Ex-Weltbankpräsident Wolfensohn ist tot
26. November 2020In seinen jüngeren Jahren hatte sich James David Wolfensohn sicher nicht als Chef einer multinationalen Entwicklungsbank gesehen. Im australischen Sydney geboren, schaffte er es als 23-jähriger Sportfechter in die Olympia-Mannschaft des Landes und nahm 1956 an den Olympischen Sommerspielen in Melbourne teil. Er diente als Offizier bei der Luftwaffe, studierte an der Universität Sydney und arbeitete in einer australischen Anwaltsfirma.
Moderner Mann der Renaissance
Die "Washington Post" schreibt, Wolfensohn sei oft als ein moderner Mann der Renaissance charakterisiert worden, der sich mit Persönlichkeiten der Kunstwelt ebenso wohlfühlte wie mit globalen Wirtschaftsführern und Politikern. Seit seiner Jugend war er ein Liebhaber klassischer Musik. Als Erwachsener begann er bei der britischen Musikerin Jacqueline Du Pre Cellounterricht zu nehmen.
Mit einem Abschluss der Harvard-Universität in der Tasche gründete er in den USA seine eigene Investmentfirma. Wolfensohn beriet große Firmen, brachte die Finanzen großer amerikanischer Kultureinrichtungen - wie die Carnegie Hall in New York und das John-F.-Kennedy- Zentrum für Darstellende Kunst in Washington, D.C. - in Ordnung und wurde Millionär. Nebenher engagierte er sich in der Umwelt- und Entwicklungspolitik.
Kampf gegen Armut und Korruption
Als Präsident der Weltbank von 1995 bis 2005 legte er den Fokus der Bank auf die Armutsbekämpfung und verdoppelte ihre Anstrengungen, Korruption zu bekämpfen und den Entwicklungseffekt von Investitionen zu verstärken, wie der derzeitige Amtsinhaber David Malpass schilderte. Wolfensohn habe den Armen eine Stimme gegeben.
Die Bekämpfung der Armut blieb Wolfensohns vorrangiges Ziel. Nach einer bürgerlichen Erziehung in Australien, so schrieb er in seinen Memoiren 2010, hätten frühe Reisen nach Indien und Nigeria als Klimaanlagenverkäufer "eine unauslöschliche Spur" hinterlassen. "Die Ungerechtigkeit war so auffallend, dass ich kaum aufnehmen konnte, was vor mir lag", erklärte er.
Unermüdlich forderte Wolfensohn die reichen Geberländer auf, mehr Entwicklungshilfe zu zahlen, Hilfen effizienter zu organisieren und Handelsschranken abzubauen. Außerdem schrieb sich der Vater von drei Kindern den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen.
Wolfensohn verstarb an Komplikationen nach einer Lungenentzündung, wie sein Sohn Adam mitteilte.
se/bru (ap, afp, rtr, washingtonpost.com)