Doping-Beihilfe: Geld gegen Vorwarnung
7. August 2016Nach dem Doping-Ballyhoo um Russland sorgen nun Kenia und Olympia-Gastgeber Brasilien für Unruhe und Besorgnis während der Rio-Spiele. Kenias Leichtathletik-Chef Michael Rotich musste sein Zimmer im olympischen Dorf wegen des Verdachts auf Doping-Beihilfe verlassen. "Wir haben sofort reagiert und den Teammanager zurückgezogen, so dass wir untersuchen können, welche Rolle er spielt", bestätigte Evans Bosire, Sprecher des nationalen Verbandes Athletics Kenya (AK) der "Sunday Times".
Spitzenfunktionär Rotich war am Samstag in einem in Zusammenarbeit der englischen Zeitung mit der ARD entstandenen Fernsehbericht beschuldigt worden, gegen Geldzahlungen Sportlern seines Landes verraten zu haben, wann sie Dopingkontrollen zu erwarten hätten. In dem Film wird Rotich gezeigt, wie er in einem mit versteckter Kamera gefilmten Gespräch sagt, dass er zwölf Stunden vorher wisse, wann Dopingtests stattfinden würden. Auf die Frage, ob er dieses Wissen für drei Monate gegen eine Pauschale von 9000 Pfund (rund 10.600 Euro) weitergeben würde, antwortete er: "Sagen wir 10.000 Pfund."
Weitere Ermittlungen gegen drei andere Offzielle aus Kenia
Dies seien schwerwiegende Anschuldigungen. Deshalb könne man nicht dulden, dass "jemand mit so einem Charakter unser Team managt", erklärte Bosire. "Wir können das nicht unter den Teppich kehren." Wie der Verbandssprecher weiter sagte, werde nun geprüft, ob man die Sache der Polizei übergebe. Die Entscheidung, Rotich nach Hause zu schicken, sei zusammen mit dem Nationalen Olympischen Komitee Kenias getroffen worden.
Er ist nicht der einzige Leichtathletik-Funktionär des Landes, gegen den im Zusammenhang mit Doping und Betrug Untersuchungen laufen. Außerdem wird zurzeit gegen drei Offizielle ermittelt: gegen das frühere Council-Mitglied des Weltverbandes IAAF, David Okeyo, den ehemaligen AK-Präsidenten Isaiah Kiplagat und den Ex-Schatzmeister Joseph Kinyua.
"Alles durchwühlen und umpflügen"
ARD-Studiogast Richard Pound, der die unabhängige Kommission zur Aufklärung des systematischen Dopings in der russischen Leichtathletik leitete, sagte nach Ansicht des Beitrages zu Kenia, dies würde ausreichen, um dort "Untersuchungen wie in Russland" anzustellen. "Wir müssen da alles durchwühlen und durchpflügen", sagte das kanadische Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees.
Kenia war bei der WM 2015 mit 16 Medaillen, davon sieben aus Gold, das erfolgreichste Land. Bei den London-Spielen 2012 waren es elf Edelplaketten und Platz sechs im Medaillenspiegel. Kenia hatte auf Druck der Welt-Anti-Doping-Agentur erst vor kurzem ein Anti-Doping-Gesetz verabschiedet, um damit den drohenden Ausschluss von den Spielen in Brasilien zu verhindern. Erst vor zwei Tagen strich die WADA Kenia von der Liste der Länder, die die Regeln des Welt-Anti-Doping-Codes nicht erfüllen.
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser
Für große Verwunderung sorgt, dass Olympia-Gastgeber Brasilien kurz vor den Sommerspielen für einen Monat die Dopingtests eingestellt hat. Einen entsprechenden Bericht der britischen Zeitung "Times" bestätigte das Sportministerium. Das Internationale Olympische Komitee, dass im russischen Doping-Skandal unter Druck geraten ist, findet diese Kontrolllücke nicht so erheblich. "Wir vertrauen sehr darauf, dass die Brasilianer ordnungsgemäß getestet wurden", sagte IOC-Sprecher Mark Adams.
Auch der Sprecher des Organisationskomitees der Rio-Spiele, Mario Andrada, versicherte, die Mannschaft sei den Regeln entsprechend kontrolliert worden. "Der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, Carlos Nuzman, hat noch einmal bekräftigt, dass bei Doping null Toleranz gilt", sagte Andrada. Bei den olympischen Heim-Spielen schickt Brasilien insgesamt 465 Athleten in die Wettbewerbe.
sw/wl (dpa, sid)