Fall Litwinenko
17. Juli 2007Bei den vier Diplomaten, die aus Großbritannien ausgewiesen werden sollen, handelt es sich laut britischen Medienberichten um Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes. Die Boulevardzeitung "Daily Mirror" zitiert eine nicht näher genannte Quelle aus britischen Geheimdienstkreisen, derzufolge es sich bei den Russen um hochrangige Agenten handeln soll.
Die Maßnahme hatte der britische Außenminister David Miliband am Montag (16.07.2007) im Londoner Unterhaus angekündigt. Dies sei die "angemessene Antwort" auf die "äußerst enttäuschende" Entscheidung Russlands, den des Mordes an Alexander Litwinenko beschuldigten Ex-Agenten Andrej Lugowoi nicht nach Großbritannien auszuliefern. Das russische Außenministerium kritisierte die angekündigte Ausweisung der Diplomaten scharf.
Der russische Ex-Agent Litwinenko war im November vergangenen Jahres mit radioaktivem Polonium 210 vergiftet worden. Er starb Ende November in einem Londoner Krankenhaus.
Drohende Belastung für EU-Russland-Gespräche
Miliband erklärte, auch Verhandlungen über Visa-Erleichterungen mit Russland würden ausgesetzt, zudem gebe es Änderungen bei der Visa-Vergabe. Der Großteil der Russen werde jedoch nicht unter den geänderten Visa-Bestimmungen leiden, zitierte die Agentur Interfax einen Sprecher der britischen Botschaft in Moskau. Das System der Visa-Vergabe werde nur für diejenigen verändert, deren Anträge von der russischen Regierung gestellt werden.
Eine "Reihe von Belangen" bei der Zusammenarbeit mit Russland solle überprüft werden, kündigte Miliband weiter an. Großbritannien wolle auch mit anderen EU-Ländern darüber diskutieren, ob die britischen Anliegen in diesem Fall auch beim künftigen Dialog zwischen Russland und der EU berücksichtigt werden, so Miliband.
Russische Kommentatoren: "London doppelzüngig"
In Moskau verurteilte das russische Außenministerium die angekündigte Ausweisung seiner Diplomaten als "wohlinszenierte Aktion, die die Ermittlungen im Fall Litwinenko politisieren soll". "Die provokativen Handlungen bleiben nicht ohne Antwort und werden ernsthafte Konsequenzen für die britisch-russischen Beziehung nach sich ziehen", sagte der Sprecher des Ministeriums, Michail Kamynin, nach Angaben der Agentur Interfax.
Russische Kommentatoren warfen den Briten am Dienstag Doppelzüngigkeit vor, weil sie zahlreiche russische Auslieferungsgesuche ignoriert hätten. "Während der letzten sechs Jahre hat Moskau 21 Auslieferungsgesuche an Großbritannien gesandt, aber es wurde kein einziger Verdächtiger überstellt", klagte die Regierungszeitung "Rossiyskaja Gaseta". Unter den Gesuchten seien Mörder, Terroristen, Drogendealer und Betrüger gewesen. "Großbritannien und Russland sind in einen diplomatischen Krieg ungeahnten Ausmaßes geschliddert", hieß es in der Wirtschaftszeitung "Kommersant".
Wirtschaftsvertreter wiegeln ab
Der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, Andrej Kokoschin, sagte, die Ausweisung habe weder eine rechtliche Grundlage noch mache sie politisch Sinn. "Großbritannien wird mehr leiden als Russland", sagte Kokoschin nach Angaben der Agentur Interfax. Vor allem aus wirtschaftlicher Sicht werde Großbritannien einen großen Schaden hinnehmen müssen.
Befürchtungen, der Streit um die Litwinenko-Affäre erhöhe die Risiken für Unternehmen, seien "aus den Fingern gesogen", zitierte die Zeitung "Wremja Nowostej" am Dienstag einen Moskauer Investmentbanker. Die britisch-russische Handelskammer warnte Großbritannien vor einer Verschärfung der Visa-Bestimmungen für russische Staatsbürger. (rri)