Energievorreiter Dänemark
24. April 2014Bis 2050 will das Königreich Dänemark ganz ohne CO2 Strom und Wärme produzieren. Bis 2020 sollen fast 70 Prozent des Stroms von Erneuerbaren Energien kommen. "Bereits heute liegen wir bei 43 Prozent", erzählt Kristoffer Böttzauw, stellvertretende Direktor der dänischen Energiebehörde Energistyrelsen. Die Energiebehörde koordiniert die dänische Energiewende und berät Politiker und Bürger. "Derzeit haben die Erneuerbaren Energien einen Anteil von rund 25 Prozent am gesamten Energieverbrauch in Dänemark", erzählt Böttzau im DW-Gespräch und ist überzeugt, dass der komplette Verzicht auf Kohle, Öl und Gas bis 2050 realistisch sei.
Vorreiter in der EU
Tobias Austrup, politischer Referent für die Energiewende für Greenpeace Deutschland, würde sich eine solche Zuversicht auch für die deutsche Politik und Wirtschaft wünschen. Er bezeichnet den nördlichen Nachbarn Deutschlands im DW-Interview als absoluten Vorreiter in der EU: "Hier wird gezeigt, dass industrialisierte Länder mitten in Europa eine wirkliche, echte, schnelle Energiewende durchführen können."
Austrup sieht die dänische Energiewende als Blaupause für Europa und Deutschland. "Bislang ist die deutsche Energiewende nur eine Stromwende", führt er an und nennt ein paar Ideen aus Dänemark, die er gerne für Deutschland übernehmen würde. "Ein Verbot für fossile Heizungen und eine ganz starke Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung. Die Anlagen sind nämlich hocheffizient. Sie nutzen die Abwärme bei der Stromgewinnung für die Heizung." Auch vom Umgang mit der Windenergie könne man noch vom Nachbarn einiges lernen.
Dänemark ist globaler Windkraftpionier
Mit rund 7300 Kilometer Küste sind die Voraussetzungen für Windkraft in Dänemark so günstig wie fast nirgends in Europa. Das Königreich zwischen Nord- und Ostsee setzt deshalb auch auf dem Windausbau im Meer. Derzeit entsteht in schwedisch-deutsch-dänischer Kooperation ein 600-Megawatt Windpark bei Kriegers Flak, der spätestens ab 2020 Strom liefern soll. Im letzten Jahr wurde vor der Insel Anholt im Kattegat ein 400-Megawatt Offshore Park eingeweiht - die Windanlagen lieferte der deutsche Konzern Siemens.
Akzeptanz für Windkraft durch Bürgerbeteiligung
Doch die Offshore-Parks reichen alleine nicht aus, um das Energie-Ziel zu erfüllen. So wird auch die Windkraft an Land weiter ausgebaut. Früher hatte lokaler Widerstand gegen die immer größer werdenden Windanlagen den Bau oft verhindert. 2008 sorgte die damalige Regierung mit neuen Auflagen für größere Akzeptanz in der Bevölkerung.
Zum einen, erzählt Böttzauw, werden die Anwohner direkt entschädigt: Wenn ein Haus durch die Nachbarschaft einer der neuen bis zu 150 Meter großen Wind-Riesen an Wert verliert, muss der Betreiber den Wertverlust an den Hausbesitzer zahlen. Zudem müssen mindestens 20 Prozent der Anteile lokal angeboten werden, um den Anwohnern eine direkte Beteiligung an der Investition zu ermöglichen. Und es gibt eine direkte Umlage pro Megawatt für die Kommune, sagt Böttzauw. Dies alles habe die Akzeptanz in der lokalen Bevölkerung erheblich gesteigert, da es somit auch "für die Kommune und für die Bürger direkte Vorteile bringen, wenn sie den Bau einer Windanlage zustimmen".
Das Problem mit den Stromtrassen haben die Dänen mit Erdkabeln gelöst. Böttzauw gibt zu, dass es eine teure Lösung ist, doch mit den neuen Windriesen könne man den Bürgern nicht auch noch die Strommasten zumuten. Nur die großen Offshore-Windparks sollen durch drei neue Strom-Trassen Windenergie durchs Land bringen.
