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E-Scooter: Immer noch nicht angekommen

John Marshall
11. Juli 2021

Ein tödlicher Unfall in Paris, massenhaft in Flüsse geworfene Elektro-Roller, vollgestellte Fußwege: Nicht alle mögen E-Scooter. Dabei galten die hippen Steh-Flitzer gerade noch als das Mobilitäts-Tool der Zukunft.

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Deutschland | E-Scooter auf Gehweg
Umgeworfene E-Scooter auf einem Gehweg, hier in KölnBild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

"Darauf fühlst Du Dich wieder wie als Kind", schwärmt der 28-jährige Santosh Mani von seinen Fahrten mit einem batteriebetriebenen Roller durch die Straßen der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn. Es ist die Bequemlichkeit, die Mani an dieser nicht unumstrittenen Transportmode schätzt - und zwar rund acht bis zehn Mal im Monat, weil man sie "fast überall finden" kann.

Keine Übertreibung: In den Vereinigten Staaten, wo der E-Scooter-Trend begonnen hatte, gibt es Roller-Verleiher in mehr als 100 Städten. Sie haben 2018 rund 40 Millionen Fahrten verbucht. Das berichtet eine Verkehrsforschungsgruppe mit dem sinnigen Namen To scoot or not to scoot. Sogar New York City, die Stadt hatte sich dem Trend lange verweigert, ergab sich dem Verlangen nach den E-Rollern und gab ihren Widerstand 2020 auf. 

Europa holt auf

Dieser Verkehrstrend hat seither seinen Weg auf alle Straßen jeder größeren Stadt gefunden - auch in Europa.

Deutschland, Köln | E-Scooter
Inzwischen ein gewohnter Anblick in deutschen Städten: Elektroroller, hier auf der Kölner HohenzollernbrückeBild: picture alliance/JOKER

Tier ist eine "Mikromobilitäts"-Firma, wurde 2018 in Berlin gegründet und ist inzwischen Europas größter E-Scooter-Anbieter. Tier bietet mehr als 80.000 Mobilitätsangebote in 120 Städten in 13 Ländern an.

Auch die Pandemie hat das Geschäft nicht aufgehalten, es hat im Gegenteil sogar profitiert. Tier-Sprecher Florian Anders sieht gegenwärtig sogar einen positiven Trend bei möglichen Investoren, die helfen wollen, das Geschäft auf größeren Märkten zu etablieren.

Tier ist nur ein E-Scooter-Anbieter, der auf die Hilfe von Investoren setzt - die Konkurrenten Dott, Wind und Voi tun das ebenfalls. Doch die Menge an Rollern, die Straßen und Bürgersteige in Paris, Berlin und neuerdings auch London flutet, erweckt den Eindruck, diese Firmen seien eh schon immer schneller unterwegs - schneller jedenfalls, als die zuständigen Behörden, die nicht mit ihnen Schritt halten können.

Sicherheit zählt

Am 19. Juni wurde in Paris eine 31-jährige Frau von einem Paar, das auf einem Scooter unterwegs war, überfahren und schwer verletzt. Nach zwei Tagen im Koma starb die Frau. Dieser Unfall löste einen Aufschrei aus und veranlasste den stellvertretenden Bürgermeister, alle Roller-Verleiher zusammenzurufen und über Sicherheitsaspekte zu diskutieren.

Nachhaltige Mobilität in Großstädten

Die Stadt drohte sogar, die E-Roller zu verbieten, wenn die Verleiher nicht strengere Sicherheitsmaßnahmen einführten.

Für Tier habe Sicherheit oberste Priorität, sagt Unternehmenssprecher Florian Anders dazu. Die Hardware sei so sicher wie möglich. Es sei aber auch eine Frage der Erziehung, nicht zu zweit oder betrunken zu fahren. Oder aber der unterentwickelte Ordnungssinn mancher Fahrer: In Köln werden derzeit über 400 Roller geborgen, die gedankenlos in den Rhein geworfen wurden. 

Das Bundesverkehrsministerium hat sich ebenfalls Gedanken darüber gemacht, ob das E-Roller-Fahren sicher sei. In einer Mitteilung formulieren die Beamten zurückhaltend, die Regulierung des Verkehrs mit sehr kleinen elektrischen Fahrzeugen sei ein Balanceakt zwischen technischem Fortschritt auf der einen und Verkehrssicherheit auf der anderen Seite.

