Doppelte Standards der EU verschärfen Streit mit Iran
3. August 2005Paris droht dem Iran, man werde den Fall vor den UN-Sicherheitsrat bringen, London warnt ebenso und auch Bundeskanzler Schröder zeigt sich äußerst beunruhigt: Die Aktivitäten des Iran "stimmen mehr als nachdenklich", meinte der Kanzler am Dienstag (2.8.2005). Er hoffe, dass es gelinge, "diese bedrohliche Situation zu deeskalieren" und er warnte, Teheran solle nicht glauben, der Westen werde sich auseinanderdividieren lassen.
Vor diesem Hintergrund scheint die Eskalation in den europäisch-iranischen Beziehungen nicht mehr aufzuhalten zu sein. Eine Eskalation, die ausgelöst und verschärft wird durch unkoordiniertes Hin und Her von Seiten Teherans: Da droht der Iran mit der Wiederaufnahme nuklearer Arbeiten, dann heißt es, man warte weiter auf eine europäische Antwort und dann wieder, was immer die EU anbiete: Man werde von seinen Grundsätzen nicht abrücken.
Irak als Präzedenzfall?
Diese Grundsätze sind unverändert seit Beginn der iranisch-europäischen Verhandlungen: Teheran betrachtet es als sein gutes Recht, Atomforschung zu betreiben, Atomkraft zur Energiegewinnung zu nutzen und dazu auch Uran anzureichern. Genau dies aber wird in Washington und erst recht in Jerusalem als Indiz dafür gewertet, dass der Iran eigentlich dabei ist, Atomwaffen zu entwickeln. Und Washington nimmt dies zum Anlass für eine massive Kampagne gegen den Iran, die ihrerseits die Europäer auf den Plan rief.
Ihnen klangen noch die amerikanischen Vorwürfe gegenüber Saddam Hussein in den Ohren, die nie bewiesen wurden, aber dennoch zur Rechtfertigung für den Irak-Krieg benutzt wurden. Die "E3"- Großbritannien, Deutschland und Frankreich - nahmen in diesem Fall Verhandlungen mit Teheran auf, um solch eine militärische Eskalation zu verhindern. Zunächst gelang es, Teheran, das seit langem Mitglied des Nichtverbreitungsabkommens für Atomwaffen ist, zur Unterzeichnung eines Zusatzprotokolls zu bewegen. Aber dann begann man, es auch zur Aufgabe des Plans zur Anreicherung von Uran zu drängen - die gleichermaßen wichtig ist für die friedliche Nutzung wie auch für die Herstellung von Atomwaffen.
Teheran gab nach, aber nicht für immer: Man habe ein klares Recht, Uran anzureichern, das Nichtverbreitungsabkommen verbiete dies nicht und überhaupt habe man längst öffentlich erklärt, dass man keine Atomwaffen bauen wolle. Für weitere Zurückhaltung erwartete der Iran europäisches Entgegenkommen in Form von technischen Know-how und Transfer. Hierzu war - und ist - er zu Kontrollen seiner Atomanlagen bereit, aber aus Europa kamen bisher nur Andeutungen, dass man auf allen möglichen anderen Bereichen Teheran entgegenzukommen bereit sei.
Doppelmoral
Das europäische Zögern ist mehr als ein deutliches Beispiel für doppelte Moral: So argumentieren die Europäer unter anderem, sie wollten die Gefahren bannen, die eine iranische Atombombe für Israel darstellen würde, kein einziger europäischer Politiker kommt aber auf die Idee, vielleicht auch Israel zur Unterzeichnung des Nichtverbreitungsabkommens und zum Abbau seines Arsenals von Atombomben zu drängen. Wie auch keiner den Indern oder den Pakistanern solches nahe legt - beide Staaten sind im Gegensatz zu Iran unkontrollierte Atommächte. Mit all diesen Staaten pflegt man weiterhin gute Beziehungen, während man den Iran immer mehr unter Druck zu setzen versucht.
Die Krise um Irans Atom-Aktivitäten ist deswegen nur zum kleinen Teil iranischer diplomatischer Unprofessionalität zuzuschreiben, zu einem weit größeren Teil aber doppelter Moral und doppelten Standards auf europäischer Seite.