Intelligente Speicherkonzepte
Das größte Problem bei der Abschaffung der fossilen Energiequellen werde im Transportsektor liegen, gibt Böttzauw zu. Doch mit Elektromobilität könne man auch einen Teil des Problems lösen. "Man kann nicht entscheiden, wann der Wind weht", führt er an. "Dafür kann man die Elektroautos aber als Speicher für den Windstrom nutzen." Gibt es mal zu wenig Strom, so speisen die Autobatterien die Energie ins Netz.
Eine andere Lösung verfolgt Dänemark mit riesige Tauchsieder oder Wärmepumpen. Überschüssiger Windstrom wird so in Wärme umgewandelt, "wenn es richtig windig ist, gibt es keinen billigeren Strom als aus Windenergie", sagt er. Und wenn der Wind nicht weht, dann scheint vielleicht die Sonne. Deshalb setzt die dänische Energiebehörde auch zunehmend auf Solaranlagen. Und für den Rest des Energiebedarfs muss dann Biomasse aufkommen, ergänzt durch Energieeinsparungen und Energieeffizienz. Die Zahlen der Energiebehörde sprechen dafür: Seit 1980 ist die dänische Wirtschaft um 78 Prozent gewachsen, doch der Energieverbrauch blieb fast gleich.
Exportartikel und Beschäftigungsmotor
In Deutschland wird gerne mit der fehlenden Konkurrenzfähigkeit der erneuerbaren Energien argumentiert. Eine Ökostromanlage belastet die Verbraucher - die energieintensive Industrie wird jedoch von der Umlage befreit. Für Greenpeace-Experte Tobias Austrup ein Unding. "Die deutsche Industrie ist im Moment der größte Gewinner der Energiewende, weil sie so niedrige Strompreise haben, wie seit zehn Jahren nicht mehr."
In Dänemark hat die Regierung einen anderen Weg gewählt. Die Unternehmen erhalten einen Zuschuss wenn sie erneuerbare Energien nutzen und die Energieeffizienz erhöhen. Das beflügelt die Kreativität und schafft Einspareffekte.
Bereits 2010 hatte die dänische Energietechnologie einen Exportanteil von rund zehn Prozent. Um in diesem Zukunftsmarkt global weiter vorne zu sein, investiert Dänemark intensiv in die Forschung und Förderung von Erneuerbare Energien, Effizienztechnologien und erneubaren Wärmeversorgungssystemen. Jedes Jahr sollen so in dem 5,5 Millionen Einwohner zählendem Land zwischen 6000 und 8000 neue Arbeitsplätze entstehen.
Dänemark zeigt China, dass es machbar ist
Die Erfahrungen aus dem skandinavischen Land hat auch China aufhorchen lassen. Seit 2006 gibt es eine intensive Energiezusammenarbeit zwischen Dänemark und China, erzählt Böttzauw von Energistyrelsen. Es fing mit Windenergie an und seit 2010 läuft eine Zusammenarbeit zur Entwicklung Erneuerbarer Energien.
"China hat großes Interesse an unseren Fernwärme-Systemen. Auch Biomasse und Offshore Windanlagen sind für sie interessant", erzählt Böttzauw. Er freut sich über das Interesse Chinas - und über den Erfolg der dänischen Energietechnologie. "Da ist ja alles drin: Von Pumpen über Windanlagen und Isolierungstechnik bis hin zu Thermostaten. Wir haben Expertise in Energieeffizienztechnologie und Erneuerbaren Energien."
Die wirtschaftlichen Interessen standen jedoch nicht im Mittelpunkt der Zusammenarbeit, sagt Böttzauw. "Wir sind ja nach China gegangen um mit den Energie- und Klima-Problemen zu helfen, die das Wirtschaftswachstum dort mit sich führt." Überhaupt, so Böttzauw sei es dieselbe Motivation, die die dänische Energiewende vorantreibt. "Wir wollen einfach zeigen, dass es machbar ist."