Trump in der Echokammer
17. Mai 2017Was es dieses Mal genau ist, ist eigentlich egal. Donald Trump macht etwas oder macht etwas nicht, und die Welt hält den Atem an. "Wie kann er nur? Jetzt ist der Bogen aber endgültig überspannt, jetzt muss das längst überfällige Amtsenthebungsverfahren in Gang gebracht werden" - nahezu alltägliche Ausrufe, seit Trump im Januar sein Amt angetreten hat. Und passiert ist jedes Mal... nichts!
Auch die Berichte, Trump habe den mittlerweile geschassten FBI-Chef James Comey gebeten, Ermittlungen gegen den ebenfalls ehemaligen Sicherheitsberater Michael Flynn einzustellen, werden wohl eine Fußnote bleiben. Der Vorwurf, der Präsident habe in die Unabhängigkeit der Justiz eingegriffen, klingt schwerwiegend. Doch ein Impeachment, ein Amtsenthebungsverfahren, ist ferner, als sich das viele Trump-Gegner (gerade im Ausland) wünschen.
Parlamentswahl als Drohkulisse
Solange die Mehrheit der Abgeordneten und Senatoren der Republikanischen Partei hinter ihm steht, habe er zwar eine schlechte Presse und Häme zu befürchten, aber kein Impeachment, glaubt der Politikwissenschaftler und USA-Experte Thomas Jäger von der Uni Köln im Interview mit der Deutschen Welle: "In eineinhalb Jahren wird schon wieder gewählt (das ganze Repäsentantenhaus und ein Drittel der Senatoren) und Präsident Trump ist bei der republikanischen Wählerschaft weiterhin sehr gut angesehen. Kein Abgeordneter möchte, dass er einen Gegenkandidaten aus dem Trump-Lager in seinem Wahlkreis bekommt. Da Präsident Trump erstaunlich gut im Spendensammeln ist und über ausreichend Finanzmittel verfügt, ist das für viele eine reale Gefahr. Trump hat diese Drohung ja auch schon offen ausgesprochen. Deshalb werden sie sich derzeit nicht gegen den Präsidenten stellen."
Crister S. Garrett, Professor für Amerikanische Studien an der Universität Leipzig, sieht immerhin ein leichtes Aufbegehren bei den Republikanern: "Trump ist durchaus angefochten, immer mehr Mitglieder seiner Partei distanzieren sich vom Präsidenten." Dennoch, so Garrett im Interview mit der Deutschen Welle, seien viele Republikaner von der Aussicht auf Macht beeinflusst. Mit Trump könnten sie eine Krankenversicherungreform, eine Steuerreform und die Deregulierung der Wirtschaft durchsetzen, auch wenn sie in Detailfragen andere Vorstellungen haben als er.
Glaubwürdiger Vertreter des Rechtsrucks bei den Republikanern
Thomas Jäger hält Trump für einen "glaubwürdigen Vertreter" des Rechtsrucks bei den Republikanern: "Er treibt die Opposition gegen den 'Verrat an den USA' auf die Spitze. Die Rede bei seiner Amtseinführung war programmatisch und ist nicht überholt, auch wenn ihn die Strukturen der politischen Ordnung, die 'checks and balances', einfangen. Von diesem Widerspruch wird seine Präsidentschaft gekennzeichnet bleiben. Und die republikanische Partei hält das, teilweise durch Wegsehen, aus."
Ein Präsident, der wie ein "Teflon-Trump" wirkt, an dem alle Vorwürfe abprallen - das ginge ohne die große Unterstützung seiner Wähler nicht, so Jäger: " Ein Großteil der amerikanischen Bevölkerung sieht das eigene politische System sehr, sehr kritisch. Nur ein Fünftel ist mit der Arbeit des Kongresses zufrieden, fast 80 Prozent sehen darin eher einen Augias-Stall, der ausgemistet gehört. Das erwarten sie von Präsident Trump, deshalb haben sie ihn gewählt. Das gleiche gilt für die amerikanischen Medien, die New York Times und Washington Post, die in Europa sehr hohes Ansehen genießen, in den USA aber von einer Mehrheit als einseitige Verlautbarungsblätter angesehen werden."
Kritik an Präsident Trump bestärke viele seiner Wählerinnen und Wähler geradezu in ihrer Meinung, dass er Recht hat, so Jäger. Außerdem halte er sie mit seinen Twitter-Gewittern, über die die Medien ständig berichten, in seiner politischen Welt: "Präsident Trump kreiert eine eigene Echokammer, eine eigene Welt, in der eben anderes stimmt, als anderswo. 'Alternative Fakten' bringt das ja schön auf den Punkt. Das ist zwar Unsinn, aber doch 'Realität'."
Affektgesteuert, aggressiv, egozentrisch - seine Wähler lieben es
Dabei sei es auch Trumps Verhalten, das viele Beobachter vor Rätsel stellt, seine Anhänger dagegen beeindruckt, sagte der Psychoanalytiker Hans-Jürgen Wirth der Deutschen Welle: "Sie sind geradezu begeistert, dass Trump immer wieder aus der Rolle fällt, dass er sich nicht an die geschriebenen und die ungeschriebenen Gesetze des Politikbetriebs hält. Ob er jemals die materiellen Verbesserungen für seine Wählerschaft bewirken kann, die er im Wahlkampf versprochen hat, ist momentan noch nicht abzusehen. Das nehmen ihm seine Wähler aber bislang noch nicht übel, weil die Zeit dafür noch zu kurz war. Die Tatsache aber, dass sein Verhalten als Präsident genauso chaotisch, affektgesteuert, aggressiv und egozentrisch ist wie im Wahlkampf, ist seinen Wählern der Beweis dafür, dass er seine Versprechen hält."
Dass jegliche Kritik an Trump abprallt, hat auch mit Trumps Selbstwahrnehmung zu tun, meint Psychoanalytiker Hans-Jürgen Wirth: "Er hat seine ganz eigene Agenda und die lautet, dass er selbst das Maß aller Dinge ist. Er steht über dem Gesetz, das heißt, er glaubt, er kann Gesetze missachten und übertreten, wenn er das für richtig hält. Er ist davon überzeugt, das er als der beste, klügste und vor allem erfolgreichste Präsident Amerikas in die Geschichte eingehen wird. Diese übersteigerte Selbstgewissheit wirkt wie ein Panzer, an dem alle Kritik abprallt."
Der USA-Experte Thomas Jäger von der Uni Köln prognostiziert: "Wir werden noch viele Tage mit neuen Nachrichten über ihn aufwachen."