Wie man die Ebola-Epidemie in den Griff bekommt
9. September 2014"Die Zahl der neuen Ebola-Fälle nimmt exponentiell zu", steht es in dem Papier der Weltgesundheitsorganisation (WHO), in dem ein Expertenteam die derzeitige Situation in Liberia bewertet. "Von allen betroffenen Ländern wächst in Liberia die Zahl der Ebola-Fälle und der Ebola-Toten am stärksten."
Fast 2000 Menschen haben sich dort bisher mit dem Virus infiziert, über 1000 sind gestorben. 58 Prozent aller infizierten Menschen stirbt, die Sterbequote in Liberia ist damit laut WHO eine der höchsten in Afrika.
Maximilian Gertler, Infektionsforscher und Vorstand von Ärzte ohne Grenzen, stimmt zu: Die Situation ist verheerend - nicht nur in Liberia. Im ARD-Morgenmagazin nannte er die Ebola-Epidemie einen "Flächenbrand" und fügte hinzu: "Wir werden noch wesentlich mehr Fälle sehen."
Insgesamt sind bereits über 2100 Menschen während des Ebola-Ausbruchs gestorben. "Was Fallzahlen angeht, ist diese Epidemie etwa zehnmal so groß wie die größten Ausbrüche von Ebola, die wir bisher gesehen haben", sagte Gertler.
Hilfe aus Übersee
Das US-Pentagon verkündete am Montag (08.09.2014), dass die USA militärische Unterstützung nach Westafrika schicken werden. Die Soldaten sollen dabei helfen, Isoliereinheiten aufzubauen. Auch sollen sie das Gesundheitspersonal beschützen. Denn in vielen von Ebola betroffenen Ländern ist es bereits zu gewalttätigen Aufständen gekommen, panische Menschen haben Isolierstationen angegriffen.
Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" fordert schon seit Längerem internationale Hilfe für die Krisengebiete. Letzte Woche sagte Joanne Liu, internationale Präsidentin der Organisation, auf einem Treffen der Vereinten Nationen: "Um der Epidemie Einhalt zu gebieten, ist es zwingend erforderlich, dass Staaten sofort ziviles und militärisches Personal mit Erfahrung im Umgang mit biologischer Gefährdung einsetzt." Ansonsten, sagte sie, "werden wir die Epidemie nie unter Kontrolle bekommen."
Maximilian Gertler begrüßt, dass "Obama dieser Forderung nun nachkommt". Allerdings, sagt er, sehe er keine Notwendigkeit, Gesundheitsstationen militärisch zu schützen. Isolierstationen allerdings seien tatsächlich dringend benötigt.
Virus verbreitet sich
Laut WHO gibt es in Liberia derzeit keine freien Betten, um Ebola-Patienten zu behandeln. "In Monrovia (Liberias Hauptstadt) kreuzen Taxis mit kompletten Familien quer durch die Stadt, weil einige Familienmitglieder verdächtigt werden, Ebola zu haben, und sie nach einem Krankenbett suchen. Es gibt keins."
Stefan Liljegren, Einsatzkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in einem Behandlungszentrum in Monrovia, sagte: "Jeden Tag müssen wir kranke Menschen nach Hause schicken, weil wir überfüllt sind." Die Patienten kehren demnach in ihr Zuhause zurück - wo sie andere Menschen anstecken. So breitet sich das Virus immer mehr aus.
Eigentlich ist das Ebola-Virus mit einigen Maßnahmen gut in den Griff zu bekommen: Es überträgt sich nur durch direkten Körperkontakt, nicht durch die Luft. Daher ist es zum Beispiel viel weniger ansteckend als eine Grippe. Aber eine der wichtigsten Regeln ist, dass Ebola-Patienten isoliert werden. Ist das aufgrund eines Mangels an Krankenhäusern nicht möglich, hat das Virus freien Lauf.
Experten raten von Reisesperren ab
Um die Epidemie einzudämmen, haben einige betroffene Länder ganze Regionen unter Quarantäne gestellt. Sierra Leone kündigte eine dreitägige Ausgangssperre an: Fußgänger und Fahrzeuge sollen ab dem 19. September für 72 Stunden von den Straßen verbannt werden. British Airways und Air France haben alle Direktflüge nach Sierra Leone aus dem Flugplan gestrichen.
Aber das sei nicht die Lösung, sagen Gesundheitsexperten. "Die Menschen brauchen Medizin, Lebensmittel, Treibstoff, Kohle und andere Waren. Wir müssen sie dorthin bekommen", sagte WHOs stellvertretender Generaldirektor für weltweite Gesundheitssicherheit Keiji Fukuda.
Am Montag drängte auch die Afrikanische Union darauf, Reisesperren aufzuheben. Denn wirtschaftliche Verluste würden die Krise nur noch verschlimmern.
Der größte Feind: Angst
Gertler von Ärzte ohne Grenzen sagt, dass im Kampf gegen Ebola das wichtigste sei, den Menschen ihre Angst zu nehmen. "Die Menschen dort haben wahnsinnige Angst. Gegen die Angst zu kämpfen, ist fast so schwierig, wie gegen die Epidemie selbst." Angst hindere die Menschen daran zu verstehen, wie sie sich vor dem Virus schützen können.
Die Ärzte ohne Grenzen warnen daher vor Ausgangssperren wie in Sierra Leone. Sämtliche Polizeimaßnahmen verschlimmerten die Situation eher noch, weil sie die Angst der Menschen zusätzlich schüren, sagte Gertler. Sie könnten dazu führen, dass sich die Menschen verstecken oder ihre Symptome vertuschen. "Wichtiger als Polizei ist Aufklärung."