Schwieriges Gedenken in Dresden
13. Februar 2017Neonazis, die am Jahrestag der Bombardierung Dresdens mit Fackeln und der Reichskriegsflagge durch die Straßen ziehen - dieses Bild prägte lange das Gedenken an den 13. Februar des letzten Kriegsjahres. Auch Krawalle zwischen den Rechtsextremisten und Gegendemonstranten gehörten dazu. Dass es inzwischen weniger martialisch zugeht, ist vor allem ein Verdienst der "Arbeitsgruppe 13. Februar". Initiatorin war 2009 die damalige Oberbürgermeisterin Helma Orosz. Ziel der Christdemokratin war ein breites gesellschaftliches Bündnis, das sich dem Missbrauch des Gedenktags durch Ewiggestrige in den Weg stellt.
Dem Bündnis gehören Vertreter aus allen Bereichen an: Politik, Kultur, Wirtschaft, Sport, Religion und Wissenschaft. Die Bilanz nach acht Jahren Engagement gegen Nationalismus und Geschichtsverfälschung fällt zwiespältig aus. Zwar sind weniger schwarzgekleidete, kahlköpfige und aggressive Neonazis am Gedenktag zu sehen, dafür umso mehr äußerlich harmlos anmutende Mitläufer der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung. Wie feindselig deren Auftritte sein können, lässt sich regelmäßig montags bei ihren Aufmärschen in Dresden beobachten. Und der 13. Februar fällt in diesem Jahr auf eben diesen Wochentag.
Pegida pöbelt gegen die Kunst-Installation vor der Frauenkirche
Pegida tritt aber auch an anderen Tagen in Erscheinung - immer dann, wenn es der Gründer Lutz Bachmann für nötig hält. In schlechter Erinnerung bleiben die Störaktionen am Tag der Deutschen Einheit im vergangenen Jahr. Während der zentralen Feier in Dresden verhöhnten die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) Kanzlerin Angela Merkel und andere hochrangige Repräsentanten des Staates. Bachmann mobilisierte in digitalen Netzwerken, indem er zu einer "Rauchpause" aufrief. Ein ähnliches Szenario zeichnet sich nun auch für den bevorstehenden Gedenktag ab.
Einen Vorgeschmack lieferte Pegida bereits am vergangenen Dienstag bei der Einweihung des Kunstwerks "Monument" vor der Dresdner Frauenkirche. Die Installation des syrisch-deutschen Künstlers Manaf Halbouni besteht aus drei senkrecht stehenden Bussen, wie sie im kriegszerstörten Aleppo gegen Scharfschützen aufgerichtet wurden. "Der Schrott muss weg", forderten Pegida-Anhänger angesichts der Dresdner Nachbildung. Oberbürgermeister Dirk Hilbert wurde als "Volksverräter" verunglimpft. Der Freidemokrat hatte schon vorher Morddrohungen erhalten und steht unter Polizeischutz.
Oberbürgermeister Hilbert will an Opfer aller Kriege erinnern
Das Kunstwerk soll zwei Monate lang zu sehen sein und ist nach dem Willen seines Schöpfers und des Oberbürgermeisters ausdrücklich Teil des Gedenkens an die Zerstörung Dresdens vor 72 Jahren. Hilbert verteidigt das Konzept gegen alle Anfeindungen. Er wolle an die Opfer seiner Stadt während des Zweiten Weltkriegs ebenso erinnern wie an die des Bürgerkriegs in Syrien, so Hilbert. Menschlichkeit bedeute auch, "sich nicht in der Erinnerung an eigenes, vergangenes Leid abzukapseln". Stattdessen empfiehlt Hilbert, "denjenigen die Hand zu reichen, denen die Bomben alles genommen haben".
Die Diskussion um die "Monument"-Installation ist inzwischen noch brisanter geworden, weil die als Vorbild dienende Mauer aus Bussen in Aleppo von militanten Salafisten errichtet worden sein soll. Das berichtete die "Sächsische Zeitung" unter Berufung auf Augenzeugen. Der Wahrheitsgehalt dieser Behauptung ist schwer überprüfbar. Aber auch das passt wiederum zum Thema Krieg, weil Propaganda und Lüge ein fester Bestandteil davon sind. Die Bombardierung Dresdens ist dafür ein treffliches Beispiel. Noch heute wird über die Zahl der Toten in jener verheerenden Bombennacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 gestritten. Und über die Frage, ob es sich um ein Kriegsverbrechen handelte.
Glockengeläut und eine Menschenkette rund um die Elbterrassen
Oberbürgermeister Hilbert avancierte in den Augen alter und neuer Rechter auch deswegen zum Feindbild, weil er mit Blick auf den Gedenktag vor einem Opfer-Mythos gewarnt hatte. Dresden sei "alles andere als eine unschuldige Stadt". Dass ihr Image trotz der vielen zivilgesellschaftlichen Aktivitäten zuletzt wieder sehr gelitten hat, schmerze Hilbert und die "Arbeitsgruppe 13. Februar" sehr. Um so mehr hoffen sie, am 72. Jahrestag der Bombardierung ein positives Signal aussenden zu können. Wenn es dunkel ist und um 18 Uhr die Glocken läuten, werden sich wieder mehrere Tausend Menschen rund um die Straßen und Ufer an den Elbterrassen die Hände reichen. Diese beeindruckende Menschenkette gibt es seit 2010.
Die Idee entstand aus Protest gegen den Missbrauch des Gedenkens durch Rechtsextremisten. 2015 beteiligte sich auch die Alternative für Deutschland (AfD) daran, die formal Mitglied der "Arbeitsgruppe 13. Februar" ist. In diesem Jahr wird sich die Dresdner Stadtratsfraktion der Rechtspopulisten aber nicht an der Menschenkette beteiligen. Wegen der "politischen Aufladung", wie ihr kulturpolitischer Sprecher Gordon Engler im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte.
Die AfD will nur der Dresdner Opfer gedenken
Aufgeheizt war die Stimmung aber auch schon vor zwei Jahren. Der aktuelle Sinneswandel innerhalb der AfD dürfte wohl mehr mit dem generellen Rechtsruck der Partei zu tun haben. Auch der Fraktionschef in Dresden, Stefan Vogel, lehnt beispielsweise die Kunstinstallation vor der Frauenkirche rigoros ab. Es würde alle Dresdner und die vom Ende des Zweiten Weltkriegs Betroffenen "provozieren und beleidigen". Die AfD ziehe es deshalb vor, am 14. Februar auf dem Altmarkt einen Kranz niederzulegen. Dort gibt es eine Gedenktafel für die knapp 7000 an dieser Stelle verbrannten Überreste von Toten der Bombennacht 1945.
Den Aufruf der "Arbeitsgruppe 13. Februar" lehnt die AfD ab. Darin heißt es unter anderem: "Unser Gedenken findet im Hier und Jetzt statt. Auch gegenwärtige Konflikte wie in der Ukraine oder der Krieg in Syrien zeigen uns ihre Unmenschlichkeit. Aus der Erfahrung der Zerbrechlichkeit unserer Werte wollen wir gemeinsam mit Ihnen ein Zeichen für Humanität und Menschlichkeit setzen."