Droht der Region die Komplett-Abriegelung?
20. Juni 2020Der Schlachtbetrieb wurde für 14 Tage geschlossen, inzwischen sind exakt 1331 Mitarbeiter der Fleischfabrik positiv auf das Virus getestet worden. Ministerpräsident Armin Laschet, der vom bisher größten Infektionsausbruch in Nordrhein-Westfalen sprach, will einen regionalen Lockdown nicht ausschließen.
Der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer, sagte, insgesamt lägen 3127 Corona-Befunde vor. Die Fabrik in Rheda-Wiedenbrück ist Deutschlands größter Fleischbetrieb, der nun für zwei Wochen geschlossen werde, sagte der Leiter des Krisenstabes, Thomas Kuhlbusch. Die Behörden hatten große Probleme, an die Adressen der Mitarbeiter zu kommen. Deshalb hätten sich der Kreis und der Arbeitsschutz Zugriff auf die Personalakten der Firma Tönnies verschafft. "Das Unternehmen hatte es nicht geschafft, uns alle Adressen zu liefern", sagte Landrat Adenauer. "Das Vertrauen, das wir in die Firma Tönnies setzen, ist gleich Null", so Kuhlbusch.
Firmenchef Clemens Tönnies sagte dazu: "Wir haben datenschutzrechtliche Probleme." Laut Werkvertragsrecht dürfe das Unternehmen die Adressen der betreffenden Arbeiter nicht speichern. Co-Konzernchef Andres Ruff fügte hinzu: "Wir haben alle Daten, die wir hatten, sofort an die Behörden weiter gegeben." Tönnies wies zudem Rücktritts-Spekulationen zurück. "Ich werde dieses Unternehmen aus dieser Krise führen", sagte der 64-Jährige. "Ich mach' mich nicht aus dem Staub."
Clemens Tönnies soll abtreten
Aber genau das hatte sein Neffe, Robert Tönnies, von seinem Onkel gefordert. Im seit Jahren geführten Streit um Deutschlands größten Schlachtbetrieb hatte er bereits in einem Brief vom 19. Juni Clemens Tönnies aufgefordert, den Weg frei zu machen. Dessen Sohn Max Tönnies solle die Arbeit in der Geschäftsführung übernehmen. Außerdem forderte Robert die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung.
Die Corona-Reihenuntersuchungen auf dem Gelände der Fabrik gingen am Samstag weiter. Zu den bereits 25 Bundeswehrsoldaten vor Ort wurden 40 weitere hinzugeholt. "20 davon helfen bei der Dokumentation und 20 helfen bei der Kontaktpersonennachverfolgung", sagte Bundeswehrsprecher Uwe Kort. Die Kräfte fahren demnach gemeinsam mit medizinischem Personal und Mitarbeitern des Kreises Unterkünfte ab und testen dort Menschen. Laut Kort sprechen die Soldaten osteuropäische Sprachen, um sich mit den Arbeitern verständigen zu können.
SPD fordert höhere Löhne
Der Kreis hatte am Freitag verfügt, dass alle rund 6500 Tönnies-Mitarbeiter am Standort Rheda-Wiedenbrück mitsamt allen Haushaltsangehörigen in Quarantäne müssen.
Nach dem erneuten Corona-Ausbruch in der Schlachtbranche wächst der Druck, den massiven Preiskampf zu unterbinden. "Fleisch ist zu billig", sagte Bundesagrarministerin Julia Klöckner von der CDU. Sie setzt sich für eine Tierwohl-Abgabe ein. Im Gespräch ist auch, Billigpreiswerbung für Fleisch einen Riegel vorzuschieben. Aus der SPD kommt der Ruf, höhere Löhne in Schlachtbetrieben durchzusetzen. "Auch für die Verbraucher wird sich etwas ändern müssen", sagte Klöckner mit Blick auf eine Tierwohl-Abgabe. "Dabei soll Fleisch kein Luxusprodukt für Reiche werden. Aber auch keine Alltagsramschware."
nob/kle (dpa, rtr)