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Drehscheibe Balkan

27. März 2003

- EU unterstützt Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution in Südosteuropa

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Köln, 27.3.2003, DW-radio / Albanisch, Sonila Sand

Menschenhandel ist mittlerweile eine der am schnellsten wachsenden und einträglichsten kriminellen Unternehmungen geworden. Und die Schleuser- Organisationen, die Frauen mit dem Versprechen auf gut bezahlte seriöse Arbeit in westeuropäische Staaten locken, um sie dann an Bordelle oder Zuhälter verkaufen, operieren über Landesgrenzen hinweg. Jährlich verdienen organisierte Banden mit diesem Geschäft Milliarden Dollar. Im Visier der europäischen Fahnder steht seit Jahren die Region Südosteuropa. Über die Balkanländer führen die Wege der Schleuser-Organisationen nicht nur in die Staaten der EU, sondern auch in die arabischen Länder und die USA.

Für die europäische Polizeibehörde Europol steht fest: Südosteuropa ist eine wichtige Drehscheibe des internationalen Menschenhandels geworden. Willy Bruggemann, stellvertretender Europoldirektor in Den Haag, betont, wie wichtig dabei die Zusammenarbeit mit lokalen Polizeistellen ist:

"Menschenhandel ist ein ständig wachsendes Phänomen. Es ist sehr schwierig, genaue Zahlen der Opfer zu errechnen. Wir glauben aber, dass es um die 500.000 Frauen sind, die jährlich in die Europäische Union geschleust werden. Wir haben festgestellt, dass die kriminellen Gruppen, die im Prostitutionsgewerbe tätig sind, aus südosteuropäischen Ländern stammen. Diese Leute versuchen immer mehr Frauen aus diesen Ländern in die EU zu bringen."

Mit einer extra gegründeten "Task Force gegen Menschenhandel" versucht die EU, im Rahmen des Stabilitätspakts für Südosteuropa dem Geschäft der Schleuserbanden ein Ende zu machen. Für Helga Konrad, die Vorsitzende dieser "Task Force", ist die Zwangsprostitution von Frauen die schlimmste Form von Menschenhandel. Warum die Schleuserrouten über Südosteuropa gehen, erklärt sie so:

"Es ist eine Nachkriegs- und Nachkonfliktsgesellschaft, wo die Rechtstaatlichkeit noch schwach ist und die Zivilgesellschaft erst gestärkt werden muss. Menschenhändler nutzen diese Situation aus und bringen hauptsächlich Frauen und Kinder in eine ausbeuterische Situation."

Insbesondere in den Balkanstaaten, wo über 60.000 internationale NATO-Soldaten stationiert sind, werden Frauen und Mädchen ausgebeutet. Helga Konrad weiß, dass Soldaten selbst Bordelle besuchen. Und die lokalen Behörden decken den Handel und verdienen mit. Zudem sind Fälle bekannt geworden, dass sogar Mitarbeiter der UN-Verwaltung in das lukrative Geschäft verstrickt waren. So wurden im vergangenen Jahr sechs in der bosnischen Stadt Bijeljina stationierte UNO-Angestellte vom Dienst suspendiert, weil sie direkt am Handel mit Frauen beteiligt waren, die zur Prostitution gezwungen wurden. Daraufhin habe man bei den internationalen Organisationen, die in Südosteuropa tätig sind, reagiert, sagt Helga Konrad:

"Die Tatsache, dass da so viele Männer in Uniform sind, regt sicher Menschenhändler an, einen Markt dort auszubauen. Das geschieht auch. Aber inzwischen haben wir erkannt, dass es notwendig ist, sehr korrekt und strikt hier vorzugehen. Es gibt Verhaltensregeln, so genannte 'codes of conduct'. So zum Beispiel von der OSZE, die den Bediensteten untersagt, Lokalitäten zu besuchen, wo vermutet werden kann, dass hier Menschenhandel betrieben wird. "

Auf dem Balkan sind alle Länder vom Menschenhandel betroffen: Rumänien, Bulgarien, die Republik Moldau und Albanien gehören vor allem zu den Ländern, aus denen die Frauen stammen, die zur Prostitution gezwungen werden. Die anderen Staaten sind Transit- oder auch Zielländer. Was wird nun konkret unternommen, um das organisierte Verbrechen vor allem auf dem Balkan zu stoppen? Helga Konrad:

"Was wir gemacht haben, ist, die Hauptakteure im Kampf gegen den Menschenhandel zusammenzubringen. Wir haben eine komplexe langjährige Strategie entwickelt, wie wir den Menschenhandel bekämpfen können. Das fängt an bei Gesetzesreformen und Training der Justiz und Polizei, über Maßnahmen, Opfer zu schützen und unterstützen, bis hin zu präventiven Maßnahmen in den Ursprungsländern."

Der Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution ist auch einer der Punkte, die die Europäische Union von den Regierungen der Länder Südosteuropas fordert. Viele der betroffenen Länder sind bereits Beitrittskandidaten für die Europäische Union, aber auch die anderen streben die Mitgliedschaft mittelfristig an. Helga Konrad:

"Der Kampf gegen Menschenhandel ist eine Vorbedingung für den Beitritt zur EU. Das ist auch etwas, was wir den Ländern klar machen Das ist Teil des Reformprozesses, und die südosteuropäischen Länder müssen den Kampf gegen den Menschenhandel ernst nehmen." (fp)