Trump: Unter Jubel zum Präsidentschaftskandidaten gekürt
16. Juli 2024Der frühere US-Präsident Donald Trump ist auf dem Parteitag der Republikaner offiziell als Kandidat für die Präsidentschaftswahl im November gekürt worden. Die Delegierten in Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin jubelten ihm euphorisch zu. Erneut reckte der 78-Jährige, der mit einem Verband am Ohr auf der Bühne erschien, die Faust in die Höhe. Eine Rede will er erst am Donnerstag (Ortszeit) halten.
Streifschuss am Ohr
Am Samstag hatte Trump um Haaresbreite einen Anschlag auf einer Wahlkampfkundgebung im Bundesstaat Pennsylvania überlebt - er wurde angeschossen und dabei leicht am rechten Ohr verletzt. Neben dem mutmaßlichen Schützen wurde ein Zuschauer getötet; zwei weitere Männer im Publikum erlitten schwere Verletzungen. Als Reaktion kündigte Trump an, auf dem Parteitag eine Ansprache halten zu wollen, "die unser Land vereint". Die ursprünglich geplante "extrem harte Rede" wolle er hingegen verwerfen, sagte er der Boulevardzeitung "New York Post".
Die rund 2400 Delegierten in Milwaukee stimmten mehrheitlich auch für Trumps Vize-Kandidaten J. D. Vance. Der sogenannte Running Mate würde im Falle eines Sieges das Amt des stellvertretenden Präsidenten übernehmen. Der 39-Jährige ist einer der politisch unerfahrensten Anwärter auf diesen Posten in der jüngeren US-Geschichte. Erst seit 2023 vertritt er als Senator im Kongress seinen Heimatbundesstaat Ohio, wo er in instabilen Familienverhältnissen aufwuchs.
"Hillbilly-Elegie" über die eigenen Wurzeln
Seine Memoiren über diese Zeit erschienen 2016 und wurden zu einem Bestseller: Das Buch "Hillbilly-Elegie" machte Vance einem größeren Publikum bekannt; eine Filmversion erschien später auf Netflix. Die Reflexionen über die weiße Arbeiterklasse zeigen nicht nur autobiographische Details - sie gewähren zugleich Einblicke in jene Schicht, der Trump seinen ersten Sieg bei der Präsidentenwahl von 2016 verdankte.
In früheren Jahren hatte der studierte Jurist wenig freundliche Worte für den Immobilienunternehmer aus New York übrig. Vance sprach über sich selbst als "Never Trumper" (übersetzt etwa: "Niemals Trump-Anhänger") und nannte den Republikaner unverblümt einen "Idioten". Doch im Zuge seiner Kandidatur für den US-Senat warf er seine alten Bedenken über Bord und lobte nun Trump, der ihn seinerseits unterstützte.
Galionsfigur des Isolationismus
Besonders deutlich positioniert er sich gegen die Milliardenhilfen der Vereinigten Staaten für die von Russland angegriffene Ukraine. Vance steht beispielhaft für den konservativen Isolationismus, der sich in der Partei durchgesetzt hat. Gleichzeitig stellt er sich hinter Israel im Kampf gegen die von vielen Staaten als Terrororganisation eingestufte Hamas, die mit ihrem Großangriff vom 7. Oktober den jüngsten Krieg im Gazastreifen ausgelöst hat.
Innenpolitisch ist der frühere Finanzmanager und Wagniskapitalgeber ein entschiedener Abtreibungsgegner. Er fordert eine Einwanderung nach Leistungsprinzip und die Fertigstellung der von Trump forcierten Mauer an der Grenze zu Mexiko. Das Ergebnis der Präsidentenwahl von 2020 leugnete er. Trump schrieb in seiner Ankündigung der Personalie, Vance werde sich im Wahlkampf unter anderem auf die Arbeiter und Farmer in umkämpften Bundesstaaten wie Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Ohio und Minnesota konzentrieren.
Gemischtkonfessionelles Juristenpaar
Dabei unterstützen dürfte ihn seine Ehefrau Usha Chilukuri Vance, eine Tochter indischer Einwanderer, mit der er drei Kinder hat. Kennengelernt haben sich die beiden an der Eliteuniversität Yale. Die Juristin verließ die Anwaltskanzlei, in der sie tätig war, nachdem ihr Mann als Running Mate auserkoren war. Vor einem Jahrzehnt hatte sie als Referentin für Brett Kavanaugh gearbeitet, der später von Trump als Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten nominiert werden sollte. Die 38-Jährige ist Hinduistin, ihr Mann gehört der katholischen Kirche an.
Trump und Vance konkurrieren bei der Wahl am 5. November nach bisherigem Stand mit dem Demokraten Joe Biden und dessen Stellvertreterin Kamala Harris. Der 81-jährige Amtsinhaber steht auch innerparteilich wegen seines Alters und mehrerer misslungener Auftritte in jüngster Vergangenheit stark unter Druck.
Erfolg in der Dokumentenaffäre
Trump dagegen konnte rechtzeitig zum Parteitag noch einen juristischen Erfolg für sich verbuchen. Die von ihm selbst eingesetzte Bundesrichterin Aileen Cannon stellte das Verfahren gegen ihn wegen der Mitnahme und unsachgemäßen Lagerung geheimer Dokumente nach seiner Abwahl nun ein. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass das Justizministerium mit der Ernennung eines Sonderermittlers in dem Fall gegen die Verfassung verstoßen habe. Der Sonderermittler selbst, Jack Smith, legte gegen die Entscheidung Berufung ein.
Der Ex-Präsident hatte geheime Regierungsdokumente nach seinem Ausscheiden aus dem Amt im Januar 2021 in seiner Privatresidenz Mar-a-Lago in Florida gelagert und der Anklage zufolge später vor dem Zugriff der Justiz versteckt. Die Unterlagen sollen ungesichert aufbewahrt worden sein. US-Präsidenten sind verpflichtet, nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt alle offiziellen Dokumente an das Nationalarchiv zu übergeben.
jj/se (dpa, afp, rtr)