugriff auf Hilfsmittel von insgesamt rund 18 Milliarden Euro. Für eine erneute Verlängerung des Programms sei es zu spät, sagte Dijsselbloem.
Die Euro-Gruppe hatte nur rund eine Stunde zu dem Thema beraten. Der finnische Finanzminister Alexander Stubb erklärte über Kurnachrichtendienst Twitter, dass die Bitte des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras für neue Kredite des Euro-Rettungsfonds ESM dem normalen Verfahren folgen müsse. Der ESM vergibt Darlehen stets nur unter Auflagen.
Schäfere Bedingungen für neues Hilfsprogramm möglich
Nach Angaben Dijsselbloems wird die griechische Regierung am Mittwoch einen neuen Vorschlag übermitteln. Die Bitte um ein neues Programm werde aber erst nach dem griechischen Referendum am 05. Juli geprüft. Ein neues, drittes Hilfsprogramm könnte schärfere Bedingungen haben als das bisherige, fügte er hinzu. EU-Vertretern zufolge hat Griechenland bei der Telefonkonferenz der Euro-Gruppe Vorschläge gemacht, die näher an den Forderungen der Institutionen von EU-Kommission, EZB und IWF gelegen haben.
Griechenlands Vorschläge
Wenige Stunden davor hatte die griechische Regierung völlig überraschend einen Antrag auf neue Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM gestellt. Zudem wollte Athen das bisherige Programm "für einen kurzen Zeitraum" verlängern. Griechenland habe einen Antrag für eine über zwei Jahre laufende Vereinbarung mit dem ESM gestellt, teilte das Büro von Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras am Nachmittag mit. Durch sie solle der Finanzierungsbedarf Griechenlands "vollständig gedeckt" und Schulden "umstrukturiert" werden. Mit der Verlängerung des bisherigen Programms wollte Athen eine "technische Zahlungsunfähigkeit" vermeiden - nur wenige Stunden, bevor am Dienstag beim Internationalen Währungsfonds (IWF) eine Rückzahlungsrate von 1,5 Milliarden Euro fällig wurde.
Die Regierung hatte mitgeteilt, sie werde die Rate nicht zahlen. Athen bleibe mit dem Antrag auf weitere Hilfe trotz des für Sonntag angekündigten Referendums "am Verhandlungstisch", hieß es in der Mitteilung von Tsipras' Büro weiter. "Die griechische Regierung wird bis zum Ende versuchen, eine tragfähige Lösung innerhalb des Euro zu erzielen." Ziel der Volksabstimmung am Sonntag sei es, "eine Botschaft des 'Neins' zu einem schlechten Abkommen" zu senden.
"Keine Beratungen vor einem Referendum"
Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem setzte daraufhin für den Abend eine außerordentliche Telefonkonferenz der Euro-Finanzminister an. Von deutscher Seite wurde jedoch der Zeitpunkt des griechischen Antrages moniert: "Vor einem Referendum kann von deutscher Seite aus kein neuer Antrag beraten werden", sagte jedoch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Angaben von Teilnehmern in der Fraktionssitzung der Union. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sagte laut einem Fraktionssprecher, Deutschland sei grundsätzlich offen für eine Diskussion über ein drittes Hilfspaket. Diese Woche gehe dies aber nur, wenn das Referendum abgesagt werde. Sonst könnten die Gespräche erst nach der Volksabstimmung stattfinden.
Neue Hürden für neue Hilfen
Die Euro-Finanzminister hatten am Samstag eine nochmalige Verlängerung des bisherigen Hilfsprogramms für Griechenland abgelehnt. Sie sahen keine Verhandlungsgrundlage mehr, nachdem die linksgeführte Regierung in Athen den Hilfsplan der Gläubiger mit Spar- und Reformauflagen zurückgewiesen und dazu eine Volksabstimmung für Sonntag angesetzt hatte. Das bisherige Hilfsprogramm beim ESM-Vorgänger EFSF läuft damit am Dienstag um Mitternacht aus. Ein neues Programm muss Athen über den ESM beantragen. Dafür gibt es aus deutscher Sicht aber neue Hürden. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), verwies darauf, dass bei einem neuen Programm über den ESM gleich zweifach die Zustimmung des Bundestags nötig wäre: das erste Mal, um überhaupt ein Verhandlungsmandat zu erteilen, und das zweite Mal über die möglichen Ergebnisse.
Tsipras hat inzwischen sein politisches Schicksal mit dem Ausgang des Referendums verknüpft. Er sei kein Ministerpräsident, der unter allen Umständen im Amt bleibe, sagte er am Montagabend in einem Fernsehinterview auf die Frage nach seiner Reaktion im Fall eines "Ja"-Siegs am Sonntag. Sein Ziel sei es, durch die Ablehnung der Gläubigervorschläge bei dem Referendum "besser gewappnet für die Fortsetzung der Verhandlungen zu sein". Er werde aber die Entscheidung des Volkes akzeptieren.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schlug Tsipras in einem Telefonat am Montagabend eine "Einigung in letzter Minute" vor. Ein Kommissionssprecher sagte am Dienstag, Juncker habe deutlich gemacht, eine Übereinkunft sei weiterhin möglich. Dazu müsse sich Tsipras aber verpflichten, die Vorschläge der Gläubiger vom Freitag anzunehmen und bei der Volksabstimmung für ein "Ja" zu werben.
bri/sc (AFP/ Reuters)