Donald Trump und sein Poker mit Grönland
17. Januar 2025Donald Trump will Grönland für die USA, er hält die Insel für "absolut notwendig im Interesse der nationalen Sicherheit und der Freiheit in der Welt". Als er in seiner ersten Amtszeit Grönland von Dänemark kaufen wollte, hielt das die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen einfach für "absurd". Die Sache schien erledigt.
Diesmal, noch vor seiner Vereidigung, droht Trump sogar, notfalls wirtschaftlichen oder militärischen Druck auf Dänemark auszuüben, um Grönland unter amerikanische Kontrolle zu bekommen.Das Gebiet gehört geografisch zu Nordamerika, politisch aber zu Europa. Verschiedene europäische Regierungschefs zeigten sich entsetzt über den Gedanken, das stärkste NATO-Land könne ein Territorium eines anderen NATO-Landes mit Gewalt annektieren - so wie Russlands Präsident Wladimir Putin große Teile der Ukraine erobert hat.
Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz zog diese Parallele, ohne Trump namentlich zu nennen: "Das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen gilt für jedes Land, egal ob es im Osten von uns liegt oder im Westen."
Moskau hat Trumps Drohung prompt als Rechtfertigung für sein eigenes Vorgehen in der Ukraine zu nutzen versucht. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow schlug vor, die Bevölkerung Grönlands zu befragen, zu welchem Land sie gehören wolle, und verwies auf Regionen in der Ost-Ukraine, in denen Moskau international kritisierte Referenden abgehalten hatte.
Doch die Reaktion der dänischen Regierungschefin ist diesmal überraschend versöhnlich: "Wir brauchen eine sehr enge Zusammenarbeit mit den Amerikanern. Die USA sind unser engster Verbündeter", sagte Mette Frederiksen. Sie führte nach Angaben ihres Büros inzwischen ein längeres, klärendes Telefonat mit dem angehenden US-Präsidenten über Grönland.
"Wir wollen keine Dänen sein. Wir wollen keine Amerikaner sein."
Worum geht es Trump? Ulrik Pram Gad vom Dänischen Institut für Internationale Studien in Kopenhagen erklärt das im DW-Interview mit einer Fortsetzung der sogenannten Monroe-Doktrin aus dem 19. Jahrhundert: "Die USA erlauben auf dem amerikanischen Kontinent keinen Einfluss feindlicher Mächte. Daher wollen sie sichergehen, dass es keine chinesischen oder russischen Einrichtungen in Grönland gibt."
Frederiksen hat wiederholt gesagt, die Entscheidung, zu wem die Grönländer gehören wollten, liege bei ihnen selbst und nicht in Kopenhagen.
Die Verbindungen zwischen Dänemark und Grönland bestehen seit hunderten von Jahren. Grönland war bis 1953 dänische Kolonie und ist heute ein selbstverwaltetes Territorium des Königreichs. Seit 2009 hat die Insel das Recht, sich durch ein Referendum für unabhängig zu erklären. Allerdings sind die rund 57.000 Einwohner der Insel stark von dänischen Staatsgeldern abhängig.
Der grönländische Ministerpräsident Mute Egede selbst tritt für die Unabhängigkeit ein, will aber nicht, dass Grönland anschließend von einem anderen Staat abhängig wird. "Wir wollen keine Dänen sein. Wir wollen keine Amerikaner sein. Wir wollen selbstverständlich Grönländer sein", sagte er im Beisein von Frederiksen.
Eisfreie Schifffahrt durch Klimawandel
Interessant für andere Staaten ist Grönland nicht zuletzt wegen seiner Bodenschätze. Es gibt zum Beispiel Öl, Gas und seltene Erden, die für Elektroautos und Windräder gebraucht werden und auf die China bisher nahezu ein Monopol hat.
Sie lagern zwar unter einer dicken Eisschicht, die rund 80 Prozent der Insel bedeckt. Mit dem Klimawandel geht der Eispanzer aber zurück und macht die Bodenschätze zugänglicher. Die grönländische Regierung blockiert die Förderung bisher allerdings aus Umweltgründen.
Durch steigende Temperaturen und zurückgehendes Eis können auch Schiffe die Gewässer um Grönland eher befahren. Damit wird eine viel kürzere Route von Europa nach Asien als durch den Suezkanal möglich.
