DOSB-Wahl: Quo vadis, deutscher Sport?
4. Dezember 2021So viel steht fest: Auf den neuen DOSB-Präsidenten Thomas Weikert wartet eine Herkulesaufgabe. Der Augiasstall des Deutschen Olympischen Sportbundes muss ausgemistet werden. Für alle, die nicht so bewandert in der griechischen Mythologie sind: Zahllose Rinder hatten die Ställe des Augias jahrelang verdreckt, Herkules sollten sie innerhalb eines Tages säubern, eine scheinbar unlösbare Aufgabe.
Der DOSB-Spitzenposten wird zwar nicht für einen Tag, sondern für vier Jahre vergeben. Doch, um im Bild zu bleiben, auch im olympischen Stall hat sich jede Menge Mist angesammelt. Für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gilt dasselbe wie für seinen mitgliederstärksten Einzelverband, den Deutschen Fußball-Bund (DFB): Beide stecken in einer tiefen Krise, sportlich wie intern, und die jeweils neue Führungsperson ist angesichts der mannigfaltigen Probleme, die es zu lösen gilt, nicht zu beneiden.
Marode Sportanlagen, fehlender Nachwuchs
Der DOSB ist die Dachorganisation des deutschen Sports und vertritt knapp 90.000 Sportvereine mit mehr als 27 Millionen Mitgliedern. Er fördert den Breitensport und steuert den Spitzensport. Um beide ist es aktuell nicht sonderlich gut bestellt. Viele Sportanlagen wie Schwimmbäder oder Sporthallen sind marode. Den Vereinen laufen die Mitglieder davon, es finden sich immer weniger Menschen, die sich ehrenamtlich für den Sport engagieren wollen. Den Vereinen gehen vor allem die jungen Mitglieder aus.
Der mangelnde Nachschub an Talenten trifft auch den Spitzensport, der weniger Erfolge verbuchen kann. So sammelten deutsche Athletinnen und Athleten in diesem Jahr bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio 37 Medaillen, davon zehn goldene. Vor knapp 30 Jahren, bei den Spielen 1992 in Barcelona waren es noch 82 Medaillen gewesen. Das deutsche Olympiateam hatte damals 33 Olympia-Siege bejubelt - fast so viele, wie es 2021 insgesamt an Gold, Silber und Bronze gab.
Spitzensportreform verfehlte bisher ihr Ziel
Vor fünf Jahren, Ende 2016, hatte der DOSB die Spitzensportreform beschlossen. Aufgrund der sogenannten Potenzialanalyse - es wird geprüft, welche Sportarten in den nächsten Jahren mutmaßlich die größten Medaillenchancen haben - wird entschieden, wie das Geld aus Steuermitteln verteilt wird. Was als großer Wurf in der Sportförderung gedacht war, entpuppte sich jedoch als "Bürokratiemonster", wie es Ingo Weiss, der Präsident des Deutschen Basketball Bundes (DBB), formulierte. Und die Reform verfehlte ihr Ziel, mehr Erfolge und mehr Medaillen zu generieren. Die Politik reagiert darauf zunehmend verstimmt. Kein Wunder angesichts der Summen, die in den Spitzensport investiert wurden: von 2017 bis 2020 insgesamt mehr als eine Milliarde Euro.
"Kultur der Angst"?
Zu diesen Problemen gesellen sich noch die internen des DOSB. Nach acht Jahren an der Spitze des Verbands trat Alfons Hörmann nicht mehr zur Wiederwahl an. Hörmann sah sich als Opfer von Intrigen. Im Mai war ein anonymer Brief aus Reihen des DOSB öffentlich geworden, in dem Mitarbeitende dem DOSB-Präsidenten vorwarfen, im Verband eine "Kultur der Angst" geschaffen zu haben. Die Ethikkommission des DOSB hatte die Vorwürfe untersucht und Hörmann nahegelegt, die Vertrauensfrage zu stellen. Das Präsidium entschied sich dagegen, stattdessen wurden vorgezogene Neuwahlen für den 4. Dezember angesetzt - ohne den Kandidaten Hörmann.
Der neue Vorsitzende des DOSB hat also auch im eigenen Stall jede Menge Scherben aufzukehren. Herkules löste seine Aufgabe übrigens geschickt: Er brach die Fundamente an einer Seite auf und leitete das Wasser zweier Flüsse durch die Ställe des Augias. So einfach dürften sich die Probleme des deutschen Sports allerdings nicht lösen lassen.
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