Verwirrte Nutzer

Als Versuch, eine Ausgewogenheit herzustellen, wurde diese Regelung erlassen: Für das Fahren eines E-Scooters ist ein Mindestalter von 14 Jahren vorgeschrieben und es darf nicht schneller als 20 Kilometer pro Stunde gefahren werden. Außerdem müssen die Fahrzeuge auf Radwegen fahren.

Aber trotzdem sind manche Verkehrsteilnehmer verwirrt. So sagt E-Roller-Mieter Mani über sein erstes - im Übrigen verbotenes - Abenteuer beim Fahren zu zweit auf einem Roller, er habe das Gefühl gehabt, bei irgendetwas nicht ausreichend informiert worden zu sein.

Unterwasser-Aktion "Hamburg räumt auf!"
Leider auch schon ein gewohnter Anblick: Viele Roller werden nicht abgestellt, sondern in einen Fluss geworfenBild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Autos beanspruchen einen sehr großen Anteil des öffentlichen Raumes für sich und töten Zehntausende jedes Jahr. Einige Menschen fragen nun, ob die Aufregung um einen tödlichen Unfall mit einem Verkehrsmittel, das nur 20 Kilometer pro Stunde schnell ist, da verhältnismäßig ist.

Eine Überreaktion?

"So schrecklich es ist, dass diese Frau getötet wurde, möchte ich doch darauf hinweisen, dass jedes Jahr Tausende mit Autos überfahren werden. Ich unterstütze Menschen zu 100 Prozent, die sich auf Bürgersteigen sicher fühlen möchten - aber Elektro-Roller sollten nicht zum Staatsfeind Nummer eins gemacht werden." So formuliert es Dr. Rebecca Sanders aus Portland im US-Bundesstaat Oregon. Sie besitzt eigenen Angaben zufolge die Firma Safe Streets Research and Consulting im Nordwesten der Vereinigten Staaten.

Weil die Mikromobilität sich zu etablieren scheint, erwartet Sanders eine "Evolution" in der Politik: "Ich erwarte, dass Städte Scooter-Anbieter bestrafen, wenn ihre Roller nicht auf dafür vorgesehenen Plätzen abgestellt werden oder dass sie verpflichtet werden, dafür zu sorgen, dass ihre Roller nur in bestimmten Gebieten genutzt werden können." Es gehe darum, fügt sie hinzu, ein "Transportsystem zu schaffen, das diese neue Form von Mobilität integriert".

Nachhaltigkeit verkaufen

Während Firmen wie Tier noch mit Regulierungen kämpfen und Sicherheitsfragen klären müssen, ist ihr größtes Marketing-Pfund die Nachhaltigkeit.

Tier, so Sprecher Anders, wolle eine nachhaltigere Umwelt schaffen, zur Verkehrserziehung beitragen und Städte durch Mikromobilität verändern. Das Fahren von E-Scootern sei nicht nachhaltiger als Fahrradfahren oder Zu-Fuß-Gehen, aber eindeutig nachhaltiger als mit dem Auto zu fahren.

Deutschland, Köln | E-Scooter
Gefahr für Fußgänger? Umweltverschmutzung? Nachhaltigkeit? Egal, solange es der moderne Mensch bequem hatBild: Ralph Peters/Imago Images

Aber sind die E-Roller wirklich so nachhaltig? Dass ihre Lebensdauer oft nur mit drei Jahren kalkuliert wird - und viele von ihnen werden auch noch vor der Zeit einfach in Flüsse geworfen - lässt dieses Argument in anderem Licht erscheinen.

Für Rebecca Sanders aus Portland, Oregon, ist aber klar, dass die E-Roller ein nachhaltiger Teil der städtischen Transportsysteme werden könnten. "Wenn wir es richtig machen", fügt sie aber noch hinzu.

Für jemanden wie Mani, der auf einen E-Scooter umsteigt, wenn er gerade den Bus verpasst hat oder wenn er nur zu einem Treffen in der Nachbarschaft will, geht es dabei aber nicht um Sicherheit oder um Nachhaltigkeit. Ihn interessiert die Bequemlichkeit. Er nehme auf dem Weg zu einer Party nur ungern das Fahrrad, man käme dann so durchgeschwitzt an, erzählt der 28-Jährige. Mit einem E-Scooter habe er das Problem nicht.