Was für Handelsschiffe gilt, gilt natürlich auch für russische Kriegsschiffe und Atom-U-Boote. Russland wie auch China versuchen, ihren Einfluss in der Arktis auszubauen.
Lange Präsenz von US-Truppen in Grönland
Die USA sind bereits seit langem in Grönland präsent. Als das nationalsozialistische Deutschland 1940 Dänemark besetzte, landeten amerikanische Truppen in der damaligen dänischen Kolonie Grönland, um eine deutsche Invasion dort zu verhindern.
Bereits 1946 wollte US-Präsident Harry Truman Grönland für 100 Millionen Dollar in Gold kaufen. Dänemark lehnte ab, stimmte aber wenige Jahre später einer dauerhaften amerikanischen Militärpräsenz zu, die Teil der NATO-Verteidigungsstrategie im Kalten Krieg wurde.
Der Militärstützpunkt, heute genannt Pituffik Space Base, wurde stark ausgebaut und besitzt ein Frühwarnsystem für Raketen, da der kürzeste Weg von Europa nach Nordamerika über Grönland führt.
Warum kaufen, was man schon hat?
Ein Kauf der Insel ist weniger weit hergeholt, als es vielleicht scheint. Beispiele in der Geschichte gibt es viele. So kauften die USA im 19. Jahrhundert Florida von Spanien, Louisiana von Frankreich und Alaska von Russland. Dänemark selbst verkaufte 1917 seinen Teil der Jungferninseln in der Karibik an die USA für 25 Millionen Dollar.
Doch Grönlands Regierungschef Egede hat dem wiederholt eine Absage erteilt: "Grönland gehört uns. Wir stehen nicht zum Verkauf und werden niemals zum Verkauf stehen."
Bisher könnte Grönland das allerdings gar nicht allein entscheiden, sagt Ulrik Pram Gad. "Sollte sich Grönland für unabhängig erklären, könnten die Grönländer technisch gesehen mit ihrer Unabhängigkeit machen, was sie wollen" und sich zum Beispiel den USA anschließen. Aber: "Aus grönländischer Sicht ist das Angebot, ein souveräner Staat zu werden und dann diese Souveränität zu verkaufen, einfach lächerlich."
Vorstellbar sei zwar, dass die USA gegen Sicherheitsvereinbarungen mit einem unabhängigen Grönland jährliche Subventionen zahlen würden, die höher sein müssten als die bestehenden dänischen. "Aber warum sollte Trump, der deal maker, so viel für etwas zahlen, was er bereits hat?", fragt Pram Gad. "Seit 1951 haben die USA ein Abkommen mit Dänemark, das 2004 auch von Grönland unterzeichnet wurde, das den USA praktisch militärische Souveränität über Grönland sichert."
Trump hat schon etwas erreicht
Sollte es Trump vor allem darum gehen, dass sich Dänemark selbst mehr um die Sicherheit rund um Grönland kümmert, hätte er sein Ziel zum Teil schon erreicht: Dänemark hat zusätzliche rund 1,5 Milliarden Euro Militärausgaben für die Arktis angekündigt. Geplant war das zwar schon vorher, verkündet wurde es aber nur Stunden nach Trumps Drohung, was der dänische Verteidigungsminister eine "Ironie des Schicksals" nannte.
Die erstaunlich entgegenkommende Reaktion der dänischen Regierungschefin deutet außerdem darauf hin, dass die dänische Regierung einen Konflikt mit der NATO-Schutzmacht USA unbedingt vermeiden will.
Trump könnte auch in Grönland selbst etwas erreichen, analysiert Ulrik Pram Gad vom Dänischen Institut für Internationale Studien: "Er könnte eine formelle Sicherheitsgarantie bekommen, dass im Fall einer grönländischen Unabhängigkeit Grönland niemals die NATO verlassen oder versuchen wird, die USA zur Aufgabe ihres Militärstützpunkts Pituffik Space Base zu drängen."
Doch der dänische Politikwissenschaftler vermutet, die Angelegenheit zeige auch etwas Grundsätzliches über den künftigen US-Präsidenten, das über die Grönland-Frage hinausgeht: "Wir werden wohl in den kommenden vier Jahren immer wieder dieses Problem haben: Wann immer Donald Trump etwas sagt, laufen wir wie kopflose Hühner herum und fragen uns, was dahintersteckt. Vielleicht weiß er es selbst nicht."